Hockenheim. Du bist du, und ich will alles tun, damit du du sein kannst“. Ein Leitsatz, den die Gründerin der Hospizbewegung, Cicely Saunders, bereits 1967 prägte und der noch heute maßgeblich die Arbeit mit sterbenskranken Menschen prägt. In welcher Weise, darüber informieren die „Ökumenischen Hospiztage“ vom 4. bis 10. Juni. Unsere Zeitung sprach mit Britta Schäfer, Leiterin des ambulanten Hospizdienstes, über das Programm sowie Ziele und Herausforderungen ihrer Arbeit.
Frau Schäfer, wie lange gibt es die Hospiztage schon?
Britta Schäfer: 2002 wurde der ambulante Hospizdienst in Hockenheim ins Leben gerufen, und die ersten Hospiztage gab es 2006. Veranstaltet werden sie vom ambulanten Hospizdienst der Kirchlichen Sozialstation Hockenheim mit Unterstützung der Kirchen, immer jährlich und im Wechsel mit dem ambulanten Hospizdienst in Schwetzingen.
Welche Ziele werden verfolgt?
Schäfer: Leider ist es noch immer so, dass viele Menschen gar nicht wissen, dass es uns gibt. Oder, dass man denkt, man könne unsere Hilfe erst in Anspruch nehmen, wenn ein Ende absehbar ist. Dem ist aber nicht so. Sobald jemand die Diagnose einer nicht heilbaren Krankheit erhält und sich mit seiner Endlichkeit auseinandersetzt, können wir mit ins Boot genommen werden. Diese Botschaft möchten wir gerne in die Öffentlichkeit tragen. Außerdem wollen wir daran arbeiten, den Tod zu enttabuisieren, ihn wieder als Teil des Lebens zu begreifen und anzunehmen. Der Tod wird in unserer Gesellschaft oft komplett ausgeblendet, er wird bis zum Schluss an den Rand gedrängt. Das macht das Sterben mitunter schwer, schwerer, als es sein müsste.
Programm der Hospiztage
- Aus heiterem Himmel: Der Diplom-Theologe und leitende Notfallseelsorger Thomas Eisermann berichtet von seinen Erfahrungen mit Sterben und Tod aus der Notfall- und Gefängnisseelsorge. Der Vortrag unter dem Titel „Wie ein Blitz aus heiterem Himmel“ findet am Dienstag, 4. Juni, 19 Uhr, in Reilingen im Wendelinushaus (Hauptstraße 72) statt.
- Palliative Versorgung: Die Palliativ Care Teams in Deutschland stehen für eine umfassende, symptomlindernde medizinische Versorgung – so auch das AKI in Heidelberg. Am Donnerstag, 6. Juni, 19 Uhr, stellt die Palliativfachkraft Karin Eisinger die Arbeit des AKI vor, das auch in Hockenheim, Reilingen, Altlußheim und Neulußheim tätig ist. Der Vortrag findet im evangelischen Gemeindehaus in Neulußheim statt (St. Leoner Straße).
- Zwischen Fürsorge und Selbstfürsorge: Pfarrer Müller spricht in seinem Vortrag „Fürsorge – Selbstfürsorge“ über einen Balanceakt, dem sich pflegende Angehörige oft tagtäglich ausgesetzt fühlen. Einerseits möchten sie helfen, andererseits haben sie auch eigene Bedürfnisse, die danach drängen, verwirklicht zu werden. Wie dies miteinander in Einklang zu bringen ist, darüber spricht Christian Müller auch anhand eines biblischen Beispiels. Die Veranstaltung findet am Montag, 10. Juni, 19 Uhr, im St. Christophorus in Hockenheim (Obere Hauptstraße 6) statt.
- Der Eintritt zu allen Veranstaltungen ist frei. eb
Wie hilft der Hospizdienst?
