Hockenheim. Der Stadtverband der Grünen feierte ein ganz besonderes Geburtstagskind: das Grundgesetz. „Wir haben diesen Geburtstag mit zwei besonderen Aktionen begangen und uns über das große Interesse gefreut“, so Stadträtin Elke Dörflinger, die Sprecherin des Ortsverbands. „Das Grundgesetz wird 75 Jahre alt.
Es ist die Grundlage unserer freiheitlich-demokratischen Gesellschaft und wir sind froh, dass wir es haben. Wir haben in den letzten Jahren viele Veränderungen erlebt, die uns zeigen, wie wichtig es ist, an unseren Werten festzuhalten, um die Gesellschaft zusammenzuhalten“, stellt Dörflinger in einer Pressemitteilung fest.
Grundgesetz feiert 75 Jahre: Rückblick und Bedeutung heute
Der Rundgang zu Orten der Demokratie begann am Gemeindehaus St. Christophorus. Geführt wurde er von Felicitas Offenloch-Brandenburger und Klaus Brandenburger. „Wir haben Orte ausgewählt, die aus unserer Sicht eine besondere Bedeutung für Menschenwürde, Freiheit und den Zusammenhalt aufzeigen“, begrüßten sie die geschichtlich interessierten Anwesenden.
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Der ehemalige Dekan Joseph Englert stellte sich früh gegen das Naziregime. Er rief bereits 1932 eine Versammlung ein, um auf die politischen Entwicklungen aufmerksam zu machen; 1300 Katholiken kamen. 1944 stimmten über 1000 Hockenheimer Familien einer jährlichen Gelöbniswoche zu, wenn die Schrecken des Krieges gut an Hockenheim vorübergingen. Auch sein evangelischer Amtskollege, Pfarrer Friedrich Heun, lehnte, als die Nationalsozialisten ihn aufforderten, das Alte Testament nicht mehr zu verwenden, entschieden ab.
Genossenschaften und Gewerkschaftshäuser als Säulen der Demokratie
Die Zigarrenfabrik Tabakarbeitergenossenschaft (TAG) trug den Namen „GNOSS“, der dann später an der Großeinkaufsgesellschaft deutscher Konsumgenossenschaften (GEG) haften blieb. Bereits die TAG wurde ins Leben gerufen, um die Arbeitenden vor der Willkür der damaligen Industrieherren zu schützen. Die GEG führte ab 1910 diese Maxime fort. In der Hochzeit arbeiteten über 700 Menschen in den großen, hellen Werkräumen. Die Beschäftigten bekamen eine Leistungszulage und zahlten in eine Pensionskasse, deren Geldeinlagen im Alter anteilsmäßig ausbezahlt wurden.
„Der Heimatforscher Ernst Brauch schrieb: Viele Leute, die in anderen Fabriken gemaßregelt wurden, fanden hier Arbeit. Ihre standhafte Gesinnung ließ den Versuch scheitern, aus Hockenheim eine Hochburg des Nationalsozialismus zu machen“, erörterte Offenloch-Brandenburger die historische Bedeutung. Klaus Brandenburger ergänzte: „Abends nach der Arbeit und am Wochenende trafen sich die Genossen und Genossinnen und bauten das Gewerkschaftshaus (Volkshaus), das zum sozialen Treffpunkt für Vereine, Gruppen und Familienfeste wurde.“
Gemeinschaftliche Errungenschaften: Das Schwimmbad von Hockenheim
Eine ebenso große wie wichtige Gemeinschaftsleistung war der Bau des Schwimmbads. Schon 1920 wünschten sich die Hockenheimer ein Schwimmbad. 1937 waren 40 000 Reichsmark im Haushalt eingeplant. Kurz vor Baubeginn kam der Krieg, danach war kein Geld mehr da. Doch die Hockenheimer blieben hartnäckig. 1950 wurde ein Schwimmbadkomitee gegründet, das Haussammlungen zur Finanzierung durchführte. Alle halfen mit: Vereine, Firmen und Privatpersonen.
Im Juni 1961 konnte die erste Freibadsaison feierlich eröffnet werden. „Dieses Schwimmbad der Stadt Hockenheim wurde vor allem durch freiwillige Spenden der Bevölkerung ermöglicht. Es soll in der Gegenwart und Zukunft daran erinnern, dass eine Stadt nur durch den Geist ihrer Bürger lebt. Im Miteinander liegt die Zukunft“, heißt es auf einer Gedenktafel am ehemaligen Freibadeingang.
Letzte Station des Rundgangs war das Rathaus. 1933 wurden die Gewerkschaften zerschlagen, die Parteien verboten, nur die NSDAP war noch erlaubt. Im Hockenheimer Rathaus gaben alle demokratisch gewählten Stadträte ihre Mandate zurück. Damit endete der Rundgang.
Die Bedeutung von Demokratieerziehung und Bürgerbeteiligung
Im anschließenden Austausch mit Pascal Haggenmüller, Landesvorsitzender der Grünen, machte dieser deutlich: „Die im Grundgesetz verankerten Grundrechte sind ein hohes Gut, auf das wir stolz sein sollten. Sie garantieren jedem Bürger Schutz und Freiheit und bilden das Fundament unserer freiheitlich-demokratischen Grundordnung. Wir spüren gerade in den letzten Jahren eine zunehmende Verunsicherung in der Gesellschaft, ausgelöst durch viele geopolitische Veränderungen, die es zu überwinden gilt.“
Er plädierte für eine „Demokratieerziehung, die früh in der Schule beginnt und allen jungen Menschen die Bedeutung von Demokratie, Toleranz und Respekt vermitteln muss. Ebenso wichtig seien aktive Beteiligungsinstrumente wie die Einrichtung eines Bürgerrates als unabhängiges Gremium.“
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