Brühl. Die Festhalle mit der „Ratsstube“ sind sicherlich die auffälligsten Erfolge des Projektes zur Ortskernsanierung „Hauptstraße I“, das vor bereits 15 Jahren eine der ältesten Straßen in Brühl aufwerten sollte. Dann kam – ohne direkte Fördermittel des Landes – die Wohnanlage gegenüber der katholischen Kirche dazu. Sie hat das Gesicht des alten Ortskerns noch noch einmal grundlegend verändert. An den Erfolg dieses Sanierungsprogramms im nördlichen Teil der Straße wollte die Gemeinde dann vor etwa zehn Jahren mit einem zweiten Sanierungsbereich „Hauptstraße II“ anschließen.
Städtebauförderung des Landes Baden-Württemberg - rund 900 Kommunen profitieren
„Seit 1971 trägt die Städtebauförderung des Landes Baden-Württemberg zur zukunftsgerechten Weiterentwicklung der Städte und Gemeinden bei“, heißt es seitens des Ministeriums. Mit ihrer Hilfe habe man rund 900 Kommunen in über 3400 Sanierungs- und Entwicklungsgebieten in ihrer städtebauliche Entwicklung voranbringen können, ist man in Stuttgart sichtlich stolz.
Bereits 2014 hatte die Gemeinde mit einem Entwicklungskonzept für die Straßenzüge südlich des Pfarrzentrums begonnen, in dem die aktuellen Bestands- und Analysedaten zusammengetragen wurden. Die Schwerpunkte für das Sanierungsgebiet „Hauptstraße II“ wurden unter anderem durch eine Bürgerbeteiligung entschieden. So sollten als vordringliche Entwicklungsmaßnahme der Bereich zwischen der Schutzengelkirche und dem neuen Quartier „Junges und betreutes Wohnen“ umgestaltet werden.
Dadurch sollten letztlich auch die Aufenthaltsqualität und die fußläufige Verbindung zwischen Kirchen- und Hauptstraße verbessert werden. Der Platz vor der Kirche sollte die Menschen künftig zum Verweilen einladen und ein Treffpunkt im alten Ortskern der Hufeisengemeinde werden, so der damalige Vorschlag der Verwaltung.
2015 hatte man dazu mit der LBBW Immobilien Kommunalentwicklung einen Beratungsvertrag für das Sanierungsgebiet abgeschlossen. Die darin übertragenen Leistungen umfassen auch die Umgestaltung der Hauptstraße und der Neugasse. Darin sah der Gemeinderat eine „Riesenchance für den Ortskern“. Wenn es Fördermittel gebe, sei das noch viel besser.
„Der Platz um die Schutzengelkirche und der Abschnitt der Hauptstraße weisen funktionale Mängel und freiräumliche Defizite auf, die im Zuge der Ortskernsanierung mit entsprechenden Fördermitteln des Landes behoben werden können. Hierzu wird die Erarbeitung eines Gestaltungskonzeptes erforderlich, auf dem die Freiflächenplanung zur Neugestaltung anschließend aufbaut“, hieß es damals dazu in dem vorgelegten Beschlussvorschlag.
2015 wurde der Antrag auf Aufnahme in das Förderprogramm vom Landesministerium für Wirtschaft, Arbeit und Wohnungsbau positiv beschieden. Das Sanierungsgebiet begann in der Hauptstraße beim katholischen Pfarrzentrum und zog sich bis zur Straße Richtung Friedhof hin. Außerdem gehört die Neugasse beidseitig bis auf Höhe der Kolbengärten dazu. In der Kirchenstraße ging es in nördlicher Richtung bis kurz vor den Merkelgrund.
Insgesamt wurde für das Sanierungsgebiet ein Finanzvolumen von 1,58 Millionen Euro festgeschrieben. 60 Prozent davon wollte das Land übernehmen, 40 Prozent, also rund 630 000 Euro, sollte die Gemeinde aufbringen. Neben den öffentlichen Projekten wurden im Landessanierungsprogramm „Hauptstraße II“ auch private Sanierungs- und Modernisierungsmaßnahmen bei Häusern, die in diesem zentralen Gebiet liegen – nach einem entsprechenden Antrag des Hauseigentümers – gefördert.
Wir wollen das oder die verbliebenen Projekte womöglich nach unseren dringlichen Bauaufgaben in dem Kindergarten- und Hortbereich, in der Flüchtlingsunterbringung, im Sozialen Wohnungsbau und in der Kanalsanierung wieder aufgreifen und neu beantragen
Die Maßnahmen für das Sanierungsgebiet sollten – nachdem bereits eine Verlängerung des Zeitrahmens genehmigt worden war – ursprünglich bis Ende des vergangenen Jahres abgeschlossen werden. „Ja, es hätte jetzt erneut verlängert werden müssen“, erklärt Bürgermeister Dr. Ralf Göck auf Nachfrage der Schwetzinger Zeitung.
Die Gemeinde hätte diesen zeitlichen Aufschub womöglich sogar erreichen können. Allerdings habe sich im Rathaus die Erkenntnis durchgesetzt, dass nur wenige private Hausbesitzer noch etwas an Investitionen angehen wollten und dass die kommunalen Finanzmittel ebenfalls begrenzt sind. Dazu komme noch, „dass es bei uns im Bauamt personell Schwierigkeiten gibt, diese Sanierungsfälle adäquat zu bearbeiten“, erläutert Göck nun.
