Brühl. Bislang ist es in Brühl gelungen, die Geflüchteten dezentral über das gesamte Gemeindegebiet verteilt unterzubringen. Unter anderem, weil nicht die angekündigten Belegungszahlen eingetreten sind. Doch schon jetzt ist, mit wenig Freude aller Beteiligten, im April eine Containersiedlung im Schütte-Lanz-Gewerbepark beschlossen worden. Als Fertigstellungszeitpunkt war der Sommer 2024 kommuniziert. Dieser Termin kann wohl nicht gehalten werden.
Die Aufnahme, Unterbringung und Verteilung von Menschen, die in Deutschland um Asyl nachsuchen, wird durch das Asylgesetz und das Asylbewerberleistungsgesetz geregelt. In Baden-Württemberg ist zusätzlich das Flüchtlingsaufnahmegesetz anzuwenden. Das Regierungspräsidium Karlsruhe ist für die Zuweisungen in die Stadt- und Landkreise zuständig. Die Weiterleitung in die vorläufige Unterbringung der Kommunen richten sich dabei nach der Zuteilungsquote des jeweiligen Kreises. Diese ergibt sich aus dem prozentualen Anteil des jeweiligen Stadt- oder Landkreises an der Gesamtbevölkerung des Landes Baden-Württemberg. Aus der vorläufigen Unterbringung in den Kreisen geht es dann in die Anschlussunterbringung in die Gemeinden. Da hat der Kreis ebenfalls Zuteilungen relativ zur Einwohnerzahl der 54 Kreisgemeinden errechnet. Gemeinden mit einer Landeserstaufnahme-Einrichtung wie in Schwetzingen oder einer Einrichtung zur „vorläufigen Unterbringung“ des Kreises auf ihrer Gemarkung erhalten einen „Rabatt“. Dazu gehört Brühl nicht.
Ende 2022 hieß es, dass Brühl im laufenden Jahr 150 Geflüchtete zur Unterbringung zugewiesen würden. Daraufhin wurde die Ausschreibung für eine Containeranlage hinter dem Aldi beschlossen. Was ist daraus geworden?
Dr. Ralf Göck: Wir haben eine ansehnliche Anlage in Modulbauweise inzwischen konzipiert und öffentlich ausgeschrieben. Es gingen kaum Angebote ein, die zu werten gewesen wären. Deswegen wird jetzt beschränkt ausgeschrieben. Der Auftrag soll laut Ortsbaumeister Haas im Januar 2024 vergeben werden, die Fertigstellung verschiebt sich deswegen in den Herbst 2024 hinein. Unsere Aufnahmequote für 2023 wurde im Juni bereits vom Landratsamt etwas nach unten korrigiert. So ist inzwischen von 110 Menschen die Rede. Doch auch diese Zahl ist noch nicht Realität in Brühl. Vor dem Ukraine-Krieg sollten 2022 in Brühl nur zwölf Personen aufgenommen werden. Dies wäre unproblematisch möglich gewesen. Auch in den Jahren zuvor wurde die Aufnahmequote immer erfüllt, da die Gemeinde bislang dezentral auf die weitgehend moderaten Zuweisungen reagieren konnte. Mit Beginn des Krieges in der Ukraine wurde diese Zahl im April 2022 auf 162 Personen nach oben korrigiert. Es erfolgte eine Mobilisierung aller Unterbringungsmöglichkeiten. Unter anderem auch die Anmietung des Brühler Hofes. Es konnte 2022 in Brühl für 127 Personen Platz geschaffen werden. Unser Dank ging damals an einige Privatleute, die Wohnraum zur Verfügung stellten. Die Anforderung bei einer solch plötzlichen Erhöhung der Zahlen beschränkt sich nicht nur auf die Schaffung von Wohnraum. Die komplette Betreuungsstruktur rund um das Sozial- und Integrationswesen musste in kurzer Zeit gestemmt werden. So wurde im Dezember 2022 auch eine Sprachmittlerin für die russische und ukrainische Sprache eingestellt. Das entstandene Unterbringungsdefizit von insgesamt 35 Personen musste in das Jahr 2023 übertragen werden. Das bedeutet, diese Zahl muss der Zuweisungszahl für 2023 zugerechnet werden. In Summe sollte 2023 somit für 110 Personen eine Unterkunft bereitgestellt werden. Diese Vorgabe kann bis Ende des Jahres mit 50 Plätzen bedient werden. Die Gemeinde geht also mit einem Aufnahmequotendefizit von 60 in das kommende Jahr 2024. Diese Zahl wird der Zuweisungsquote 2024, welche erst noch bekannt gegeben wird, zugerechnet. Wir gehen selbstverständlich davon aus, dass 2024 noch neue Menschen Brühl zugewiesen werden. Wenn ich mir die ganzen Krisenherde auf der Welt anschaue, habe ich aber die Befürchtung, dass die Zahl der Geflüchteten für uns langsam zu groß wird.
