Ketsch. Hinter dem mannshohen Zaun liegt die Idylle: Der Hohwiesensee schimmert unter der strahlenden Sonne, auf der langgestreckten Liegewiese blühen vereinzelt weiße Blümchen und unter den alten Bäumen gibt es reichlich gemütliche Schattenplätze. Vor dem Zaun herrschen hingegen Unmut und Unverständnis: Eine Gruppe von teils jahrzehntelangen Stammgästen aus Ketsch und der gesamten Umgebung ist gekommen, um gegen die Schließung des öffentlichen Badestrandes in diesem Jahr zu protestieren.
Wie berichtet lässt die Gemeinde die Anlage in den kommenden Monaten zu, während sie das Freibad unter Corona-Bedingungen öffnet. Diese Entscheidung können Monika Lucha und ihre Mitstreiter überhaupt nicht verstehen – sie fordern die Öffnung beider Bademöglichkeiten. „Einige von uns sind hier schon hergekommen, als es noch keinen Zaun und keine Aufsicht gab. Damals sind wir einfach in den See zum Schwimmen und es war völlig normal. Die inzwischen zahlreichen Anwohner in ihren teils massiven Häusern und Villen direkt am Seeufer machen das ja bis heute so“, erzählt Monika Lucha.
Trumpf willkürlich verspielen
Über die Jahre und Jahrzehnte ist die Gruppe von knapp 20 Personen locker zusammengewachsen: Junge und Alte, meistens aus Ketsch, aber auch aus Schwetzingen, Brühl, Oftersheim, Plankstadt, Eppelheim, Hockenheim und sogar Speyer sind vertreten. Sie alle zieht es im Sommer regelmäßig an den ruhigen See, an dem weniger Trubel herrsche als in den Freibädern oder an den größeren Badestellen. Dass Ketsch beides biete, sei doch gerade eine Besonderheit und ein Trumpf – den die Gemeinde aus Sicht der Gruppe willkürlich verspielt.
Dabei sei doch die Bevölkerung nach über einem Jahr Corona-Pandemie ausgemergelt und hoffe auf ein wenig Erholung im Sommer. „Ob Urlaube in der Ferne klappen, ist noch völlig unklar – und die Hygieneregeln können hier vor Ort sicherlich besser eingehalten werden als im engen Urlaubsflieger nach Mallorca“, argumentiert Sigrid Wannagat. Mit zwei parallel geöffneten Badestellen könnten sich die Besucherströme außerdem noch besser verteilen.
„Öffentlich wurde argumentiert, dass man dafür zusätzliches Personal brauche, das schwer zu bekommen sei. Aber andere Gemeinden schaffen das doch auch“, springt ihr Klaus Bräutigam bei. „Wenn man wirklich will und so etwas plant, kann man auch unter Corona-Bedingungen beide Bademöglichkeiten öffnen. Und Mangelware sind doch lediglich die Bademeister, von denen es gar nicht mehr bräuchte als in normalen Jahren. Zur Überwachung der Corona-Regeln könnte man Aushilfen und Saisonkräfte unter engagierten Bürgern, Studenten oder Vereinsmitgliedern suchen – wenn man denn will und etwas kreativ an die Sache herangeht.“
Doch gerade an diesem Willen der Verantwortlichen zweifeln die aufgebrachten Hohwiesen-Stammgäste. Als sich zwei Mitglieder der Gruppe bei der jüngsten Sitzung des Gemeinderates zu Wort meldeten (wir berichteten), seien sie teils schroff abgebügelt worden. „Im Nachgang hat sich ein Ratsmitglied vor uns aufgebaut und uns zugeraunt, dass wir gefälligst nur Fragen zu stellen, aber kein Rederecht hätten“, ist Sigrid Wannagat immer noch sichtlich entsetzt ob der Reaktion eines Volksvertreters. „Selbst die Grünen, die doch immer von Bürgerbeteiligung reden, haben unser Anliegen ignoriert und auf ein Schreiben von uns nur mit leeren Worthülsen geantwortet.“
Und dann macht die Gruppe noch ein Fass auf, das bereits seit Jahrzehnten immer mal wieder für Diskussionen in Ketsch sorgt: die inzwischen dichte Bebauung des Hohwiesensees mit teils massiven Häusern. „Gebadet werden darf ja noch im See – aber eben nur, wenn man es sich leisten kann und eine private Villa besitzt wie eben so mancher Gemeinderat“, sagt Monika Lucha sichtlich verärgert.
„Wir haben den Eindruck, dass der öffentliche Badestrand von manchen Hausbesitzern immer schon als Ärgernis angesehen wurde. Die jetzige Situation könnte also manchen ganz gelegen kommen. Und wer sagt uns denn, dass das nicht der erste Schritt ist, den Badestrand immer unattraktiver zu machen? Was passiert, wenn die Gemeinde auch im nächsten Jahr keinen Bademeister findet oder die Corona-Regeln immer noch Einschränkungen zur Folge haben? Dürfen dann zukünftig nur noch Anwohner den öffentlichen See nutzen?“
Hoffen auf öffentliche Diskussion
Ob sich die Gemeinde noch umstimmen lässt, in diesem Jahr eine Notlösung für die Hohwiese zu finden, bezweifeln die Mitglieder der Gruppe. Doch sie hoffen auf eine öffentliche Diskussion über das Thema, ein Bekenntnis der Gemeinde zu ihrem Badestrand und einen Plan für die Zukunft.
„Wir überlegen, ob wir eine Unterschriftenaktion starten“, sagt Brigitte Wahlberg-Heinis. „Dann wird sich schon zeigen, wie viele Menschen die Hohwiese ebenso schmerzlich vermissen wie wir.“
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