Ketsch. Woran macht man fest, ob ein Jahr ein gutes oder ein weniger gutes war? Das ist individuell – manche schauen aufs Wetter und da war ja alles eitel Sonnenschein 2022, für die Landwirte allerdings viel zu viel davon. Für Gemeinschaftserlebnisse war dagegen – sicher auch objektiv betrachtet – ein gutes Jahr: Die Corona-Pandemie verlor nämlich an Schwung, dafür nahmen Feste wieder Fahrt auf. In der Enderlegemeinde ist das Backfischfest das Fest der Feste und es fand wieder statt. Nach zwei Jahren Pandemie-Zwangspause war das Ketscher Backfischfest vom 5. August zehn Tage lang zurück.
Doch den Organisatoren der Backfischfest GmbH war es nicht gelungen, die Lücke zu schließen, die die Absage der Ketscher Fischbäcker hinterließ – die Sause im Bruch in 69. Auflage wurde ohne Backfisch gestartet, über die Bühne ging sie dann mit viel anderem Fisch, mit findigen Ideen und letztlich auch mit Backfischangebot.
Jahresrückblick Ketsch 2022: Backfischfest braucht keinen Backfisch
Die Band „Radspitz“, die wie keine andere für die Feierlaune auf dem Festgelände steht, machte dreimal das Festzelt voll, als hätte nie eine Unterbrechung stattgefunden. Dass es beim Backfischfest keinen Backfisch gibt, erhitzte viele Gemüter. Die kühlten sich aber schnell wieder ab und am Ende waren die Rückmeldungen fast durchweg positiv – jedenfalls erklärten das die Leiter der Ketscher Backfischfest GmbH, Claus Heim und Manfred Fritscher. Das habe sich nicht zuletzt an der Besucherzahl gezeigt: Im Vergleich zum letzten Mal kamen anno 2022 rund 20 Prozent mehr Menschen. Feiern war offensichtlich wichtiger als geglaubte Selbstverständlichkeiten.
Gleichwohl ist die Lehre aus Corona – nicht nur in Sachen Backfischfest – dass es derartige Selbstverständlichkeiten nicht mehr gibt. Wohl mussten die Ketscher froh sein, überhaupt wieder ihr überregional beliebtes Fest feiern zu können. Andernorts, wo es allzu oft schlicht an Helfern mangelte, wurden die Veranstaltungen, die prinzipiell wieder möglich waren, gar nicht erst neu aufgelegt.
Jahresrückblick Ketsch 2022: Von Maifest bis Weihnachtsmarkt
Ketsch verfügt über viel Gemeinschaftssinn und umtriebigen Vereinen. Und so verwundert es nicht, dass das Maifest, das Glühweinfest, die Kerwe, der Weihnachtsmarkt, das Fischerstechen, das Entenrennen oder der Spendenlauf, um nur einige zu nennen, in den Veranstaltungskalender zurückkehrten.
Das war auch wie bestellt für einen, dem damit seine Antrittsbesuche „erleichtert“ waren: Timo Wangler. Er setzte sich bei der Bürgermeisterwahl am 8. Mai durch und löste zum 1. Juli Jürgen Kappenstein ab, der keine dritte Amtszeit anstrebte. Timo Wangler sicherte sich den Zuspruch von 53,53 Prozent (3272 Stimmen) der Wählerschaft und bog vor CDU-Gemeinderat Marco Schnepf auf die Siegerstraße ein, der 32,31 Prozent (1975 Stimmen) erreichte. Es folgten Nimonh Kaiser-Patthavong (12,94 Prozent, 791 Stimmen), Andreas Nather (0,61 Prozent, 37 Stimmen), Simon Willi Schmeisser (0,29 Prozent, 18 Stimmen) und Julian Rapp (0,26 Prozent, 16 Stimmen). Die Ketscher hatten die Auswahl unter sechs Kandidaten und beantworteten diese mit einer Wahlbeteiligung von 58,87 Prozent.
Dass sich der frühere Kämmerer der Gemeinde Sandhausen im ersten Wahlgang durchsetzt, galt als Überraschung – zumal für ihn selbst – viele hatten mit einem Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen Timo Wangler und Marco Schnepf gerechnet. Es kam anders und seither ist das Bestreben des einstigen Leistungssportlers im Skisprung, den angespannten Haushalt der Gemeinde Ketsch wieder auf Vordermann zu bringen, wie er es in seinem Wahlprogramm versprochen hatte. Das soll nicht allein durch Sparen, sondern vor allem auch durch Umstrukturierungen gelingen.