Was halten Sie in dem Zusammenhang von den neuen Beschlüssen von Bund und Ländern?
Göck: Das Beschlossene geht in die richtige Richtung. Ich hoffe, dass damit die aus kommunaler Sicht so dringend erforderliche Begrenzung der irregulären Migration erreicht werden kann. Für uns Gemeinden wäre es gut, wenn nur noch diejenigen auf die Kommunen in die Anschlussunterbringung verteilt werden, die ein Bleiberecht haben. Auch die geringeren Asylbewerberleistungen ab dem 19. Monat beizubehalten, ist in der Tendenz richtig, wiewohl die Besserstellung ukrainischer Flüchtlinge erklärungsbedürftig sein wird. Die Einführung einer Bezahlkarte kann sinnvoll sein, dazu muss diese aber einfach und bürokratiearm eingeführt werden. Die Rückkehr zu einem atmenden System ist in der Sache eine gute und richtige Festlegung. Die ausgehandelte Pro-Kopf-Erstattung liegt fast 30 Prozent unter dem, was die Länder als sachgerecht angesehen haben. Es steht zu befürchten, dass Kosten der Kommunen damit ungedeckt bleiben.
Was geschah in Brühl seit dem Beschluss zum Bau der Container?
Göck: Wir konnten im laufenden Jahr die Geflüchteten noch in der einen oder anderen Wohnung unterbringen – auch weil andere Geflüchtete inzwischen weggegangen sind. Das ist eine Lösung, die uns viel lieber ist als eine Containerlösung am Rand der Wohnbebauung. Aber wir haben schon noch einige Menschen in diesem und im nächsten Jahr aufzunehmen, sodass wir wohl oder übel auf die Wohnungen in Modulbauweise zurückkommen.
Wann werden die Container aufgebaut?
Göck: Auch eine Containeranlage kann nicht auf Knopfdruck erstellt werden. Wir rechnen im Sommer 2024 mit dem Aufbau der Module, sodass im Herbst 2024 die ersten Geflüchteten einziehen können.
Für wie viele Geflüchtete sollen dann dort Plätze entstehen?
Göck: Wir planen Unterbringungsmöglichkeiten für insgesamt 150 Menschen. So wird auch ausgeschrieben.
Stoßen Sie mit diesen Plänen auf Widerstände?
Göck: Es grummelt schon in der Bevölkerung. Einzelne Menschen aus der weiteren Nachbarschaft zeigen sich verunsichert, was da genau vorgesehen ist. Aber die Anlage ist ja nicht in einem Wohngebiet, sondern mitten in einem belebten Gewerbegebiet. Und so gab es bisher nur Nachfragen, aber keine Widerstände. Wir werden die Belegung auch gut vorbereiten: unser Personal wird sich in der bisher bewährten Weise kümmern, die Personalstärke wird an die Bedarfe angepasst, und wir werden die Belegung nur schrittweise vornehmen.
Was wird die Anlage kosten?
Göck: Es sind bisher 4,2 Millionen für die Wohnungen in Modulbauweise eingeplant. 1,3 Millionen Euro erhalten wir als Zuschuss vom Land. Damit bleiben bei uns in Brühl Kosten von 2,9 Millionen Euro hängen, die teilweise aus der Miete der Geflüchteten refinanziert werden können. Allerdings werden wir zusätzliches Personal brauchen – dessen Bezuschussung ist eher unsicher.
Welche Wünsche haben Sie an Bund und Land in Sache Flüchtlingspolitik?
