Brühl. In den großen Ferien macht auch der Gemeinderat Pause. Wir nutzen die Zeit für unsere Serie der Sommerinterviews. Die Redaktion hat allen im Brühler Rat vertretenen Parteien und der Wählervereinigung die gleichen Fragen gestellt. Als dritte politische Gruppierung antworten die Freien Wähler (FW), die mit den fünf Mitgliedern Jens Gredel, Jürgen Pietsch, Klaus Pietsch, Heidi Sennwitz und Claudia Stauffer im Gemeinderat vertreten ist.
Wie steht Brühl aus Ihrer Sicht im Allgemeinen da?
FW: Insgesamt betrachtet leben wir in einer intakten Gemeinde. Die Infrastruktur hält, insbesondere mit Blick auf die Schulen, Kinderbetreuung, dem sozialen Wohnungsbau und Einrichtungen für Senioren, jeden Vergleich mit den Kommunen im Rhein-Neckar-Kreis stand und übertrifft häufig sogar die allgemeinen Standards. Das soziale Leben wird von einem aktiven Vereinsleben stark mitgeprägt, was die Verbundenheit der Menschen zu unserer Gemeinde deutlich macht. Brühl ist ein in jeder Hinsicht attraktiver Ort zum Leben. Sorgen macht den Freien Wählern aber die Haushaltsentwicklung. Sie erfordert unsere verstärkte Aufmerksamkeit, damit auch künftige Generationen wirtschaftlich handlungsfähig bleiben.
Was ist aus Ihrer Sicht in den vergangenen Monaten aus kommunalpolitischer Sicht besonders gut gelaufen?
FW: Gut entwickelt hat sich die praktische Umsetzung unserer richtungsweisenden Beschlüsse zum Hortneubau an der Schillerschule und dem sozialen Wohnungsbau. Beides Herzensprojekte der Freien Wähler, die unsere Gemeinde in sozialer Hinsicht zukunftsfähig machen. Hier hat insbesondere das Bauamt sehr gute Arbeit geleistet. Die Besetzung der freien Stellen bei der Kinderbetreuung macht ebenfalls gute Fortschritte. Positiv hervorzuheben sind auch das Engagement der Mitglieder der Arbeitsgemeinschaften Erneuerbare Energien und Nachhaltigkeit, die ein gutes Beispiel für den Gestaltungswillen und die Bereitschaft unserer Bürger, sich zum Wohl unserer Gemeinde einzusetzen, darstellen.
Wie bewerten Sie die finanzielle Situation der Gemeinde?
FW: Die finanzielle Situation kann aus Sicht der Freien Wähler nur als problematisch bezeichnet werden. Die laufenden Ausgaben übertreffen die Einnahmen deutlich, die Reserven sind weitestgehend aufgebraucht und der Schuldenstand wächst dementsprechend deutlich an. Der erste Haushaltsentwurf für 2025 wurde von der Gemeindeprüfanstalt zurückgewiesen, Nachbesserungen waren erforderlich. Das macht den Ernst der Lage deutlich. Glücklicherweise haben wir jetzt für unser Kinderbildungszentrum an der Schillerschule einen deutlich höheren Zuschuss von 7,1 Millionen Euro erhalten. Das löst zwar nicht unsere strukturellen Probleme, entlastet den Haushalt aber trotzdem spürbar.
Wie kann die Finanzlage verbessert werden?
FW: Es kommt in erster Linie darauf an, eine Priorisierung auf der Ausgabenseite vorzunehmen. Deshalb ist die Kostenstruktur der Gemeinde zwingend auf den Prüfstand zu stellen. Ein erster guter Schritt in diese Richtung war die auf Antrag der Freien Wähler durchgeführte Haushaltsklausurtagung des Gemeinderats im Juni. Einige Problemfelder wurden dabei identifiziert, die je nach Entwicklung künftig erforderlichen konkreten Schritte sind noch zu erarbeiten. Zusätzliche Belastungen für unsere Bürger lehnen die Freien Wähler ab. Hier sehen wir, von allgemeinen Anpassungen abgesehen, die Spitze des Eisbergs erreicht. Die Ansiedlung weiterer Gewerbetriebe, die dann Gewerbesteuer zahlen, und die Bemühungen für eine stärkere Beteiligung von Bund und Land, unter anderem bei der Kinderbetreuung, müssen wir weiter intensivieren.
Stehen aus Ihrer Sicht Freiwilligkeitsleistungen wie das Freibad oder die Vereinsförderung zur Disposition?
FW: Grundsätzlich sind bei der aktuellen Lage alle Ausgaben auf ihre Notwendigkeit zu prüfen und kritisch zu hinterfragen. Pflichtaufgaben haben im Zweifel den Vorrang vor den freiwilligen Leistungen. Gleichwohl wollen die Freien Wähler unsere Gemeinde auch lebenswert und attraktiv gestalten. Eine pauschale Streichung von freiwilligen Leistungen wird es deshalb mit uns nicht geben. Die Vereine sind essenzieller Bestandteil unseres sozialen Lebens und werden auch künftig von uns unterstützt. Eine Schließung des Freibads ist kein Thema. Aber natürlich müssen alle Einzelfälle genau geprüft werden, um uns auch künftig finanzielle Handlungsspielräume zur Bewältigung unserer Aufgaben zu erhalten.
Was ist aus Ihrer Sicht eine besonders vordringliche Aufgabe des Gemeinderates in den kommenden Monaten?
FW: Aus Sicht der Freien Wähler ist die vordringlichste Aufgabe die Erstellung eines belastbaren und genehmigungsfähigen Haushaltsplanes für das kommende Jahr. Die ersten Ergebnisse der von uns beantragten Haushaltsklausurtagung sind nun weiter zu vertiefen und in konkrete Handlungsvorschläge zu entwickeln. Die Planungen einer zukunftsfähigen Infrastruktur sind mit hoher Intensität fortzuführen. Dies gilt unter anderem für unser Starkregenmanagement, unser Stromleitungsnetz und die Mobilfunkabdeckung. Die eingeleiteten Maßnahmen zur Umsetzung unseres Klimaschutzkonzepts müssen mit Blick auf das erklärte Ziel einer klimaneutralen Gemeinde im Jahr 2040 weiter verstärkt vorangetrieben werden.
Welche Schulnote würden Sie der Zusammenarbeit im Gemeinderat über Fraktionsgrenzen hinweg geben?
FW: Die Vergabe einer Schulnote zur Bewertung der Zusammenarbeit im Gemeinderat über die Fraktionen hinweg ist pauschal nicht so einfach möglich. Die Zusammenarbeit zwischen den Fraktionen ist aber insgesamt gesehen, trotz teilweiser sehr unterschiedlicher Auffassungen in einzelnen Sachfragen, durchaus als vertrauensvoll zu bezeichnen. Die Freien Wähler suchen regelmäßig den Austausch mit anderen Fraktionen, auch außerhalb des Sitzungskalenders, um die besten Lösungen für unsere Gemeinde zu finden. Dies findet stets auch die Anerkennung bei den Fraktionen.
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