Um nochmals zu den Vereinen zu kommen: Im Oktober mussten sich die Weggefährten des Vereins Sonnenernte von Gründungsmitglied Gerhard Prendke verabschieden. Er starb plötzlich und unerwartet. Auch diese „Selbstverständlichkeit“ ist für immer genommen.
Tops und Flops 2022
Tops
- Finanzspritze: Die Gemeinde Ketsch kann zur laufenden Erweiterung der Alten Schule, wobei in einem Anbau mit Gesamtkosten von rund 3,1 Millionen Euro acht weitere Klassenzimmer entstehen, eine Zuwendung des Landes Baden-Württemberg in Höhe von 429 000 Euro einplanen.
- Partnerschaft: Bürgermeister Timo Wangler weilte im Dezember zwei Tage lang in der französischen Partnergemeinde Trélazé und so kann die Freundschaft nicht nur weitergehen, sondern auch ausgebaut werden: „Wir passen gut zusammen“, galt als Fazit.
- Jubiläum: Der Schachclub kann auf über 100 Jahre zurückblicken. 2022 jährte sich die Gründung zum 100. Mal, sodass der Verein zu den ältesten im Ort zählt. Beim Festakt im Ferdinand-Schmid-Haus freute sich der Club über treue Mitglieder ebenso wie über eine gesunde Nachwuchsarbeit.
- Wochenmarkt: Den Wochenmarkt zu den Tops zu zählen, ist bis hierhin noch ein wenig gewagt, aber es gibt ihn, das ist gut, und jetzt müssen die Ketscher ihn nur noch zu „ihrem“ machen.
- 50 Jahre Gastlichkeit: Das Seehotel feierte 2022 ein Jubiläum: Seit 50 Jahren wird am Anglersee gute Gastlichkeit zelebriert. Nicht zuletzt zu so manchem Formel eins-Rennen wusste die Prominenz Ketscher Behaglichkeit zu schätzen.
Flops
- Pflegedienst Sonnenschein: Der Pflegedienst Sonnenschein hat Insolvenz angemeldet. Der vom Amtsgericht Mannheim zum Insolvenzverwalter bestellte Olaf Spiekermann ist aber zuversichtlich, dass es schon bald gelingen werde, jemanden zu finden, der den Betrieb übernimmt.
- Postfiliale schließt: Für Jürgen Stang, der in der Böttgerstraße die Postfiliale betreibt, ist nach dem 28. Februar an diesem Ort Schluss – ob und wie es mit Post in Ketsch weitergeht, ist noch nicht bekannt.
- Ameisenplage: Überregionale Beachtung erlangte Ketsch, als der Gemeinderat entschied, der Ameisenplage rund um den Friedhof mit Hilfe professioneller Schädlingsbekämpfung Herr zu werden.
- Metzger schließt: Dass Thomas Alt sein Geschäft in der Schwetzinger Straße schließen musste, auch da Mitarbeiter abgeworben wurden, ist ein Flop. Dass sein Freund Heinrich Back übernommen hat, ist dagegen top.
Jahresrückblick Ketsch 2022: Mehr Platz und mehr Optionen
Mehr Platz für Schüler und Lehrer, mehr Möglichkeiten für modernen Unterricht: Der Erweiterungsbau der Alten Schule im Ketscher Ortskern nimmt wunderbar Gestalt an – und liegt weiterhin bestens im Zeitplan, wie Bauamtsleiter Marc Schneider nicht ohne Stolz regelmäßig betont, denn das ist bei aktuellen schwierigen Gegebenheiten auf den Baustellen alles andere als selbstverständlich.
Im nächsten Spätsommer sollen dann acht neue Klassenräume zur Verfügung stehen, die der Alten Schule ganz neue Möglichkeiten eröffnen werden. Rektorin Sylvia Schimmeier: „Mit den neuen Räumen können wir acht Klassen umziehen, die von einer modernen und großzügigen Lernumgebung profitieren werden. Teilweise können wir dann Zwischenwände ganz einfach verschieben, sodass noch größere Räume entstehen und wir künftig auch etwas größere Veranstaltungen in unserem Haus durchführen können. Bislang mussten wir da immer auf die Turnhalle oder das katholische Gemeindezentrum ausweichen.“ Die Räume im Altbau, die durch den Umzug der acht Klassen in den Neubau frei werden, können künftig für die Kernzeitbetreuung genutzt werden.
Bei angespannter Haushaltslage verschlang auch die Neurottschule weiterhin Geld: Das Ende der grundlegenden Sanierung sowie Umgestaltung war für Ende Dezember anvisiert. Denn es liefen die Abrechnungsfristen aus, damit die Gemeinde die notwendigen Förderungen von Bund und Land erhält. Bei Kosten von insgesamt rund zwölf Millionen Euro konnte sich Ketsch keinen Verlust erlauben.
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