Göck: Wie jeder Bürgermeister hoffe ich, dass die zusätzlichen Zuweisungen irgendwann wieder auf das Niveau der Jahre 2018 bis 2021 zurückgehen, weil Brühl nach diesen geplanten 150 Unterkünften nicht wirklich mehr Platz hat. Die einzige Möglichkeit ist, auf die bisher vorgesehenen zweistöckigen Container noch einen dritten Stock an Modulen draufzusetzen. Aber das wollen wir natürlich nicht. Selbstverständlich wird es einen Durchgang bei den Gemeindewohnungen geben, weil manche Geflüchtete aus den kommunalen Maßnahmen ausscheiden und dann deren Plätze aufgefüllt werden können. Wir scheinen zurzeit im Rhein-Neckar-Kreis ein gut funktionierendes System zu haben, um die Flüchtlinge zunächst vorläufig in den Kreiseinrichtungen und dann erst in den Gemeinden unterzubringen. Allerdings würde es der Sache sicherlich guttun, wenn diejenigen, die wirklich keinen Anspruch auf Asyl haben, schneller und unkomplizierter abgeschoben werden könnten, damit sie hier keine Wohnungen für andere Geflüchtete blockieren. Bis die rechtlichen Verfahren abgeschlossen sind, dauert es allerdings zurzeit oft sehr lange. Aber das sind sicherlich nur Einzelfälle. Dennoch sind unsere Kapazitäten und die Integrationsmöglichkeiten im Moment erschöpft.
Wie hat bisher die Integration in Brühl funktioniert?
Göck: Sehr, sehr gut. Da darf ich meinen Mitarbeitern im Rathaus ein großes Lob aussprechen. Ein Beispiel ist der „Brühler Hof“. Die Umwidmung eines Hotels in eine Flüchtlingsunterkunft ist „geräuschlos“ verlaufen, obwohl manche Beteiligten Probleme vorausgesagt haben. Doch die gab es bislang so gut wie nicht. Aber auch in den anderen Wohnungen, die wir über das Gemeindegebiet verteilt nutzen, ist alles einigermaßen gut gelaufen. Natürlich gibt es das eine oder andere Mal kleinere Probleme, aber das ist im Miteinander gelöst worden. Auch haben einige Geflüchtete im Arbeitsmarkt eine Stelle gefunden. Wirkliche Integration braucht allerdings auch ihre Zeit, das geht nicht von heute auf morgen und muss individuell angegangen werden. Deswegen können Kommunen auch nicht zu viele Geflüchtete auf einmal aufnehmen. Über die Jahre gesehen nutzt eine gelungene Integration Deutschland aber sicherlich – in Brühl sind inzwischen schon einige Geflüchtete in Lohn und Arbeit. Da geht es nicht nur um Fachkräfte, auch in vielen Jobs für Ungelernte fehlt es an Menschen, die diese Arbeit übernehmen. Deshalb brauchen wir eine gewisse Zuwanderung – aber eben auch die entsprechende Zeitspanne, bis die Geflüchteten eine Arbeitsstelle annehmen können. Dazu gehört auch eine gewisse Sprachkenntnis, die häufig erst noch erworben werden muss. Integration ist ein ganz vielschichtiges Thema. Aber eine Erkenntnis ist: Es geht nicht innerhalb weniger Monate, sondern braucht seine Zeit und viel Mitwirkung von Helfern.
Werden Sie dabei von Ehrenamtlichen unterstützt?
Göck: Es gibt aktuell kaum noch ehrenamtliche Integrationshelfer. Außerdem fehlt es an speziell betreuten Schul- und Kindergartenplätzen. Man muss auch sehen, dass es für jeden inzwischen nicht leichter geworden ist, einen Termin zur Behandlung bei Ärzten zu bekommen. Zwar klappt die medizinische Versorgung der Geflüchteten in Brühl sehr gut, aber es wird alles knapper und schwieriger. Angesichts der weltweiten Probleme müssen wir alle ein Stück weit zusammenrücken. Aber irgendwie muss von den politischen Entscheidungsträgern auch erkannt werden, dass es eine Grenze gibt – wenn diese Zahlen überschritten werden, können wir keine wirklich gute Integrationsarbeit mehr leisten.
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