Demonstrationen

Eppelheimer Landwirte bei Protestzug: „Es ist ein Sterben auf Raten“

Die Landwirte Simon Stephan und Christian Treiber aus Eppelheim haben am Protestzug in Heidelberg teilgenommen. Sie erklären, warum die Bauern gerade wütend sind und was sie sich von der Politik wünschen.

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Linda Saxena
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Landwirte aus Plankstadt und Eppelheim versammeln sich am Montagmorgen, um gemeinsam zur Demonstartion nach Heidelberg zu fahren. © PR-Video

Plankstadt/Eppelheim. „Der Kompromiss ist völlig unhaltbar“, sagt Landwirt Simon Stephan (36) aus Eppelheim. Dass die Bundesregierung die Subventionen für den Agrardiesel bis 2026 schrittweise abschaffen wolle, sei ein „Sterben auf Raten“, ergänzt Landwirt Christian Treiber (31). Der ursprüngliche Plan der Ampel-Koalition, die Kfz-Steuerbefreiung und die Subventionen für den Agrardiesel abzuschaffen, habe „das Fass zum Überlaufen gebracht“, sagt der Eppelheimer.

Deshalb seien am Montagmorgen viele Landwirte mit ihren Traktoren auf der Straße. Zu den Protesten aufgerufen haben neben dem Deutschen Bauernverband auch die Landesverbände in den einzelnen Bundesländern. Der Eppelheimer Simon Stephan hat gemeinsam mit Landwirt Roland Pfisterer den Protestzug in Heidelberg organisiert.

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Am Vormittag habe er 122 Teilnehmer mit mindestens 100 Traktoren gezählt, sagt er. Unter den Teilnehmern befinden sich Bauern aus Plankstadt, Eppelheim, Oftersheim, Wieblingen, Edingen, Walldorf, Sandhausen und Altlußheim. Mitgefahren ist auch Christian Treiber. „Die Reaktionen sind unterschiedlich ausgefallen“, berichtet er. Von einigen Passanten und Verkehrsteilnehmern habe man Zustimmung signalisiert bekommen, „mit einem Daumen hoch“. Andere wiederum hätten ihren Unmut über die Verkehrsbehinderung mit lautem Hupen Luft gemacht.

Am Montagnachmittag versammeln sich die Landwirte im Pfaffengrund. Dort wird es außerdem eine Kundgebung geben, sagt Organisator und Landwirt Simon Stephan. © PR-Video

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Ziel des angemeldeten Protestzuges sei es, auf die Lage der Landwirte aufmerksam zu machen, sagt Simon Stephan. „Die Existenz kleiner Betriebe steht auf dem Spiel.“ In den vergangenen Jahren seien immer mehr Auflagen, Vorgaben und bürokratische Vorschriften für die Landwirtschaft beschlossen worden. Zu viele – wenn es nach den Landwirten in Eppelheim geht. Der 36-Jährige hat den elterlichen Betrieb vor einigen Jahren übernommen, betreibt ihn aber nur im Nebenerwerb. „Wir machen Ackerbau“, sagt er. Angebaut werden Getreidesorten wie Weizen, Dinkel und Gerste – aber auch Erbsen oder bis vor Kurzem Mais. Hauptberuflich ist Simon Stephan als Automatisierungstechniker tätig. Neben der 40-Stunden-Woche bewirtschaftet er noch den Hof. Er befürchtet, dass aufgrund der großen Menge an Vorgaben und Subventionskürzungen der Betrieb auf lange Sicht nicht mehr rentabel ist. „Wir hoffen darauf, dass die Regierung aufwacht und sieht, wie es um die Landwirtschaft in Deutschland steht“, sagt er.

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Abseits der Diskussion um Agrardiesel und Kfz-Steuer gebe es weitere Punkte, die die Bauern umtreiben. Ein Beispiel nennt Christian Treiber: „Vier Prozent der Gesamtfläche muss stillgelegt werden.“ Hintergrund ist eine EU-Auflage. Für das Land, das nicht mehr bestellt werden darf, gebe es keine Ausgleichszahlungen. Hinzu komme, dass die Pacht für die Felder stetig steige. „Wir haben kaum eigene Flächen“, sagt der 31-Jährige. Je höher der Preis für die Ackerfläche sei, desto wahrscheinlicher komme es dazu, dass die Landwirte ein Minusgeschäft damit machen.

