Lesetipps - Das Literarische Duett Dagmar Krebaum und Barbara Hennl-Goll empfiehlt diesmal drei Romane über starke Frauen

Zwischen Serenissima und Dschungel

Von 
Ralf Strauch
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Brühl. Die Ferien stehen vor der Tür – und damit auch die Zeit des unbeschwerten Schmökerns in Büchern. Genau dafür hält das Literarische Duett – Dagmar Krebaum und Barbara Hennl-Goll – drei Tipps bereit. Ganz begeistert zeigen sich die beiden lesenden Frauen von den literarisch aufgearbeiteten Schicksalen von drei ganz unterschiedlichen Frauen.

Die erste Protagonistin ist Margherita. Sie lebte von 1895 bis 1978, verkaufte in ihrer Jugend in Treviso Zeitungen und wurde Gattin des venezianischen Conte Antonio Revedin. Jana Revedin, die Frau des Enkelsohnes Antonio Revedin, erzählt in dem Roman „Margherita“ das persönliche Schicksal der Contessa und deren weitgehend in Vergessenheit geratene Bedeutung für die Stadt Venedig. Denn viel von dem, was Venedig heutzutage so anziehend macht, geht auf die Aktivitäten von Margherita Revedin zurück. Sie gehörte zum Kreis der Unternehmer und Aristokraten, die dort exklusivsten Kur-, Kultur- und Naturtourismus initiierten. Die gehobene Gesellschaft nahm sie allerdings nie als eine der Ihren an. Doch Margherita brachte Künstler und Prominente an den Lido.

Die Mischung aus Fiktion und Fakten – wie bereits auch in ihrem Vorgängerroman „Man nennt mich Frau Bauhaus“ über die zweite Ehefrau von Architekt Walter Gropius, Ise Gropius – macht für das Literarische Duett den Reiz der Lektüre aus. Beim nächsten Venedig-Besuch wird man sich vielleicht erinnern an diese inoffizielle, heute so gut wie vergessene ,First Lady‘ der Lagunenstadt. Das Buch ist erschienen im Aufbau Verlag und hat die ISBN 978-3-351-03830-4. Die 304 Seiten kosten 22 Euro.

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Vom Lido geht es an den Hindukusch. Gerade erleben die Deutschen den Abzug der Bundeswehr-Soldaten und der US-amerikanischen aus Afghanistan. Etwa 4000 Soldaten der internationalen Truppen starben, bis zu 70 Prozent des Landes kontrollieren die Taliban. Diese Fakten grundieren den bereits 2019 in den USA erschienenen Roman der US-Journalistin Amy Waldman, die bereits vor 20 Jahren in der New York Times über ihre Erfahrungen in Afghanistan berichtete.

Dieser Roman ist – im übrigen ihr zweiter nach dem gefeierten „Der amerikanische Architekt“ von 2013 –eine packende Geschichte der ehrgeizigen Berkeley-Studentin Parvin Schams, afghanischstämmige US-Amerikanerin, die entschlossen ist zu helfen. Fasziniert von einem Buch eines Arztes und seinem humanitären Engagement für afghanische Frauen, möchte sie in der von ihm erbauten modernen Geburtsklinik in einem dortigen Dorf arbeiten. Doch die Ernüchterung, die sie dort erlebt, könnte größer kaum sein.

Eindrucksvolle Schilderungen

Doch die fremde Besucherin gibt noch nicht auf, sie beginnt, den Frauen vorzulesen, ermuntert sie, gegen ihren alltäglichen sexuellen Missbrauch aufzubegehren. „Das ferne Feuer“ ist ein Roman, keine politische Analyse. Doch seine Szenen, seine eindrucksvollen Schilderungen der wilden Landschaft und der Menschen in ihr, sind stark und packend. „Wer verstehen will, was in mehr als 5000 Kilometer Entfernung von Deutschland passiert, sollte das Buch lesen“, meint Krebaum.

„Das ferne Feuer“ von Amy Waldman ist vom Verlag Schöffling & Co mit der ISBN9783895611681 veröffentlicht worden, Die 496 Seiten gibt es für 26 Euro.

„Gestapelte Frauen“ – dieser Roman ist eine glühende Anklage gegen männliche Gewalt. Patrícia Melo, eine der wichtigsten Stimmen der brasilianischen Gegenwartsliteratur, hat einen aufwühlenden Roman publiziert, der nicht nur eine fiktive Geschichte erzählt, sondern darüber hinaus eine Vielzahl von dokumentierten Morden auflistet – jedes Kapitel hat einen realen Vorspann.

Die Protagonistin und Ich-Erzählerin, eine junge Anwältin aus der Metropole Sao Paulo, soll im Auftrag ihrer Kanzlei in die Urwaldprovinz Acre reisen und als Beobachterin an Gerichtsverhandlungen gegen Frauenmörder teilnehmen. Sie hat als Kind selbst erlebt, wie ihr Vater ihre Mutter ermordet hat, dieses traumatische Erlebnis allerdings ziemlich verdrängt.

In Acre ist die Bevölkerung indigen oder „gemischt“ und die junge Anwältin findet bald Kontakt zu einer engagierten Staatsanwältin und zu einer mutigen Journalistin. Sie interviewt gewissenhaft Richter, Verteidiger, Zeugen und alle, die an einem Mord oder seiner Aufklärung beziehungsweise dessen Vertuschung mitwirken. Sie lernt, dass Weiße und Reiche in der Regel unschuldig das Gericht verlassen.

Die Indigenen rangieren im brasilianischen Kastensystem noch unter den Armen und den Frauen, sie sind schlicht und einfach nicht existent. Die Ich-Erzählerin erfährt mehr und mehr über die Bräuche , das Leben, die Mythen der Indigenen.

Dieser Roman spielt in einem bedrückenden, aber zugleich paradiesischem Umfeld. Es ist auch eine Liebeserklärung an die Welt der amazonischen Ureinwohner. „Unbedingt lesen“, meint das Literarische Duett als Empfehlung.

Das Buch „Gestapelte Frauen“ hat Patrícia Melo beim Unionsverlag veröffentlicht. Die ISBN lautet 3293005683. 22 Euro kostet dieser 256-Seiten-Roman.

Redaktion

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