Im Interview

Ketscher Bürgermeister Jürgen Kappenstein lässt Amtszeit Revue passieren

Der scheidende Bürgermeister Jürgen Kappenstein lässt die 16 Jahre seiner Amtszeit Revue passieren und blickt auch ein wenig voraus.

Von 
Marco Brückl
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„Ich wünsche mir, dass es wieder mehr Miteinander gibt in der Zukunft“ – der scheidenden Bürgermeister Jürgen Kappenstein beim Gesprächstermin im Café Starke. © Brückl

Ketsch. Insgesamt 16 Jahre war Jürgen Kappenstein Bürgermeister von Ketsch – nun endet seine Amtszeit zum 30. Juni, wobei der 58-Jährige bei der Wahl zum Bürgermeister im Mai nicht mehr antrat. Auf eigenen Wunsch ist nach zwei Amtsperioden Schluss. Im Interview lässt der scheidende Rathauschef die Jahre seines Wirkens für die Enderlegemeinde Revue passieren. Was bleibt in Erinnerung? Was kommt jetzt?

Zur Person

  • Jürgen Kappenstein ist am 19. Juni 1964 in Pforzheim geboren.
  • Er ist mit Claudia verheiratet und hat drei Kinder Julia (28), Jan (25) und Lena (21) und wohnt mit seiner Familie seit 1993 in Ketsch.
  • Nach seiner Zeit als Hauptamtsleiter ab 1993 der Ketscher Verwaltung war er ab 2006 Bürgermeister der Enderlegemeinde.
  • Zum 30. Juni endet seine zweite Amtszeit als Rathauschef, nachdem er sich nicht mehr zur Wiederwahl gestellt hatte.

Herr Kappenstein, gibt es denn schon Pläne für die Zeit danach?

Jürgen Kappenstein: Ja, ich werde erst einmal langsam machen. Wenn man viele Termine hat jeden Tag, ist man froh, wenn man den Tag mal ruhiger angehen kann. Ich will natürlich nicht in ein Loch fallen – ich bemühe mich, dass ich etwas auf die Bremse trete.

Was hilft Ihnen, um nicht in ein Loch zu fallen?

Kappenstein: Ja, mein Hund. Die „Franzi“. Das ist ein Mischling. Den haben wir aus der Tötungsstation gerettet. Das heißt es war eine Aktionsgemeinschaft, die meinen Sohn gefragt hatte. Und mein Sohn hat gesagt: ,Ja, mein Vater nimmt ihn.’ Das war vor neun Jahren.

Wenn Sie im Moment an Ketsch denken, was kommt Ihnen als Erstes in den Sinn?

Kappenstein: Das, was Ketsch mal war vor Jahren, ist es heute nicht mehr – bei weitem nicht mehr. Wir hatten eine super Gemeinschaft. Da hat man keine Angst haben müssen, dass einer einem etwas Böses will. Aber das hat sich total geändert. Ich weiß nicht, warum.

Was war der Wendepunkt? Können Sie es an einem Zeitpunkt festmachen?

Kappenstein: Wann war die letzte Gemeinderatswahl – 2019. Ich würde es an diesem Jahr festmachen. Ich habe so viel Enttäuschungen erlebt zwischenzeitlich. Wir haben versucht, so viel Gutes für die Gemeinde zu erreichen. Und haben Pläne gemeinsam mit dem Gemeinderat geschmiedet – nicht nur der Bürgermeister oder die Verwaltung. Und dann kommen diese Quertreiber und sagen: ,Alles schlecht’ . Das steht mir bis obenhin. Und das ist mit ein Grund, warum ich keine weitere Amtszeit angestrebt habe.

Wie ist Ketsch aufgestellt – viel geredet wird über die finanziell angespannte Lage?