Im Supermarkt "ist die Ware billiger"

Außerdem sei die Umsatzsteuer gesunken – von 9,0 auf 8,4 Prozent. Für den Verkauf ihrer Produkte dürfen die Landwirte bei der Umsatzsteuer anders abrechnen als Gewerbebetreibende. „Für Saisonarbeiter wurde noch der Mindestlohn erhöht“, sagt Christian Treiber. Der Familienbetrieb baut neben Getreide auch Erdbeeren an. Die gestiegenen Preise und Kürzungen bei der Mehrwertsteuer machen sich am Schluss am Endpreis bemerkbar. Würden die Bauern den Preis eins zu eins weitergeben, „kosten 500 Gramm Erdbeeren acht Euro“, sagt der Landwirt. Die Kundschaft aber sei nicht bereit, diesen Preis zu zahlen. „Weil die Ware im Supermarkt billiger ist.“

Christian Treiber ist Landwirt aus Eppelheim. Hauptberuflich arbeitet er als Gärtner, in der Zukunft will er den elterlichen Betrieb übernehmen. © Saxena

Den Eppelheimer Landwirten ist es wichtig, dass Kunden über Herkunft und Entstehungsprozess der Lebensmittel informiert sind. Deshalb lautet eine weitere Forderung beim Protestzug der Bauern, dass „importierte Waren mindestens den deutschen Anforderungen an Umwelt-, Tierschutz- und Sozialstandards entsprechen“, schreibt der Verein „Land schafft Verbindung Baden-Württemberg“ in einer Mitteilung. Neben den Nachbesserungen im Lieferkettengesetz sollen laut dem Schreiben für alle landwirtschaftlichen Produkte eine klare Kennzeichnung vorgenommen werden, woher das Produkt stammt.

Wie Stephan arbeitet auch Treiber hauptberuflich nicht im eigenen Betrieb, sondern als Gärtner bei der Stadt Schwetzingen. Langfristig würde er gerne den Betrieb seiner Eltern weiterführen. Zusätzlich haben die Treibers ein zweites Standbein aufgebaut, „die Gastronomie“, sagt er. Für Feiern und Feste kann auf dem Hof ein Gastraum gemietet werden. „Ohne das wäre das alles hier nicht mehr möglich.“

Denn die Produktionskosten, die die Landwirte für ein Produkt wie Weizen oder Erdbeeren investieren müssen, decken sich nicht mit den Preisen auf dem Weltmarkt. Laut dem Bundesinformationszentrum Landwirtschaft, das an die Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (BLE) angegliedert ist, führen höhere Auflagen dazu, dass die Erzeugung von Lebensmitteln verteuert wird. Das führe dazu, dass die Weltmarktpreise für Agrarprodukte wie Fleisch oder Getreide in der Regel nicht ausreichen, um einen landwirtschaftlichen Betrieb in Deutschland wirtschaftlich zu führen.

Bauern aus der Region wollen ein Zeichen gegen Rechts setzen

Im Laufe des Montags sorgen die Bauernproteste bundesweit für viel Wirbel. Medienberichten zufolge wurden Autobahnauffahrten oder Straßen durch die Traktorkolonnen blockiert. Im Vorfeld rief die Polizeigewerkschaft zu friedlichen Protesten auf. Seitens des Deutschen Bauernverbandes bat Präsident Joachim Rukwied um Verständnis für die Blockadeaktionen, weil es um „die Zukunft unserer Bauernfamilien“ gehe. Auch die Landwirte aus Eppelheim sprechen sich explizit für ein friedliches Demonstrieren aus. Ortsschilder umdrehen oder auch Galgen-Zeichnungen „müssen nicht sein“, unterstreicht Christian Treiber jedoch.

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Im Zuge der Protestaktionen der Landwirte besteht auch die Sorge, dass sich rechtsextreme Gruppierungen unter die Bewegung mischen. Dagegen wollen die Bauern aktiv ein Zeichen setzen – und zwar mit einem Schild mit der Aufschrift „Die Landwirtschaft ist bunt, nicht braun“. Das Schild wird in der Innenscheibe des Traktors befestigt.

Keine Alternative für Agrardiesel

Das Bestreben der Bundesregierung, klimaschädliche Subventionen abzuschaffen, stößt bei den Landwirten auf wenig Verständnis – vor allem wegen mangelnder Alternativen. „Die E-Traktoren befinden sich in der Testphase“, sagt Christian Treiber. Und wenn die Elektro-Fahrzeuge irgendwann mal in der Landwirtschaft eingesetzt werden können, müssen sie eine gewisse Leistung erbringen können. „Wenn der Akku nur vier Stunden hält, bringt das nicht viel“, sagt der Eppelheimer Landwirt. In der Ernte müsse eine Maschine manchmal den ganzen Tag durchlaufen, damit das nötige Pensum auch geschafft werden könne.

Für die Zukunft erhofft er sich, dass die Regierung die Subventionskürzung für den Agrardiesel zurücknimmt und der Wert der Landwirtschaft bestärkt wird: „Was wäre, wenn es uns nicht mehr gäbe?“

Redaktion Linda Saxena ist Print- und Online-Redakteurin in der Lokalredaktion der Schwetzinger Zeitung/Hockenheimer Tageszeitung und zuständig für Plankstadt und Eppelheim.

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