Neulußheim. Die zwei größten Baumaßnahmen der Gemeinde waren im vergangenen Jahr „durchlaufende Posten“ – sowohl der Anbau ans Feuerwehrgerätehaus als auch die neue Kultur- und Sporthalle wurden bereits im Jahr zuvor begonnen und sollen in diesem beendet werden. Dennoch, im Haushalt des vergangenen Jahres schlugen sich die zwei Projekte mit drei Millionen Euro nieder – für eine nicht gerade finanzstarke Gemeinde wie Neulußheim ein beachtlicher Brocken. Dennoch, die Zahlen der Gemeinde können sich sehen lassen, der Kämmerer schreibt schwarze Zahlen. Und dies auch dann, wenn die neue Halle am Ende mit vier Millionen Euro deutlich teurer wird als geplant.
Die Finanzen der Gemeinde waren im Frühjahr ein Thema, als es um das neue Baugebiet Zeppelinstraße West ging, in dem die Gemeinde über vier Grundstücke verfügt. Baugelände, die die Fantasie weckten. Grüne und SPD konnten sich vorstellen, mit deren Hilfe den sozialen Wohnungsbau voranzutreiben, WfN sprach sich gar für eine eigene Wohnungsbaugesellschaft aus.
Die CDU hätte mit einem Mix leben können, zwei Grundstücke für den sozialen Wohnungsbau, zwei verkaufen, doch Bürgermeister Gunther Hoffmann machte allen Plänen einen Strich durch die Rechnung, verwies auf das Kommunalrechtsamt, das zu einem Verkauf der Grundstücke riet. Grund hierfür war die Erschließung des Baugebiets, das die Gemeinde mit einem kurzfristigen Kredite finanzierte, der mit dem Verkaufserlös abgegolten werden sollte.
Jahresrückblick Neulußheim 2022: Verkaufen oder Verpachten?
Der Rat fügte sich dem finanziellen Druck und stimmte für den Verkauf, was bei der Debatte über die Jahresrechnung, die schwarze Zahlen aufwies, für einige Kommentare sorgte. Doch Hoffmann verteidigte seine Haltung, verwies auf anstehende Investitionen, beispielsweise für ein neues Regenrückhaltebecken und die Abrechnung laufender Vorhaben was sich schnell auf Schulen in Millionenhöhe addieren könne.
Aus den vier zum Verkauf stehenden Grundstücken in der Zeppelinstraße waren derweil drei geworden – eins vergab der Gemeinderat in Erbpacht an den Johannes-Kindergarten, der nach einem Brand in seinem Domizil übergangsweise im Alten Schulgebäude untergebracht ist.
Stichwort Altes Schulgebäude: Auch in dieses kam im vergangenen Jahr Schwung, wie in das gesamte Ensemble obendrein. Schon vor geraumer Zeit hatte der Rat beschlossen, im Gebäude A den Jugendtreff Point und das Heimatmuseum unterzubringen. Ferner soll die Bücherei in das Gebäude ziehen, wenn der Johannes-Kindergarten in seinen Neubau umsiedelt.
Jahresrückblick Neulußheim 2022: Neue Ortsmitte mit Leben gefüllt
Nach dem „Point“ zog Anfang des vergangenen Jahres der Heimatverein ins Schulgebäude A ein und freute sich nicht nur über größere Räume, die Platz für Ausstellungen bieten, sondern auch auf die Verzahnung mit dem Turmuhrmuseum. Und so füllte sich das Geviert in der Neuen Ortsmitte zusehends mit Leben und sorgte allgemein für Zufriedenheit.
Bis zum Sommer. Dann wurden die Pläne der Markusschule bekannt, die expandieren will und einen Neubau auf der Freifläche nördlich des Hauses A errichten will. Für die Anwohner und insbesondere die Bewohner der Neuen Ortsmitte eine quälende Vorstellung, allein wegen des aktuell bereits hohen Verkehrsaufkommens durch den elterlichen Bring- und Holverkehrs.
Letztlich einigte sich der Rat auf einen Kompromiss, ein entsprechender Bebauungsplan wird vorbereitet und zur Diskussion gestellt. Was für das laufende Jahr einigen Gesprächsbedarf erwarten lässt.
Hingegen wurde ein anderes Aufregerthema im vergangenen Jahr zu einem Abschluss gebracht. Nachdem der Rat schon vor geraumer Zeit die Ost-West-Achse, die St.-Leoner- und Altlußheimer Straße zur Tempo-30-Zone machte, folge nun die Nord-Süd-Achse. Die Hockenheimer und Waghäuseler Straße waren im ersten Anlauf außen vor gelassen worden, mit ihrer Breite schien der Ratsmehrheit die Begründung der Lärmreduzierung nicht zu greifen. Was wiederum Anwohnern aus dem betroffenen Straßenabschnitt nicht gefiel, die schon wegen der Sicherheit der Schulkinder, die die Waghäuseler Straße kreuzen, auf eine Geschwindigkeitsbeschränkung drängten. Der vom Rat im zweiten Anlauf zugestimmt wurde.
In Angriff genommen wurden ferner die Sanierung des Kleinspielfeldes auf dem Sportgelände, die Anlage des Platzes zwischen neuer Kultur- und Sport- sowie Hardthalle, der Beitritt der Gemeindebücherei zur Metropolcard und die personelle Aufstockung der Einrichtung.
