Hockenheim. Ausgerechnet beim Einbiegen auf die Zielgerade der fröhlichen Fasnachtszeit herrschte Ernüchterung im Bürgersaal. Über den Haushalt 2025 und die Perspektiven darüber hinaus lässt sich nun mal wenig Aufmunterndes sagen. Zu groß klafft die Lücke zwischen den Ansprüchen und Bedürfnissen einerseits und den finanziellen Möglichkeiten andererseits, wie die Sprecher aller Fraktionen betonten. Zur Zustimmung sahen sie allerdings keine Alternative - sie erfolgte einstimmig.
FWV: Nicht alles auf den Bürger abwälzen
Die Verwaltung erwarte von den Ratsmitgliedern, dass sie Standards und freiwillige Leistungen überarbeiten, „wir warten auf Vorschläge seitens der Verwaltung“, erklärte Fraktionschefin Gabi Horn und betonte: „Wir sind nicht bereit, alles auf den Bürger abzuwälzen.“ Die Freien Wähler hinterfragten geplante Investitionen stets kritisch, fänden bei Abstimmungen aber oft nicht die erforderliche Mehrheit – wie beim „zu großen und zu teuren“ Kindergartenneubau am Reiterplatz P1. Angesichts des der finanziellen Lage stelle die Fraktion keine Anträge zum Haushalt, wünsche sich aber, dass bereits genehmigte Vorhaben wie die Beleuchtung des Radwegs nach Reilingen rasch umgesetzt werden. Festhalten wolle die FWV am Fördern der Vereine, die Kinder in der schulfreien Zeit betreuten und einen nicht zu unterschätzenden Beitrag zur Integration leisteten.
Das Aquadrom solle erhalten und für das jährlich sehr hohe Defizit eine Lösung gefunden werden. Das Unterbringen von Flüchtlingen zähle zwar zu den Pflichten, ein teurer Fehler wie der Erwerb der Rathausstraße 8 hierfür dürfe sich aber nicht wiederholen. Zeitdruck und Angst, Turnhallen zur Verfügung stellen und für Bürger sperren zu müssen, hätten „uns diese Entscheidung zu schnell und zu unvorbereitet treffen lassen“. Die nötige Sanierung der Theodor-Heuss-Realschule müsse endlich angegangen werden. Vor großen Herausforderungen stünden auch die Stadtwerke; eine davon: das Anwerben von Fachkräften.
CDU: Hilfe von Landes- und Bundespolitik unerlässlich
„Die Lage kann gar nicht dramatisch genug geschildert werden“, war CDU-Fraktionsvorsitzender Markus Fuchs überzeugt. In der Finanzplanung seien dringend notwendige Maßnahmen nicht enthalten, nannte er die Sanierung der Realschule, des Aquadroms, der Kaiserstraße und vieler anderer Straßen, eine Innenstadtentwicklung, oder eine Umsetzung des Klimaschutzkonzepts als Beispiele: „All das und vieles mehr ist nicht finanzierbar.“
Schuld daran sei unter anderem die exorbitant gestiegene Kreisumlage. Aber auch die Kosten für die Kinderbetreuung mit einem jährlichen Defizit von 7 Millionen Euro gäben Anlass zur Sorge. Von den Personalaufwendungen als größter Kostenblock mit 23,4 Millionen Euro komme die Stadt ohne Leistungskürzungen kaum herunter.
Eine Streichung aller freiwilligen Leistungen würde „das wegnehmen, was Hockenheim ausmacht“, sagt Fuchs. Eine Erhöhung der Grundsteuer zur Verbesserung der Finanzausstattung um 150 Prozent oder mehr als Ausgleich für Betreuungskosten und Kreisumlage würden die Hockenheimer kaum mitmachen, ist Markus Fuchs sicher und schließt: „Wir sind weit davon entfernt, unseren Haushalt selbst sanieren zu können.“ Nur Hilfe von Landes- und Bundespolitik könne helfen.
Die CDU verzichte bewusst auf Haushaltsanträge, dränge aber auf eine Lösung für die Realschule durch Neubau oder eine schrittweise Sanierung. Höchsten Respekt zolle die CDU den Stadtwerken, für die eine baldige Entscheidung zum Aquadrom lebensnotwendig sei.
SPD: Sozialen Wohnungsbau schnellstmöglich umsetzen
Die Antwort auf die Frage, welche Investitionen absolut notwendig seien, stelle den Gemeinderat vor große Herausforderungen und Entscheidungen, stellte SPD-Fraktionsvorsitzende Marlene Diehm fest. Bund und Land ließen die Kommunen bei der Umsetzung von teilweise schlecht durchdachten Gesetzen größtenteils allein.
Gerade in der Infrastruktur liege ein langer Weg mit vielen Schlaglöchern vor der Stadt, die es nicht nur zu stopfen gelte. Kaiserstraße und Schulstraße seien überfällig, der Ortseingang am Med-Center mit klaren Zielvorgaben und konkretem Zeitplan stehe noch an. Das weitere Vorgehen zur Innenstadtentwicklung mit der Karlsruher Straße lasse noch auf sich warten. Das Projekt „The Städt“ solle helfen, die Ortsmitte im Sinne des Einzelhandels und der nachhaltigen Mobilität zu entwickeln. Die Agendagruppe „FahrRad“ solle in diesem Sinne wiederbelebt werden.