Kappenstein: Da müssen wir einen Blick in die Vergangenheit werfen. Ketsch war mal verschuldet. Es ist aber schon unter meinem Amtsvorgänger Hans Wirnshofer versucht worden, die Verschuldung runterzufahren. Ich habe sie auf Null runtergebracht. Wir waren nicht mehr verschuldet und hatten Rücklagen. Jetzt haben wir wieder etwas mehr Schulden – was im Übrigen nicht von Grund auf etwas Schlechtes sein muss, denn wir haben Einrichtungen geschaffen. Wenn man sich zum Beispiel anschaut, wie viele Kindergartenplätze geschaffen worden sind, dann weiß man, wo das Geld hingegangen ist. Wir haben das Geld nicht für Luxusprojekte, sondern für Pflichtaufgaben eingesetzt. Das ist eine Sache, mit der man leben muss und wir kommen zurecht mit dieser Situation. Die Schulen sind intakt – im letzten Zuge wird jetzt gerade noch die Alte Schule in Schuss gebracht. Wenn das abgeschlossen ist, haben wir Einrichtungen, die man erst einmal nicht mehr anfassen muss: Ketsch ist gut aufgestellt.

Wenn Sie die 16 Jahre Revue passieren lassen, welche Wegmarken waren die wichtigsten?

Kappenstein: Ich war immer ein Verfechter von der Denkweise, man muss die Bevölkerung miteinbinden. Wenn man Pläne umsetzen möchte, muss man die Menschen mit beteiligen. Dann werden sie anerkannt. Und wenn jemand selbst Hand angelegt hat an eine Baumaßnahme, dann denkt er auch ganz anders über dieses Projekt. Deshalb war mein Credo, die Bevölkerung mitzunehmen bei allen Projekten, die wir auf den Weg gebracht haben. Und da können wir einige nennen.

Nennen Sie bitte mal ein Beispiel.

Kappenstein: Zum Beispiel unsere Spielplätze. Der Edison-Spielplatz war der erste, den wir angegangen sind. Da haben wir, da habe ich, auf die Werbetrommel geschlagen und da hat jeder mitgemacht, jeder, der Zeit hatte, hat mitgemacht. Wir haben Jugendgruppen mit eingebunden. Da fällt mir der BMX-Parcours ein. An der Neurottschule haben wir den Spielplatz mit eigenen Mitteln gestaltet. Oder das Kleinspielfeld an der Walldorfer Straße. Es gibt einige Spielplätze, die wir neu gemacht oder auf Vordermann gebracht und den heutigen Ansprüchen angepasst haben. Um auf die Wegmarken zurückzukommen: Die Einbindung der Bevölkerung bei verschiedenen Baumaßnahmen – das war eine wichtige Sache, bei der ich mich im Vergleich zu meinen Amtsvorgängern ein wenig unterschieden habe. Ich konnte die Leute ansprechen und sie hingen mir an den Lippen, wie man so schön sagt. Die Leute haben das dann aufgenommen und auch umgesetzt. Ich fand das ein schönes Erlebnis. Oder wenn Kinder mit dabei waren und wir haben anschließend gemeinsam gefeiert und über die Maßnahme gesprochen – das war einfach klasse. Da ist einem das Herz aufgegangen. Ich werde auch heute noch darauf angesprochen: ,Mensch, das war doch super damals.’ Ich kann es meinem Nachfolger nur empfehlen, auch solche Bauaktionen zu starten, um damit Verbesserungen zu erreichen.

Baumaßnahmen in der Amtszeit von Jürgen Kappenstein

  • Hallenbad-Sanierung und Sanierung des Wellenbeckens des Freibads.
  • Badestrand Hohwiese (Sanitärgebäude und Kiosk).
  • BMX-Parcours.
  • „Villa Sonnenschein“, Interimskindergarten Gartenstraße, Kindergarten im Neurott.
  • Hort am Rathaus.
  • Umgestaltung der Alten Schule.
  • Kanalsanierung in der Hockenheimer Straße.
  • Umgestaltung des Ortseingangs in der Brühler Straße.
  • Quartier I (Areal hinter der Alten Schule).
  • „Alla hopp!“-Anlage.
  • Neubaugebiet Fünfvierteläcker.
  • Kleinspielfeld in der Walldorfer Straße.
  • Neurott-Gemeinschaftsschule: Umbau zur Gemeinschaftsschule mit Lernbüros und neuen Fachräumen samt Brandschutzsanierung – Bau einer Mensa.
  • Neugestaltung des Marktplatzes und der Schwetzinger Straße.

