Brühl. Abschied ist ein bisschen wie Sterben. Angelehnt an den Schlager-Titel von Katja Ebstein dankte Pfarrer Erwin Bertsch den vielen Menschen, die das Gemeindeleben in der katholischen Seelsorgeeinheit Brühl-Ketsch mit „derart viel Engagement“ bereicherten und ihm selbst „immer versierte Beratung und Unterstützung“ gegeben hatten.
Total berührt und echt angegriffen von der Welle der Sympathie bei seiner Verabschiedung in der Schutzengelkirche und dem anschließenden Zusammensein im benachbarten Gemeindehaus war Bertsch in den Feierstunden nach dem festlichen Gottesdienst. Immer wieder versagte dem Kirchenmann vor Rührung kaum spürbar für Sekundenbruchteile die Stimme, als er dankte für die vielen Geschenke und noch mehr der Worte, die ihm alles Gute wünschten für die nun vor ihm liegende Zeit.
Wegbegleiter aus allen Zeiten mit dabei in Brühl
Das Defilee der aktuellen Freunde, Kollegen, Mitarbeitenden und zahlreichen aus der Vergangenheit, die ihn als Seelsorger in verschiedene Orte führte, schien schier kein Ende zu nehmen. Entsprechend voll waren die Sitzreihen in der Schutzengelkirche in Brühl, dem Ort, an dem Bertsch die zurückliegenden neun Jahre unter anderem wirkte.
Kleine Anekdoten flocht Bertsch, der sein Amt bereits am 31. Juli dieses Jahres auf eigenen Wunsch verlässt, in seine Worte mit ein. „Ich habe hier viele Menschen sehr schätzen gelernt“, sagte er, bevor ausgerechnet an diesem Tag die von ihm als Steckenpferd forcierte Technik versagte, wo er seine Rede gespeichert hatte und ablesen wollte: „Irgendwie habe ich es wohl geahnt und habe eine analoge, gedruckte Version dabei“, verkündete Bertsch und nahm die Zettel zur Hand.
Abschied sei auch immer Anlass zur Rückschau, in der er seinen Vorgängern, im Besonderen dem direkten Pfarrer Walter Sauer, für deren geleistete Arbeit dankte, die ihm die seine vereinfacht hätte. Er sei in eine „sehr lebendige Gemeinde mit zahllosen Verantwortung übernehmenden Ehrenamtlern“ gekommen. Er habe damals recherchiert, was ihn erwarte: „Da stand jeden Sonntag „Gottesdienst mit Konfrontation“ auf dem Plan, das hat mich irritiert“, erzählte er. Man kann sich gut die Gefühle vorstellen, mit denen der 68-Jährige in den ersten Sonntagsgottesdienst ging und die Erleichterung in „Konfrontation“ eine Band vorzufinden, die mit Musik und Gesang so viele und auch den aktuellen Gottesdienst bereicherte.
Gerade angesichts dieser mannigfaltigen Begegnungen mit den Brühlern und Ketschern entferne die derzeitige Umstrukturierung mit immer weiterwachsenden bürokratischen Notwendigkeiten den Alltag eines Pfarrers immer weiter von der Seelsorge, die für ihn den Fokus seiner Arbeit darstelle. Es seien neun Jahre voller Wandel und Herausforderungen gewesen, die dank der Ehrenamtler, aber auch der Hauptamtlichen in seinem Team, dem er „hoffentlich ein verträglicher Chef“ gewesen sei, habe erleben dürfen.
Ein Mann mit Humor
Dass dem so gewesen sein muss, war offensichtlich in den folgenden kreativen Dankesworten der verschiedenen Gruppierung abzulesen. Da sprach die Pfarrgemeinderatsvorsitzende Marianne Faulhaber von den inhaltsreichen Predigten, die zum Nachdenken anregten und gespannt sein ließen auf alles, was noch kommen würde, aber auch vom trockenen Witz und großen Humor Bertschs.
Pfarrer Marcel Demal von der evangelischen Kirchengemeinde unterstrich das „gute und gedeihliche Miteinander in der Ökumene“ und die daraus resultierenden Projekte, die weiter Früchte tragen. Ein kleines Herz aus geschliffenem Glas soll Bertsch an den facettenreichen Beruf des Pfarrers erinnern und für die Facetten stehen, die ihn im weiteren Lebensabschnitt bei bester Gesundheit erwarten. Claudia Stauffer, in Vertretung für Bürgermeister Dr. Ralf Göck, dankte für deutliche Worte für die Missstände unserer Zeit, die der Pfarrer immer fand. Weil er gerne reise und auch Reisen organisiere, komme der „Brühler Rucksack“ angefüllt mit Dingen, die man immer brauchen kann, sicher recht.
Es sind noch viele Reisen geplant
„Ich hoffe, dass sie nun all die Dinge tun können, für die bislang keine Zeit gewesen ist“, begann der Ketscher Bürgermeister Timo Wangler seine Ansprache, in deren Verlauf er für das stets offene Ohr des Geistlichen dankte. Er empfahl die bisher ein- bis zweimal jährlich stattfindenden von Bertsch organisierten Reisen auf die gleiche Zahl monatlich zu erhöhen und ein „Ruhestands-Reisebüro“ zu gründen. Die inhaltsreiche „Ketscher Tasche“ sei hierbei sicher ein guter Begleiter.
Die Ministranten erleben ab Montag, 29. Juli, einige Tage gemeinsam mit Bertsch in Rom, haben aber bereits ein Notfallpaket für den Ruheständler gepackt. Darin finden sich Luftballons für die Ruhestandsparty aber auch Buchstabensuppe gegen die Demenz sowie Bilder und allerlei Witziges, wie das Ministrantenshirt, damit er und alle anderen in Rom wüssten, wo er hingehöre.
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Diakon Uwe Lüttinger brachte anstelle eines Straußes Blumen einen Gutschein zum Shoppen in einem Laden, der den Strauß im Namen trägt, mit. Obgleich es keine echte Verabschiedungsliturgie gäbe, spendete er Bertsch den Segen für die Zukunft auf Augenhöhe.
Ein Sahnehäubchen im Sprachgesang brachten Nathalie und Heiko Wunderling, Kurt Gredel und Sigrun Gaa-de Mür für den künftigen Pensionär, in dem sie allerlei Erlebtes humoristisch und mit dem sprichwörtlichen lachenden und weinenden Auge Revue passieren ließen.
„Ich bin überwältigt“, schloss Erwin Bertsch an, der sich fortan auf dem von ihm so betitelten „gefährlichsten Lebensabschnitt“ befände, denn diesen überlebe keiner: „Aber das hebe ich mir echt bis zum Schluss auf“, blitzte ein weiteres Mal der Schalk in Bertschs Worten durch, bevor entspannt im Saal des Gemeindehauses weitergefeiert wurde.
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