Das Projekt sozialer Wohnungsbau am Hubäckerring, eine absolute Herzensangelegenheit der SPD-Fraktion, müsse schnellstmöglich umgesetzt werden, die Nutzung der Vorhalle am Bahnhof sei mit der Bahn zu klären. Der Bauhof sei personell, organisatorisch und von der Ausrüstung sehr gut aufgestellt. Diehm kritisiert, dass der Verwaltung in Sachen Zukunft der Realschule „jeglicher Fahrplan fehlt“. Als teurer Fehler habe sich der Kauf der Rathausstraße 8 erwiesen. Hier habe die Transparenz gefehlt und Verträge seien schlecht geprüft worden. Zugunsten der Stadtwerke müsse zum Aquadrom schnellstmöglich eine Grundsatzentscheidung getroffen werden.
Grüne: Mehr in Klimaschutz und Mobilität investieren
In einer Schuldenspirale sieht die Fraktionsvorsitzende Elke Dörflinger die Stadt. Die Pro-Kopf-Verschuldung werde von derzeit 460 Euro auf 1440 Euro im Jahr 2028 steigen. Daher sei die Frage: Wie lassen sich die Finanzen so einsetzen, dass sich die Lebensqualität erhalten und verbessern lässt. Der Haushalt 2025 trage zwar eine grüne Handschrift, doch investierten die Hockenheimer viel zu wenig in Klimaschutz und Mobilität. Steigende Temperaturen und zunehmende Trockenheit machten auch vor der Rennstadt nicht halt. Schon jetzt gingen jährlich viele Bäume verloren. „Wer im Hockenheimer Wald spazieren geht, sieht das.“ So solle weiter in Photovoltaikanlagen, Hochwasserschutz am Kraichbach und die Pflege des Grünen Klassenzimmers investiert werden. Sie hoffe, dass das beantragte E-Carsharing-Angebot bald bewilligt werde.
Außerdem gelte es, die Schulen auf den neuesten Stand zu bringen. Auf die Eltern kämen höhere Kosten zu, vor allem die Beträge für Eltern mit Kindern unter drei Jahren von über 700 Euro seien unangemessen hoch. Sie begrüßte, dass dieses Jahr weitere Bushaltestellen barrierefrei gestaltet werden. Auch die Kultur lasse sich Stadt einiges kosten, was wichtig sei. Das Aquadrom habe sich leider zu einem Fass ohne Boden entwickelt und gefährde die wirtschaftliche Stabilität der Stadtwerke. Hier sei ein Kurswechsel nötig.
Vom OB forderte Elke Dörflinger strategische Ziele für die Stadtentwicklung und klare Prioritäten „Wir können es uns nicht leisten, weiter in finanziellen Blindflügen zu agieren.“ Hockenheim brauche eine solide Haushaltsführung, mutige Entscheidungen und ein Konzept, das nicht nur kurzfristige Lücken stopft, sondern die Stadt zukunftsfähig mache.
FDP: Langfristige Strategien entwickeln
Zwischen dem Einbringen und dem Verabschieden des Etats hätten sich die Rahmenbedingungen grundlegend verändert, sagte der Fraktionsvorsitzende Frank Köcher-Hohn. Die Hockenheimer Finanzen seien dramatisch. Steigende Kosten zehrten die Einnahmen auf, die Umlagen an Kreis und Land etwa belasteten den Haushalt massiv. Zudem entwickelten sich die Steuermehreinnahmen deutlich schwächer als erwartet. Daher bleibe kaum Spielraum für Investitionen.
Es bedürfe durchdachter Finanzierungskonzepte, vor allem einer grundlegenden Reform der Umlagesysteme. „Nur so können Städte und Gemeinden ihre Aufgaben erfüllen, ohne in finanzielle Schwierigkeiten zu geraten“, erläuterte er. Es könne jedoch nicht sein, dass Bund und Land solche Reformen an den Kommunen vorbei gestalten, wie bei der Grundsteuerreform geschehen.
Zudem müssten sie die Gemeinden bei der Flüchtlingsunterbringung nachhaltig unterstützen, forderte Fraktionskollege Philipp Kramberg. Daneben müsse die Zukunftsfähigkeit der Stadtwerke durch eine langfristige Strategie sichergestellt werden. Die jährlichen Kapitalspritzen für das Aquadrom seien nicht mehr tragbar. Die Polizeiverordnung habe nicht die erwünschte Wirkung erzielt und müsse auf den Prüfstand. Die Prioritäten der FDP: Schulen sanieren und digitalisieren, Kindergärten dauerhaft betreuungsfähig halten, die Erweiterung des Industriegebiets Talhaus vorantreiben, Start-ups fördern, keine Steuererhöhungen, die Vereine weiter unterstützen.
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