Nachgehakt

Springsteen in Hockenheim: Späte Züge und verwirrende Parktickets

Wir haben zusammengetragen, was Veranstalter Live Nation, Hockenheim-Ring GmbH und Deutsche Bahn zur vielfach geäußerten Kritik an der Organisation des Springsteen-Konzerts sagen.

Von 
Matthias Mühleisen
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Der Boss in Aktion, das Publikum in Verzückung: Zum Konzert von Bruce Springsteen und der E Street Band gibt es ausschließlich begeisterte Reaktionen in den sozialen Medien. Zu An- und Abreise äußern dagegen viele Hundert Besucher Kritik. © Mühleisen

Hockenheim. Zwischen „Mega-Konzert“ und „Nie wieder Hockenheimring“ sind es nur wenige Zeilen in den Einträgen der Besucher auf der Facebook-Seite der Hockenheim-Ring GmbH. Über 500 haben sich bis Montagmittag angesammelt, ihr Tenor ähnelt sich. Scharf kritisiert werden das Verkehrskonzept und die fehlenden Kapazitäten im ÖPNV, insbesondere die Sonderzüge der Bahn, deren Kapazitäten für das Besucheraufkommen nicht ausreichten. Wir haben bei Veranstalter Live Nation, der Hockenheim-Ring GmbH und der Deutschen Bahn um Stellungnahmen nachgefragt.

„Am Hockenheimring bestehen keine Möglichkeiten, die Anreise zu entzerren, außer wie geschehen an die Besucher zu appellieren, früher anzukommen. Die Parkplätze waren seit 10 Uhr besetzt, wurden aber bis in den Nachmittag kaum genutzt“, teilt eine Sprecherin von Live Nation auf Anfrage mit. Bei Konzertende sei der Ausschank von Getränken 45 Minuten aufrechterhalten worden, bis tatsächlich die Nachfrage vorbei gewesen sei. Daran erkenne man, dass die Besucher auf dem Veranstaltungsgelände nicht länger verweilen, sondern die Heimreise antreten möchten.

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Die Bahnkapazität nennt Live Nation ausreichend, um die auf der Schiene angereisten 11 500 Besucher auch wieder abreisen lassen zu können. Diese Zahl habe der Veranstalter durch Zählungen zwischen 12 Uhr und 19 Uhr am Bahnhof ermittelt, um nicht auf die Schätzung der Bahn angewiesen zu sein.

Abfahrt vom Hockenheimring weit nach Konzertschluss

Bei planmäßigem Konzertende 22.30 Uhr sei mit einem erhöhten Fahrgastaufkommen am Bahnhof gegen 23.30 Uhr zu rechnen gewesen, was auch eingetreten sei. Bis Mitternacht decke der Regelbetrieb der Bahn die Nachfrage ab. Ab 0 Uhr verkehrten in Richtung Mannheim und in Richtung Karlsruhe je drei Züge laut Regelfahrplan. Diese je drei Züge seien jeweils verlängert sowie um weitere drei Sonderzüge in Richtung Mannheim und zwei Sonderzüge in Richtung Karlsruhe ergänzt worden.

Diese Fahrzeiten seien vorher bekannt gewesen und allen Ticketinhabern über Eventim und Ticketmaster rechtzeitig per E-Mail übermittelt worden. „Dass nicht alle über den Tag verteilt mit der Bahn angereisten Besucher gleichzeitig mit der Bahn abreisen können, ist selbstverständlich und liegt in der eingeschränkten Leistungsfähigkeit des Schienennetzes und der Verfügbarkeit von Zügen begründet“. Im Bahnverkehr müsse darüber hinaus immer mit betriebsbedingten Wartezeiten sowie mit Verspätungen und Zugausfällen gerechnet werden.

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Eine Sprecherin der Deutschen Bahn sagte, der Veranstalter habe erst am Tag vorm Konzert mitgeteilt, dass dieses so früh beendet sein würde, daher sei der erste Sonderzug erst um 0.16 Uhr geplant gewesen. Aufgrund der Schilderungen der Zugführer vom Andrang auf dem Bahnsteig seien über die beiden geplanten weiteren Sonderzüge um 1.28 und 2.21 Uhr zwei weitere Entlastungszüge um 1.49 Uhr und 3.13 Uhr in Richtung Mannheim eingesetzt worden. Außerdem seien die regulär verkehrenden S-Bahnen verlängert worden. So habe die Kapazität der S-Bahnen jeweils 800 Fahrgäste betragen, die der Sonderzüge jeweils 1200.