Jahresrückblick Neulußheim 2022: Vollzugsdienst aufgestockt
Auch der Gemeindevollzugsdienst wurde personell erweitert, aus einem Minijob wurde eine Midi-Anstellung. Ob damit der Parkdruck aus den Straßen genommen werden kann, darf bezweifelt werden. Wie viele Gemeinden leidet Neulußheim darunter, dass alte Ortsetter nicht für moderne, breite Fahrzeuge gebaut sind.
Wobei Klagen über Wohnmobile, die die Straßen versperren, im vergangenen Jahr nicht mehr laut wurden, nachdem die Verbannung der Fahrzeuge vom Messplatz ursprünglich hohe Wellen schlug. Apropos Messplatz – dieser konnte endlich wieder seinem Namen gemäß genutzt werden, für die Kerwe. Diese hatte im Vorjahr noch unter Corona-Bedingungen stattgefunden, ohne Bewirtung und Spektakel, konzentriert aufs Kinderkarussell.
Heuer konnte wieder richtig gefeiert werden, mit Zelt, Fassbieranstich und Steaks. Doch an Fahrgeschäften mangelte es – ein Schausteller hatte die Gemeinde im Stich gelassen, sodass der Fahrspaß mit angezogener Handbremse erlebt wurde. Geklappt hat hingegen der Übergang vom Heimatverein auf den SC Olympia. Nach fast zwei Jahrzehnten der Bewirtung zollte der Heimatverein dem gestiegenen Alter seiner Mitglieder Respekt und zog sich aus der Bewirtung zurück. Es übernahm, wie man hörte mit Erfolg, der Sportclub.
Jahresrückblick Neulußheim 2022: Jugend soll eine Stimme erhalten
Aber wie anhand der Kerwe zu sehen war – es durfte wieder gefeiert werden. Nachdem das Jahr in der Gemeinde noch mit Demos gegen die Montagsspaziergänger begonnen hatte, fielen im weiteren Verlauf die Masken. Und spätestens beim Weihnachtsmarkt war allen klar – die Neulußheimer haben das Feiern nicht verlernt. Fast wäre man geneigt zu sagen, feiern bis der Doktor kommt, doch angesichts der Diskussion um die Hausärzteversorgung, die im Ort aufkam, wohl der falsche Spruch. Die ärztliche Versorgung ist in der Tat keine glückliche und der Verwaltung sind beim Gegensteuern die Hände gebunden – dafür sind andere Stellen zuständig. Auch hier wird das neue Jahr zeigen, ob sich eine Lösung finden lässt.
Tops und Flops 2022
Tops
- In den Alten Bahnhof kehrte nicht nur das Veranstaltungsleben zurück, es durfte auch ein kleines Jubiläum gefeiert werden: Vor 30 Jahren fand die erste Kunstausstellung statt, die von Rolf Bartling bestritten wurde.
- Die Gemeinde blüht auf. Nicht nur die von WfN verteilten und gepflanzten Blumenzwiebeln zeigen Wirkung, auch die von der Gemeinde angebotenen Blühsamen werden reichlich gestreut.
- Erfreulich ist der vollzogene Generationswechsel bei der Kerwe-Bewirtung: Auf den Heimatverein, der sich nach 18 Jahren zurückzog, folgte der SC Olympia, der mit kühlen Getränken und Speisen vom Grill punkten konnte.
- Zum Jahresende kehrte ein Stück Normalität in die Lußhardtschule zurück: Der Freundeskreis organisierte den Besuch des Nikolauses.
Flops
- Im Stich gelassen wurde die Gemeinde von einem Schausteller, der ansonsten mit mehreren Fahrgeschäften Dauergast auf dem Messplatz ist. Umso ärgerlicher, weil es die erste richtige Kerwe nach dem Ende der Corona-Beschränkungen gewesen wäre.
- Ein Ärgernis bleibt der Bahnhof, der immer öfter zum Sammelsurium der Hinterlassenschaften von Menschen wird. Auf die Reinigung hat die Gemeinde keinen Einfluss und eine Kameraüberwachung scheitert an datenrechtlichen Vorschriften.
Früchte tragen wird gleichfalls eine vor Jahresfrist im Rat beschlossene Initiative, den Klimaschutz mit Hilfe der Kliba in ein festes Korsett zu zurren. Initiativen zum Schutz des Klimas gibt es in der Gemeinde schon viele, vom Verteilen von Blühzwiebeln bis hin zur Umstellung der Straßenbeleuchtung auf LED oder die Errichtung von Photovoltaikanlagen. Nun soll der Klimaschutz institutionellen Charakter erhalten.
Im Frühsommer wurde im Rat ferner beschlossen, Wege zu suchen, der Jugend eine Stimme zu verleihen. Ob dieser Weg in einen Jugendgemeinderat mündet oder andere Formen der Beteiligung gefunden werden, wird der weitere Prozess zeigen. Doch mit der Hinwendung hin zu mehr Klimaschutz auf der einen Seite und der Einbeziehung der Jugend auf der anderen Seite, wurden die Weichen in Richtung Zukunft gestellt.
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