Schäfer: Unsere ehrenamtlichen Mitarbeiter unterstützen die Betroffenen und ihre Angehörigen unabhängig von Nationalität und Konfession emotional, spirituell und auch in praktischen Dingen. Sie haben Zeit, ein offenes Ohr, sie singen, lesen vor, schauen alte Fotos an oder sitzen still am Bett. Auch Spaziergänge oder sogar Ausflüge sind möglich. Ziel ist es, sich einzufühlen, zu spüren, was gebraucht wird. Hinzu kommt ein Palliativteam, das medizinisch versorgt, wobei es um eine umfassende, symptomlindernde Therapie geht.
Diese Kombination aus medizinischer, psychischer und sozialer Versorgung hat auch die englische Ärztin Cicely Saunders im Sinn gehabt, um den sogenannten totalen Schmerz („total pain“), wie sie ihn nannte, zu lindern, also den Schmerz in einem ganz umfassenden Sinn . . .
Schäfer: . . . genau. Wir verstehen uns als Lebensbegleiter in einer besonderen Zeit, wo so vieles die Betroffenen umtreibt und eine medizinische Versorgung allein zu kurz greifen würde. Jeder Mensch braucht in dieser Phase etwas anderes und jede Krankheit verläuft unterschiedlich. Deshalb ist Empathie eine wichtige Voraussetzung für unsere Hospizhelfer. Nur so kann sich ein sterbenskranker Mensch in seinen ganz individuellen Wünschen und Bedürfnissen ernst genommen fühlen. Nur so kann er ein Höchstmaß an Lebensqualität erhalten, nur so kann seine Würde bewahrt werden. Im Übrigen geht es nicht nur um die Betroffenen selbst, sondern auch um die pflegenden Angehörigen. In der Zeit, wo die Hospizhelfer vor Ort sind, können sie etwas für sich tun, einen Spaziergang machen, schlafen, einkaufen oder ausspannen.
Welches ist Ihre Rolle als Leitung des ambulanten Hospizdienstes?
Schäfer: Ich biete Beratungsgespräche für Betroffene und Angehörige an, in denen ich aufkläre und über Hilfsangebote informiere. Außerdem koordiniere ich die einzelnen Einsätze, und bilde auch neue ehrenamtliche Hospizhelfer aus. Zur Zeit sind bei uns 33 Ehrenamtliche im Hospizdienst tätig. Im Schnitt begleiten wir 35 bis 40 Schwerkranke pro Jahr, haben aber auch Kapazitäten für mehr Patienten. Wir begleiten zu Hause, im Pflegeheim, im Krankenhaus oder im stationären Hospiz.
Wann gibt es wieder einen Ausbildungskurs, und welche Voraussetzungen sollte man mitbringen?
Schäfer: Den nächsten Kurs werde ich 2025 anbieten. Wie bereits gesagt, man sollte Empathie besitzen, also die Fähigkeit zu spüren, was der Betroffene braucht und bereit sein, dies nach bester Möglichkeit umzusetzen. Und vielleicht auch den Willen oder das Bedürfnis, anderen Menschen etwas Gutes zu tun.
Wie sieht der Ablauf eines Kurses aus?
Schäfer: Der Kurs dauert vom Oktober bis März, er findet an mehreren Samstagen statt und an zwei bis drei Wochenenden. Die Themen sind vielfältig, sie reichen vom Umgang mit Schmerz, Einsamkeit über Wut und Aggression bis hin zu Trauer. Das sind keine leichten Themen, sie bringen einen aber auch immer mit sich selbst in Kontakt und das ist gut. Nach dem Kurs und ersten praktischen Erfahrungen entscheidet jeder selbst, ob und in welchem Maß er sich einen Einsatz zutraut. Grundsätzlich ist es auch so, dass unsere Begleiter nicht alleingelassen werden. Einmal im Monat gibt es einen Gruppenabend, wo wir uns thematisch fortbilden oder Supervision machen, sprich uns austauschen, Probleme besprechen und Lösungen erarbeiten, aber auch Schönes und Bereicherndes erzählen.
Was bekommt der Begleiter bei dieser Form der Arbeit für sich zurück?
Schäfer: Fast alle Begleiter sagen, dass sie viel geben, aber auch viel empfangen. Freude, Dankbarkeit, Liebe, ich glaube, das ist schwer zu beschreiben, das muss man selbst erleben, wie erfüllend diese Arbeit sein kann.
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