Projekt ist nicht komplett gefloppt
Als einziges öffentliches Vorhaben wäre noch der Platz zwischen den Neubauten des Betreuten Wohnens und der Schutzengelkirche herzustellen, was schon jahrelang diskutiert wird, bilanziert der Rathauschef. „Dennoch wollen wir das Programm jetzt auslaufen lassen, werden den Satzungsbeschluss zur Aufhebung des Sanierungsgebietes im Frühsommer abrechnen und das Sanierungsprogramm beenden. Wir tun das offensiv, um die Möglichkeit zu haben, eventuell in ein paar Jahren, wenn sich die Lage geklärt hat, das Ganze nochmals anzupacken.“
Das Programm war damit kein Flop, aber es war weniger erfolgreich als zuvor von allen Seiten durchweg euphorisch erwartet. Gefördert wurden in der gesamten Zeit vier private Vorhaben in der Neugasse, eines in der Hauptstraße und vier in der Kirchenstraße. Dafür wurden rund 133 000 Euro aus dem dem Topf des Sanierungsprogramms ausgegeben. Mit diesen Fördermitteln wurden dann unter dem Strich Gesamtinvestitionen von 711 000 Euro ausgelöst.
Kommunale Vorhaben gab es in einem gemeindeeigenen Haus in der Hauptstraße sowie bei zweien in der Jahnstraße, für die die Kommune aus dem Programm insgesamt 68 000 Euro vom Land erhalten, aber selbst 230 000 Euro ausgegeben hat.
Von dem ursprünglich angesetzten Gesamtrahmen von 950 000 Euro für das Sanierungsgebiet „Hauptstraße II“ wurden also insgesamt 366 000 Euro für private und öffentliche Maßnahmen an Fördermitteln abgerufen. „Hinzu kamen die Verwaltungskosten unseres Trägers, der Kommunalentwicklung, die ebenfalls mit 60 Prozent beim Land und zu 40 Prozent bei der Gemeinde verbleiben, so dass insgesamt die Hälfte des Programms in Anspruch genommen wurde“, bilanziert Göck auf Nachfrage. Das zeige auch, dass das Sanierungsprogramm „Hauptstraße II“ bislang schon nicht übermäßig in Anspruch genommen worden sei.
Ist damit die Beseitigung der einst festgestellten „funktionalen Mängel und freiräumlichen Defizite“ im Schatten der katholischen Kirche ebenfalls vom Tisch? „Diese Umgestaltung war ein Wunsch, der zwar komplett bezuschusst worden wäre, allerdings wären in jedem Fall 40 Prozent der Investitionskosten bei der Kommune hängen geblieben, die Kirche hätte keinen Beitrag leisten müssen, nur diesen sanierten Bereich für die breite Öffentlichkeit offenhalten müssen“ erklärt Göck und verweist auf Gespräche mit dem damaligen katholischen Pfarrer Erwin Bertsch, dessen „Begeisterung sich da in Grenzen hielt, als wir ihm den ersten Entwurf präsentierten, und wir wissen auch nicht, wie sich die neue Kirchengemeinde dazu positioniert“.
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Nach einer Priorisierungsdiskussion im Gemeinderat habe die Kommune dieses „durchaus wünschenswerte Projekt etwas nach hinten geschoben“, stellt Göck fest. Es sei allerdings von Anfang an umstritten gewesen und hätte beziehungsweise würde noch viele Diskussionen auslösen. Die Zahl der Parkplätze, deren Positionierung auf Gemeinde- oder Kirchengelände und die Fahrbahnbreite der Hauptstraße seien noch immer mit vielen Fragezeichen versehen. Dazu komme die Frage, ob der Bereich um die Kirche und der dortige Teil der Kirchenstraße einbezogen werden solle. Und selbst wenn die Fragen geklärt seien, steht und fällt das Projekt mit der Finanzierung.
Je nach Umfang des Projekts wäre mit Kosten von 500 000 bis einer Million Euro zu rechnen gewesen, davon wären selbst bei einer Förderung durch das Sanierungsprogramm des Landes 40 Prozent zu Lasten der Gemeinde gegangen, nur 60 Prozent der zuschussfähigen Kosten würde das Land tragen. Und je nach Größe des Projekts hätten die Mittel nicht ganz ausgereicht. „Zuschussfähig“ ist zudem eine nicht unbedeutende Einschränkung, denn nicht alles was Planer sich einfallen lassen und den Bauherren gefällt, ist zuschussfähig, was bedeutet, dass in manchen Fällen dann 100 Prozent von der Gemeinde zu zahlen wären.
„Und ein mit vielen Diskussionen um die Anzahl der Stellplätze, um die Anzahl der Bäume, um die verbleibende Breite der Hauptstraße oder um eine Einbahnstraßenregelung an der Stelle verbundenes Projekt für 250 000 bis 500 000 Euro kann das Bauamt im Moment personell und finanziell nicht leisten“, stellt Göck fest.
Zunächst andere Aufgaben im Fokus
Bei einem ordentlichen Abschluss des Sanierungsprogramms, wie er jetzt geplant sei, erübrige sich die Frage, ob die Gelder verfallen. „Ja, die Fördermittel werden bei unserem dritten Sanierungsprogramm in meiner Zeit erstmals nicht ausgeschöpft und wir gehen offensiv damit um. Wir wollen das oder die verbliebenen Projekte womöglich nach unseren dringlichen Bauaufgaben in dem Kindergarten- und Hortbereich, in der Flüchtlingsunterbringung, im Sozialen Wohnungsbau und in der Kanalsanierung wieder aufgreifen und neu beantragen“, blickt Bürgermeister Göck im Gespräch mit unserer Zeitung in eine wohl weite zeitliche Ferne.
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