Landschaftsverbrauch

Haubenlerche und Landwirtschaft: Kampf um Flächen in Hockenheim

Die Haubenlerche und der Kampf um den Erhalt der landwirtschaftlichen Flächen im Gewann Biblis IV in Hockenheim: Landwirte, Naturschützer und Politiker arbeiten gemeinsam daran, das Neubaugebiet zu verhindern.

Von 
Andreas Wühler
Lesedauer: 
Ein Blick in Richtung Wohnbebauung zeigt es – das Gewann Biblis IV bietet unterschiedlichen Nahrungspflanzen optimale Bedingungen und ist somit für die hiesige Landwirtschaft unverzichtbar. © Dorothea Lenhardt

Hockenheim. Die Haubenlerche mal wieder. Der vom Aussterben stark bedrohte Vogel mit seinem markanten Kopfputz hat die Hockenheimer Gemarkung in sein Herz geschlossen. So findet sich auch im Gewann Biblis IV ein eingezäuntes Geviert, wo die Tiere ihrem Brutgeschäft nachgehen können. Und damit so ganz nebenbei ein mögliches Neubaugebiet der Stadt Hockenheim ins Abseits kicken.

Der bedrohte Vogel und das Neubaugebiet in Hockenheim

Doch beim Treffen von Landwirten, Naturschützern, Vertretern der Bürgerinitiative Biblis, der Fraktion der Grünen und dem Landtagsabgeordneten Dr. Andre Baumann in dem Gewann, stand der Vogel noch indirekt im Mittelpunkt, diente er eher als „Zeigevogel“. Oder wie es der Abgeordnete der Grünen auf den Punkt brachte: „Im Vorgarten findet sich keine Haubenlerche“. Nein, der Vogel braucht Brachland oder landwirtschaftliche Flächen mit einem intakten Naturschutz. Oder mit anderen Worten ausgedrückt: Wo sich die Haubenlerche zeigt, da ist die Welt noch in Ordnung.

Christian Keller, der seit einigen Monaten dem Bauernverband Hockenheim als förderndes Mitglied angehört, hatte das Treffen organisiert, mit dem er an eine Gesprächsrunde im Dezember anschließen möchte, bei dem die Landwirte ihre Sorgen angesichts des ungebremst voranschreitenden Landschaftsverbrauchs zur Sprache brachten.

Mehr zum Thema

Statement

Hockenheimer Grüne geben Statement ab: Naturgutboden besonders schützenswert

Veröffentlicht
Von
Marcus Oehler
Mehr erfahren
Landschaftsverbrauch

Naturschützer gegen Bebauung im Hockenheimer Biblis: Geld backt kein Brot

Veröffentlicht
Von
Andreas Wühler
Mehr erfahren
Evangelische Gemeinschaft

Evangelische Gemeinschaft Hockenheim lädt zu Legotagen ein

Veröffentlicht
Mehr erfahren

Nunmehr, gut sechs Monate später, war für Keller der richtige Zeitpunkt für einen Vor-Ort-Termin: Auf den Feldern steht die Frucht in voller Pracht, auf einem Acker wächst das Spargelkraut nach dem Ende der Saison, das Getreide hat sich gut entwickelt, Möhren und Kartoffeln recken ihr Grün in den Himmel – auf einen Blick wird dem Betrachter deutlich, was verloren geht, sollten eines Tages die Bagger kommen.

Die Sorgen der Landwirte und Naturschützer in Hockenheim

„Geld backt kein Brot“ überschrieben die Landwirte im Dezember ihre mahnenden Worte und nun ließ sich inmitten der Getreide- und Maisfelder zeigen, wie richtig diese Feststellung ist. Rund 20 Hektar groß ist das Gelände, mit dessen Ertrag Menschen mit regionalen Erzeugnissen gesund ernährt werden können und das zahlreichen Landwirten mit die Existenz sichert.

Hockenheim, Biblis, Gespräch zum Thema Klima- und Naturschutz mit Landwirten, BUND, Nabu und Dr. Andre Baumann © Dorothea Lenhardt

Und der Landwirtschaft komme hierzulande immer größere Bedeutung zu, ist Keller überzeugt, der mit dem Klimawandel eine Verlagerung der Anbauflächen von Süd nach Nord einhergehen sieht. Für diese Entwicklung, wenn der Süden Europas zu heiß für den Anbau wird, gelte es, hier rechtzeitig die Weichen zu stellen, zu verhindern, dass weitere Flächen versiegelt werden, sodass die Landwirtschaft weiterhin ihren guten Job machen könne.

Mit Blick auf das fragliche Gebiet zwischen Altenheim, Landstraße, Biblisbrücke und Ortsrandbebauung warnte Keller vor einer Versiegelung – „was weg ist, ist weg“. Vielmehr müssten alle Verantwortlichen bemüht sein, das Gebiet, in dem Landwirtschaft und Naturschutz ein Win-win-Situation bilden, zu erhalten.