Ungünstige Bezeichnung der Hockenheimer Parkplätze

Unglücklich gelaufen ist die Bezeichnung der Parkscheine, die die Besucher im Voraus erwerben sollten. Deren Abkürzungen „P1“ für Preiskategorie 1, also das Parken an der Rennstrecke für 50 Euro, und „P2“ für allgemeine Parkbereiche, sind identisch mit den Bezeichnungen für die zwei dem Ring am nächsten gelegenen Parkplätze am Reiterplatz und bei der DJK. Daher steuerten viele Besucher fälschlicherweise diese beiden Plätze an – auch dann, als sie längst voll belegt waren.

Live Nation weist aber darauf hin, dass die Tickets sehr groß den Aufdruck „Alle Parkflächen außer Rennstrecke“ oder „Parken Rennstrecke“ enthielten. Niemandem sei ein konkreter Parkbereich platzgenau verkauft worden, sondern im Gegenteil unter Beifügung einer Übersichtskarte die Lage alle Parkflächen dargestellt worden.

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„Wir haben spät davon erfahren und bedauern, dass es hier möglicherweise zu Verwechslungen gekommen ist“, teilt die Hockenheim-Ring GmbH zu der irreführenden Bezeichnung der Parkplätze mit.

Auf die Frage, ob es für künftige große Konzerte nicht doch denkbar wäre, einen Shuttleservice mit eigenen Fahrtroute einzurichten, nachdem die Sperrung bestimmter Abschnitte des innerstädtischen Verkehrs offensichtlich erfolgreich funktionierte, lautet die Antwort der Ring GmbH: „Wir werden alle aufgekommenen Themen aufnehmen und im Nachgang mit den Partnern, den Behörden und den Ordnungsdiensten kritisch bewerten und prüfen – dazu gehört sicherlich auch der Einsatz eines Shuttleservices.“

Ring GmbH: Nicht mit Love Parade vergleichbar

Ein Vergleich der Situation an der Unterführung unter der Autobahn 6 in Richtung Parkplatz P2 mit der fatalen Love Parade 2010 in Duisburg verbiete sich mit Blick auf die Opfer, sagt die Ring GmbH und weist auf wichtige Unterschiede zwischen den Sicherheitseinrichtungen in Duisburg und am Ring hin.

Stimmen zum Verkehrschaos bei Springsteen

Viele Konzertbesucher haben ihre Erlebnisse am Freitag in Zuschriften an die Redaktion geschildert und dabei ihrem Ärger und ihren Sorgen Luft gemacht. Da uns eine Veröffentlichung auf den Leserbriefseiten am Samstag zu weit vom Ereignis entfernt erscheint, greifen wir die Schilderungen, vor allem aber die daraus resultierenden Anregungen, auszugsweise in diesem redaktionellen Bericht auf. Die Aussagen stehen exemplarisch für viele weitere Statements, die in sozialen Medien über die Großveranstaltung gemacht wurden.

Florian Reck, in Oftersheim im SPD-Ortsvereinsvorstand aktiv, der die „hochkarätigen Konzertveranstaltungen auf dem Hockenheimring“ ausdrücklich begrüßt, plädiert für eine umfassende Lösung: „Es ist notwendig, dass die Stadt Hockenheim und auch die umliegenden Gemeinden sowie der Kreis für Veranstaltungen auf dem Hockenheimring gemeinsam mit der Betreiberfirma ein obligatorisches Verkehrskonzept erarbeiten, das auch die Auswirkungen auf den ÖPNV und den individuellen Pendelverkehr abfedert“, lautet seine Forderung in einem Schreiben an die Redaktion.

Florian Reck schlägt vor, dass das Konzept den verpflichtenden Einsatz von Shuttleservices und den Einsatz von zusätzlichen Zügen (oder einfach nur zusätzlichen Wägen), finanziert durch eine leichte Erhöhung des Konzertticketpreises, enthält. Ein gutes, interkommunal mit den umliegenden Gemeinden, dem Kreis und dem VRN vereinbartes Verkehrskonzept für Großveranstaltungen könne zu einem besseren Erlebnis für alle Gäste führen und so dem Ansehen der Region zuträglich sein. Dagegen habe das Chaos vom Freitag „ein verdammt schlechtes Licht auf unsere Region“ geworfen.

