Ketsch/Region. Die Freude der närrischen Tage in der Region wurde von zwei Vorfällen nach den Umzügen in Ketsch und Hockenheim, bei welchen jeweils der Gebrauch einer Schreckschusswaffe die Polizei zum eingreifen zwang, getrübt. In der Enderlegemeinde zog ein 16-Jähriger besagte Waffe und bedrohte damit drei andere Umzugsbesucher. Tags zuvor ging es in Hockenheim sogar über eine Drohung hinaus.
Ein 38-Jähriger befand sich auf seinem Heimweg, nachdem der närrische Lindwurm sein Ende fand. Dabei beobachtete er unweit des Bahnhofs der Rennstadt einen Jugendlichen, der mit Glasflaschen auf vorbeilaufende Mädchen warf. Beherzt griff der laut Informationen dieser Zeitung aus Neulußheim stammende Mann ein und ermahnte den Minderjährigen. Der Jugendliche zog daraufhin eine Schreckschusswaffe und schoss auf den 38-Jährigen, der dadurch eine Platzwunde über dem Auge erlitt.
Auch beim Schwetzinger Fasnachtsumzug war Besucher mit Schreckschusswaffe
Während die jeweiligen Waffen sowohl in Ketsch als auch in Hockenheim tatsächlich gezückt beziehungsweise sogar verwendet wurden, entdeckt die Polizei in Schwetzingen – ebenfalls beim Fasnachtsumzug – auch einen Besucher, der eine Schreckschusswaffe mit sich führte.
Drei Vorfälle mit Schreckschusspistolen innerhalb kürzester Zeit lassen die Frage offen, wie die „Täter“ in Besitz der gefährlichen Waffen kamen und vor allem, wie dieser überhaupt geregelt ist. Die wichtigsten Informationen zu Schreckschusspistolen, dem damit verbundenen Waffengesetz sowie den Auflagen für deren Besitz gibt es in unserem Faktencheck.
Welchen Zweck erfüllen Schreckschusspistolen überhaupt?
Schreckschusswaffen werden im Allgemeinen auch als Gas- oder Signalwaffen bezeichnet. Dabei handelt sich um Pistolen oder Revolver, die im Gegensatz zu scharfen Schusswaffen keine Projektile verschießen. Sie sind für das Abfeuern verschiedener Arten von Platz- und Reizgaspatronen konzipiert. Gleichzeitig sind Schreckschusswaffen auch dafür geeignet, um pyrotechnische Munition wie Leuchtsignalsternen, Pfeifpatronen oder erwerbsscheinpflichtige Vogelschreck-Pyroknallpatronen zu verschießen. Keine dieser vorgesehenen Verwendungen rechtfertigt also das Mitführen einer Schreckschusspistole bei Veranstaltungen wie den kürzlich stattgefundenen Fasnachtsumzügen.
Sind Schreckschusspistolen frei erhältlich?
Wer sein 18. Lebensjahr vollendet hat, darf eine Schreckschusswaffe legal besitzen, erwerben und transportieren – jedoch nur wenn diese in einem nicht zugriffsbereiten Zustand verschlossen transportiert wird. Entsprechend gibt es im Internet auch zahlreiche Möglichkeiten, verschiedenste Varianten von Schreckschusswaffen zu erwerben. In den Online-Shops fallen diese in die Kategorie „Freie Waffen“. Dem Gesetz folgend muss der Käufer jedoch einen Altersnachweis erbringen. Dieser besteht aus einer Kopie von Vorder- und Rückseite des Personalausweises, jedoch ohne eine Zweitprüfung wie beispielsweise durch eine Verifizierung per Webcam. Gelangt ein Jugendlicher also in den Besitz eines Ausweises von einem Erwachsenen, kann ohne größere Probleme eine Schreckschusspistole erwerben. Ein Hinweis darauf, wie die jugendlichen „Täter“ bei den Fällen in Ketsch und Hockenheim in den Besitz der Waffe gekommen sein könnten.