Die Wertigkeit landwirtschaftlicher Flächen in Hockenheim erkennen und schützen

Worte, die Steffen Großhans, der mit für seine Kollegen sprach, aufgriff, indem er betonte, dass es ihm vor Ort darum gehe, der Öffentlichkeit vor Augen zu führen, „was wir auf der Fläche eigentlich machen“. Wie Großhans vorausschickte, handelt es sich im Biblis IV um Böden von mittlerere Qualität – für den Landwirt die erste Wahl, denn auf solchen Böden gedeihen die verschiedensten Kulturen.

Mehr zum Thema

Hockenheimring

Driften beim Autofestival "Meet the Ring" in Hockenheim

Veröffentlicht
Von
PM "Meet the Ring"
Mehr erfahren
Agility-Hundesportzentrum

Zwei deutsche Meistertitel nach Hockenheim geholt

Veröffentlicht
Von
Marcus Oehler
Mehr erfahren
Segelflieger

Hangarbrand in Hockenheim: Können Ermittlungen beginnen?

Veröffentlicht
Von
Henrik Feth
Mehr erfahren

Getreide, Kartoffeln oder Spargel – „hier ist alles möglich“, zeigte Großhans in die Runde und freute sich am üppigen Fruchtstand. Der natürlich auch, fügte er hinzu, der Bewässerung geschuldet ist. Doch auch mit dieser klappt es im Biblis sehr gut, Brunnen sichern die Versorgung mit dem kostbaren Nass. Dennoch, die Landwirte gehen sparsam mit dem Wasser um, Großhans selbst hatte bei seinen Spargelkulturen auf Tröpfchenbewässerung umgestellt und sein Kollege Tobias Schmitt vom gleichnamigen Gemüsehof bewässert seine Karotten nur nachts, um Verluste durch Verdunstung zu reduzieren.

In der Summe Argumente, die das Gebiet für Großhans zu einem wertvollen Standort machen, der auf keinen Fall einer Wohnbebauung geopfert werden dürfe. In der heutigen Zeit dürfe mit dem Gut Boden nicht mehr leichtfertig umgegangen werden, betonte der Landwirt und erinnerte daran, dass es Generationen dauere, landwirtschaftliche Flächen zu entwickeln.

Schutz der Haubenlerche in Hockenheim: Gebiet ist Eigentum des Landes

Ähnliche Argumente habe man schon vor dem Bau des Altenheims vorgebracht, hieß es aus Reihen der Zuhörer, verhindert hätte man den Standort nicht. Zwischenzeitlich, ergriff der Landtagsabgeordnete der Grünen, Dr. Andre Baumann, das Wort, hätten sich die Vorzeichen geändert. Wer regionalen Anbau wolle, der müsse landwirtschaftliche Flächen schützen. Schon Ministerpräsident Oettinger habe den Flächenverbrauch im Land auf null bringen wollen, nun biete der grün-schwarze Koalitionsvertrag die Chance, das Vorhaben umzusetzen.

Derzeit, so Baumann, werde in Stuttgart der Landesentwicklungsplan geändert – bindend auch für die Kommunen und mit einem Primat des Natur- und Umweltschutzes. Zwar werde er sich als Landtagsabgeordneter nicht in Entscheidungen der Kommunalpolitik einmischen, betonte der Abgeordnete. Doch das Gebiet sei gänzlich im Eigentum des Landes und hier müssten die Vereinbarungen des Koalitionsvertrags umgesetzt werden. Obendrein, fügte er hinzu, gelte es die Haubenlerche zu schützen. Dies schon deshalb, weil sonst in Stuttgart ein blauer Brief von der EU eintreffen könne.

Lebensraum für die Haubenlerche in Hockenheim erhalten

Mit anderen Worten, so Baumann, ohne ein Gutachten, in dem die Situation der Haubenlerche geklärt werde, gebe es aus Stuttgart kein grünes Licht für etwaige Bebauungspläne. Baumann selbst schwebt vor, das Gebiet für ein landesweites Modellprojekt zu nutzen, mit dem den in Baden-Württemberg siedelnden knapp 50 Brutpaaren eine Perspektive eröffnet wird.

Für den Biologen Uwe Heidenreich, er vertrat BUND und Nabu, ist das Gelände ein Demonstrationsfeld dafür, wie Landwirtschaft früher funktionierte – mit abwechslungsreicher Fruchtfolge und regionalen Produkten. Karl-Heinz Sohn vom Verein Enmoba kann die Zukunft nicht in Neubaugebieten liegen, Innenverdichtung und generationenübergreifende Lösungen müssten her. Elke Dörflinger (Grüne) betonte in Anwesenheit ihrer Fraktionskollegen, dass es andere infrage kommende Flächen in der Stadt gebe und sah beim Thema Wohnungsbau gleichfalls die Innen- vor der Außenentwicklung. Zugleich forderte sie vehement ein Leerstandsmanagement – ein Thema, das mit Sicherheit noch im Gemeinderat zur Sprache kommen wird.

Redaktion Zuständig für die Verwaltungsgemeinschaf

Copyright © 2025 Hockenheimer Tageszeitung