„Sprachlos und wütend“

Auf der Buslinie 717 sei es zu enormen Verspätungen und Überfüllung gekommen, die S-Bahn habe mit Verweis auf das Konzert zwischenzeitlich den Bahnhof in Oftersheim nicht bedient. Das sei nicht hinnehmbar, sagt Reck.

„Die nicht erkennbare ,Organisation’ dieses Events hat uns, als erfahrene Konzertbesucher, sprachlos und wütend gemacht“, schreibt Horst-Dieter Jebram aus Bochum. Was sich in der Innenstadt, insbesondere am Bahnhof Hockenheim, abgespielt hat, ist nahezu unfassbar. Die Sanitäter hatten gut zu tun (kollabierende Menschen in der Menschenmenge vor den Gleisen). Von den vom Veranstalter Live Nation GmbH und dem Hockenheimring angekündigten Sonderzügen keine Spur.“

„Wir finden es erschreckend, dass bei einer Großveranstaltung dieser Dimension das notwendige Verkehrsmanagement so eklatant vernachlässigt werden konnte. In unseren Augen ist es vor allem der Besonnenheit des Publikums zu verdanken, dass nicht noch mehr Menschen zu Schaden kamen“, schilderten Sabine Ripper und Patrick Bernhagen über das Kontaktformular unserer Zeitung ihre Eindrücke nach dem Konzert.

Nach Konzertende seien zwischen 23 und 2 Uhr mehrere Tausend (laut Polizeiangaben 3000) Konzertbesucher bis zu drei Stunden lang auf dem Bahnhofsvorplatz in einer dicht gedrängten Menschenmenge gefangen gewesen. Mehrere Personen seien in der Menge kollabiert und hätten rettungsdienstlich versorgt werden müssen.

Lob für deeskalierende Polizei

Viele, die über Mannheim hinaus weiterreisen mussten, verpassten die letzten Anschlusszüge und dürften den Rest der Nacht reisend oder im Mannheimer Bahnhof verbracht haben. Zu wenige und ausgefallene S-Bahnen nach Mannheim, mangelhafte Koordination zwischen Veranstalter, Polizei und Verkehrsbetrieb sowie unzureichende Kommunikation zwischen Polizei und Wartenden vermuten Ripper und Bernhagen als Ursachen der Misere.

Dass es insbesondere am Bahnhof zu keinen schlimmeren Folgen kam, sieht Alexander Bayas in drei Faktoren begründet: „eine deeskalierende Polizei, die in dieser Nacht ihre Aufgaben vorbildlich erledigte, relativ niedrige Temperaturen und ein eher älteres Publikum mit geringem Aggressionspotenzial.“ Unter ungünstigeren Bedingungen erscheine eine Katastrophe nicht unwahrscheinlich – „es mag niemand sagen, man habe eine solche nicht kommen sehen“, schreibt der Besucher.

Er hat eine Anfrage an das baden-württembergische Innenministerium geschickt, wie zukünftig sichergestellt werde, dass Veranstaltungen am Hockenheimring ordnungsgemäß durchgeführt werden, ohne dass hierbei die Sicherheit der Besucher oder die Belange der Allgemeinheit erheblich beeinträchtigt würden. Außerdem möchte er wissen, ob der Veranstalter an den „durch die Störungen der Allgemeinheit entstandenen Kosten, insbesondere Polizeikosten, beteiligt“ werden. mm

Mit baulichen und organisatorischen Maßnahmen werde der Durchgang so gestaltet, dass in den Tunnel zu keiner Zeit mehr Menschen einlaufen können als an dieser Stelle hindurchpassen. Der Tunnel sei beidseitig mit Absperranlagen versehen mit je Seite zwei mal drei Meter Durchgangsbreite.

Bereits im Zulauf auf diese Sperrpositionen werde der Zulaufweg auf diesen Querschnitt reduziert. Ordner und Polizei überwachten den Personenfluss auf diesen Wegen permanent. Der Sanitätsdienst habe von einem sehr ruhigen Einsatzverlauf berichtet. Dies schließe nicht aus, dass sich Einzelne in großen Menschenmengen persönlich unwohl fühlen.

Redaktion Redakteur im Bereich Hockenheim und Umland sowie Speyer

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