Was waren die schönsten – was waren die schlechtesten Momente in der Rückschau?

Kappenstein: Das Backfischfest gehört zu den schönsten Momenten – da kann ich jedes Jahr nennen und es war immer ein Höhepunkt dabei. Das sind einfach so Erlebnisse, die einen beflügeln. Da kommen Leute zusammen, die sind gut gelaunt und wollen feiern – das macht einfach Spaß. Und was natürlich auch tolle Erlebnisse sind und waren, ist die Partnerschaft mit den Franzosen aus Trélazé. Es war wunderbar, dass man da gleich die Bevölkerung mitnehmen konnte. Zwischenzeitlich ist die Partnerschaft ein wenig eingeschlafen. Aber das liegt an Corona. Wir verstehen uns zwischenmenschlich hervorragend. Marc Goua, mein langjähriger französischer Amtskollege, wird zu meiner Verabschiedung kommen. Sein Nachfolger übrigens auch. Ich denke, auch mein Nachfolger wird die Partnerschaft fortführen wollen.

. . . weniger schöne Momente?

Kappenstein: In 16 Jahren lernt man viele Leute kennen, auch ältere Leute, die dann irgendwann nicht mehr da sind. Beim Verlust von wichtigen Personen in Ketsch fange ich mal an mit Robert Fuchs – er war eine Person, mit der ich viel gesprochen habe, er wusste ja bestens Bescheid über die Vergangenheit. Auch Hans Wirnshofer war ein Verlust. Es waren viele Freunde, die man verloren hat. Und da trauere ich schon ein bisschen nach. Ich bin kein Mensch, der kalt darüber hinweggeht, sondern das geht mir schon nahe.

. . . und politisch?

Kappenstein: Es darf jeder seine politische Meinung vertreten, wie er will. Wenn ich aber erleben muss, dass ein paar neu hinzugekommene Gemeinderäte meinen, man hat alles falsch gemacht in der Vergangenheit, dann reagiere ich sehr sensibel darauf. Das kann nämlich nicht sein. Wir haben nicht alles falsch gemacht. Mag sein, dass man aus den Augen der Andersdenkenden das eine oder andere hätte anders machen müssen, aber alles falsch gemacht haben wir bei Weitem nicht. Ganz im Gegenteil. Seit wir eine neue Fraktion im Gemeinderat haben, ist eben Vieles nicht mehr möglich: Es wird gebremst an allen Ecken und Enden. Und das finde ich einen ganz großen Nachteil für die Gemeinde. Das ist auch das, was mich menschlich enttäuscht von dem einen oder anderen – Ketsch hat das Miteinander verloren.

Was wünschen Sie sich für Ketsch?

Kappenstein: Dass es wieder mehr Miteinander gibt in der Zukunft. Ich hoffe, dass es meinem Nachfolger gelingt, das zu schaffen.

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Was können Sie Ihrem Nachfolger mitgeben?

Kappenstein: Ich wünsche ihm viel Glück und dass er vor allem auch die Bevölkerung hinter sich bringt, die nicht unbedingt die Meinung der politischen Parteien, die ihn unterstützt haben, vertreten. Ich bin parteilos, ich bin ohne Unterstützung als Bürgermeister gewählt worden, und das bin ich bis heute. Ich bin für die CDU im Kreistag, aber ich bin kein Parteimitglied. Und das werde ich auch nicht. Ich würde ihm empfehlen, dass er mit seiner Meinung den größten Teil der Bevölkerung abdecken kann. Es ist wichtig, dass er hier die mehrheitliche Unterstützung hat. Denn eine Partei kann einen hochheben, aber auch wieder fallen lassen.

