Hockenheim. Die Materie ist verzwickt, die rechtliche Bewertung kompliziert. So trafen sich vor wenigen Tagen erneut die Hockenheimer Stadtverwaltung und der Investor aus der Unteren Hauptstraße vorm Mannheimer Landgericht, um darüber zu verhandeln, ob der vor Monaten geschlossene Vergleich rechtmäßig zustande gekommen war, wegen des Fehlers einer Baufirma und einer dadurch nicht auszuschließenden Schädigung von Baumwurzeln auf dem Mooresville-Platz eine Bürgschaft in Höhe von 150 000 Euro eintragen lassen zu müssen und diese teils nach zehn, teils erst nach 20 Jahren löschen zu können.
Oder ob eben der Investor womöglich arglistig getäuscht worden sein könnte, weil im Gemeinderat in nicht öffentlicher Sitzung das gar nicht so besprochen und beschlossen worden war, der städtische Rechtsanwalt, der auch an der Sitzung des Gemeinderats teilgenommen hatte, aber immer wieder vor Gericht betont hatte, er müsse auf dieser Klausel bestehen, weil das die Beschlusslage sei.
Grünen-Gemeinderatsfraktion brachte die Prüfung des Sprachprotokolls ins Rollen
Der Verdacht, dass das Protokoll der Sitzung um diese Punkte ergänzt worden sein könnte, wurde von der Grünen-Gemeinderatsfraktion befeuert, die ja den Antrag gestellt hatte, das aufgezeichnete Sprachprotokoll hören zu wollen. Der Gemeinderat, der als einer von zwei Ratsmitgliedern für diese Sitzung bestimmt worden war, das Protokoll abzuzeichnen, weigerte sich dann auch lange, das zu tun. Die anderen Fraktionen standen aufseiten der Stadt und bestätigten deren Vorgehensweise in einer weiteren Sitzung und bei Stellungnahmen. Es gab zudem eine Anfrage an die Rechtsaufsicht beim Regierungspräsidium, die die Vorgänge prüfen sollte, aber nach unseren Informationen lediglich aufgrund des Protokolls die Rechtmäßigkeit anerkannt hatte.
Die Beurteilung von außen wird dadurch erschwert, dass die Stadt trotz Nachfrage unserer Zeitung das Protokoll nicht öffentlich machen will und die Audioaufzeichnungen schon gar nicht. Ein durchaus übliches Vorgehen nach nicht öffentlichen Beschlüssen, das aber Transparenz schwierig macht. Zumal sich die Gemeinderäte, die bei der Sitzung damals dabei waren, in Gesprächen mit unserer Zeitung immer wieder auf ihre Verschwiegenheitspflicht berufen, auf die sie OB Zeitler aufmerksam gemacht habe.
Auch bei der Verhandlung vor dem Landgericht zeigte sich diese Intransparenz für den Investor und seinen Anwalt Dr. Klein als größtes Problem. Bestand anfangs noch die Hoffnung, Richter Koch würde vielleicht in eine Beweisaufnahme eintreten und die Offenlegung der Beschlussvorlage, des Protokolls und der Audioaufzeichnungen anordnen, war bald passé. Er sagte klar, dass er keine Beweisaufnahme machen werde und er den damaligen Vergleich für gültig erachte. Er legte auch dar, wie hoch die Hürden liegen, um so einen geschlossenen Vergleich wieder aufzuknöpfen.
Richter Koch fragte beim Klägeranwalt Dr. Klein nach, ob er denn Beweise für eine arglistige Täuschung durch die Stadt habe. „Das käme ja einem Betrug durch die Stadt nahe“, sagte der Richter. Wenn das so sei, dann müsse der Anwalt das jetzt auch so sagen. Aber da diese Beweise eben zumindest auf der Klägerseite fehlen, wollte Anwalt Klein das so auch nicht formulieren. Auf ein möglicherweise fahrlässiges Verhalten der Stadt und deren anwaltlichen Vertreter ließ sich der Richter nicht ein. „Arglistige Täuschung ist nie fahrlässig sondern immer vorsätzlich“, formulierte es Koch.
Letztlich wissen nur die Gemeinderäte, die städtischen Mitarbeiter und die Experten, die bei der nicht öffentlichen Sitzung anwesend waren, was genau besprochen und beschlossen wurde. Auch, ob das anschließend angefertigte Protokoll sachlich richtig war oder nicht das vollständig wiedergab, was bei der Sitzung abgewogen wurde.
Orhan Ekici und sein Rechtsanwalt geben Aussagen ab
Immerhin protokollierte der Richter nun aber zwei Aussagen, die der für die Stadt Hockenheim agierende Rechtsanwalt Dr. Rung dann auf intensive Nachfrage von Investor Ekici und dessen Rechtsanwalt tätigte: Rung, der ja auch bei der nicht öffentlichen Sitzung des Gemeinderates dabei war, sagte, dass bei der Sitzung über die Bürgschaft von 150 000 Euro über 20 Jahre und auch über die Kündigung des Gestattungsvertrages zur Nutzung eines Gehwegstreifens neben der Baustelle gesprochen und beides beschlossen worden sei. Damit war dann für diese Güteverhandlung eigentlich der Ofen aus. Zumal sich ja die Hauptsache zudem erledigt hat, denn das große Mietshaus ist inzwischen weitgehend fertiggestellt und die schön geschnittenen Wohnungen gehen bald in die Vergabe.
Für Investor Ekici bleibt die Sache weiterhin unverständlich und ärgerlich: „Ich denke nun über eine Feststellungsklage nach, um herauszubekommen, ob das so seitens der Stadt rechtens ist. Ich bin damals unter Druck gesetzt worden, diesem Vergleich zuzustimmen, weil ich sonst nicht hätte weiterbauen können und womöglich insolvent gegangen wäre. Jetzt liegt eine hohe Summe über Jahrzehnte fest, die ich so hätte in andere Projekte investieren können“, sagt er. Vom städtischen Rechtsanwalt Rung gab es auf Nachfrage unserer Zeitung „keinen Kommentar“. Er wollte uns gegenüber auch nicht bestätigen, dass er Ekicis Fragen bejaht hat, denn das war aufgrund eines offenen Fensters im Gerichtssaal und dessen Sprechrichtung zum Richtertisch hin für die Öffentlichkeit leider nicht zu hören. Es ist aber wohl so, dass er beide Fragen bejaht hat, denn der Richter hat dies so unwidersprochen auf sein Diktiergerät gesprochen - und das war zu verstehen. Die Grundschuld hatte Ekici übrigens sicherheitshalber schon kurz vor dem Gerichtstermin notariell eintragen lassen.
Übrigens gab es im Nachgang zur Verhandlung noch eine rechtliche Einschätzung von Richter Koch darüber, ob er überhaupt hätte verhandeln dürfen. Er kam - wenn wir das juristisch richtig verstehen - zum Schluss, dass das eigentlich gar nicht statthaft war und bezog sich dabei auf ein Urteil des Oberlandesgerichtes Hamm. Interessant war die Verhandlung trotzdem, auch wenn sie gar nicht hätte stattfinden dürfen.
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