Welche Bedingungen gibt es für das Benutzen einer Schreck- schusspistole?
Auch wenn der Besitz für Erwachsene unter Bedingungen legal ist, so ist das tatsächliche Führen der Waffe – ausgenommen des erwähnten Transports – außerhalb der eigenen Wohnung stark reglementiert. Seit dem 1. April 2003 ist es gesetzlich geregelt, dass hierfür ein kleiner Waffenschein benötigt wird. Selbst dann ist das Abfeuern der Schreckschusspistole nur auf einem sogenannten befriedetem Besitztum – also auf einem dafür zugelassenem Geländer oder Eigengrundstück – nur zulässig, wenn dabei keine Lärmbelästigung erzeugt wird oder die Munition das ausgewiesene Besitztum nicht verlässt. Damit verstießen die Jugendlichen nach den Umzügen in Ketsch und Hockenheim nicht nur gegen die Altersbeschränkung, sondern auch gegen weitere gesetzliche Regelungen. Im Hockenheimer Fall kommt noch die Körperverletzung hinzu.
Wo liegen die Zuständigkeiten für Ketsch seitens der Behör- den?
Für die Enderlegemeinde ist in Bezug auf Schreckschusspistolen das Landratsamt Rhein-Neckar und dessen Waffenbehörde zuständig. Dort muss auch der erwähnte kleine Waffenschein beantragt werden. Auf der Internetseite des Kreises ist zudem ein Merkblatt zum Waffengesetz einsehbar. In diesem sind nicht nur die Voraussetzungen für das Führen und Besitzen von den unterschiedlichen Arten von Waffen festgelegt, sondern auch die Kriterien für die persönliche Eignung zur Führung einer Waffe. Diese schließt beispielsweise Personen aus, die nicht geschäftsfähig oder alkohol- beziehungsweise drogenabhängig sind.
Welche Strafe ist zu erwarten, wenn man illegal eine Schreckschusspistole mit sich führt oder erwirbt?
Wie schon erwähnt ist für das tatsächliche Führen einer Schreckschusswaffe der kleine Waffenschein notwendig. In den beschriebenen Fällen aus Ketsch und Hockenheim wird dieser alleine durch das Alter der Täter nicht vorhanden sein. Im Waffengesetz heißt es unter dem Punkt „Kleiner Waffenschein“: „Das Führen der oben genannten Waffen ohne kleinen Waffenschein ist kein Kavaliersdelikt, sondern eine Straftat und kann mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren geahndet werden.“ Bei den Jugendlichen von den Vorfällen in Ketsch und Hockenheim wird aller Voraussicht nach das Jugendstrafgesetz angewendet, es bleibt jedoch zu hoffen, dass ein Lerneffekt eintritt.
Was sind die Gründe, dass es vermeintlich vermehrt zu Vorfällen mit Schreckschusspistolen während der Fasnachtszeit kam?
Dass es bei Fasnachtsumzügen oder anderen Veranstaltungen der närrischen Zeit vermehrt zu Delikten mit Schreckschusswaffen kommt, konnte die Polizei auf Nachfrage nicht bestätigen, da man „keine Statistiken führt, die den expliziten Einsatz von Schreckschusswaffen bei Fastnachtveranstaltungen aufgreifen“. Es bleibt nur der Verdacht, dass die Schreckschusswaffen vor allem aufgrund ihres einer scharfen Pistole ähnlichen Aussehen zunächst als zum Kostüm passende „Requisite“ mitgeführt werden. Dass diese dann auch wie in Ketsch und Hockenheim gezogen oder abgefeuert werden, ist neben einer wohl generell großzügigen Auslegung der Gesetze seitens der sich den kriminellen Handlungen verdächtig gemachten Jugendlichen eventuell auch dem Alter und dem Alkoholkonsum während der Fasnachtsumzüge geschuldet.
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