Welche Projekte müsste man in Ketsch nun angehen?

Kappenstein: Bei der Rheinhalle müsste man was tun und zwar nicht so sehr was die Größe oder Gebäudeform angeht, sondern mehr die Technik im Innern. Wenn es warm wird, hält man es nur schwer aus in der Rheinhalle. Aber wenn man die Lüftungsanlage angeht, kann man gleich das ganze Gebäude wegschieben. Für die Rheinhalle wäre ein neues Gebäude die beste Lösung. Wenn man sich das leisten möchte. Wichtig ist auch die Sanierung des Rathauses. Es platzt aus allen Nähten. Auch wenn es die Grüne Partei nicht wahrhaben will und immer wieder sagt, ,ihr habt Platz genug’.

Könnte man beim Rathaus eigentlich nach oben erweitern?

Kappenstein: Nein, das geht nicht.

Also bleibt nur eine Außenstelle?

Kappenstein: Das wollten wir ja. Die Außenstelle hätten wir ja auf dem Marktplatz gebaut. Bis der eine Bürger eine Aktion startete (Eine Bürgerinitiative verhinderte den Gebäudeneubau, Anm. d. Red.).

Das führt zu der Frage: Würden Sie etwas anders machen in der Rückschau?

Kappenstein: Wenn ich es beeinflussen könnte, würde ich an dem Punkt Marktplatzbebauung anders agieren. Ich würde den guten Mann mehr heranziehen, ihm eine Aufgabe geben und ihn so zum Verbündeten machen.

Was kann man indes beim Rathaus machen – es gibt kaum noch Platz?

Kappenstein: Wir können noch anbauen am Rathaus zum Parkplatz hin. Aber viel Fläche hat man dort nicht. Aufstocken kann man wie gesagt nicht. Das wird schwierig. Wir hätten seiner Zeit saniert mit dem Hintergedanken, dass man einige Ämter auslagert. Aber die Sanierung des Gebäudes ist trotzdem notwendig. Das kommt auf jeden Fall.

Das wird sehr kostenintensiv?

Kappenstein: Das werden mehrere Millionen, die man da investieren muss. Aber wir sind ja noch in dem Bereich der Ortskernsanierung. Das heißt es sind Maßnahmen, die das Land mit bezuschusst. Wir haben das verlängert. Allerdings müsste zumindest die Planung alsbald angegangen werden. Die Ortskernsanierung war ein Projekt, das ich an Land gezogen habe. Das gab es vorher noch nicht in Ketsch. Wir hatten ja den Erfolg, dass es eine Riesennachfrage an diesem Programm gab. Das gab es in ganz Baden-Württemberg nicht. Wir haben auch ein großes Gebiet ausgelegt. Das war auch nicht üblich, dass eine so große Fläche auf einmal angegangen wird. Aber ich habe mir gesagt, wir machen den alten Ortskern in der Summe. Wenn man sich die einzelnen Häuser anschaut, die saniert wurden, kann man schon einen Erfolg sehen. Das war eine Aktion, bei der ich stolz bin, dass sie mir gelungen ist.

Was haben Sie jetzt beruflich vor?

Kappenstein: Ich bin ja Aufsichtsratsvorsitzender bei der Volksbank in Speyer. Und das werde ich bleiben, sofern mich die Kollegen haben wollen. Die Aufgabe würde ich gerne weitermachen und habe jetzt auch ein bisschen mehr Zeit dafür. Ich bin noch in verschiedenen Verbänden aktiv. In der Metropolregion bin ich aktiv und habe zum Beispiel verschiedene Aufgaben im Planungsausschuss.

Gibt es mittelfristige private Pläne?

Kappenstein: Ja, es gibt Pläne für eine größere Reise mit dem Wohnmobil. Meine Frau geht aber noch arbeiten. Dieses Jahr geht es noch nicht. Auf jeden Fall aber nächstes Jahr. Mir schwant immer Norwegen vor.

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