Neulußheim. Mit Blick auf das vergangene Jahr spricht Bürgermeister Gunther Hoffmann von einem solchen ohne Landmarken. Keine Feste, keine Veranstaltungen oder Jubiläen, die ihm Struktur geben konnten, stattdessen ein stiller Fluss des Alltäglichen. Besonders bewusst wurde ihm das in der Zeit von Advent bis Jahreswechsel, als weder ein Weihnachtsmarkt noch das traditionelle Konzert in der Kirche für weihnachtliche Stimmung sorgten. Auch der Neujahrsempfang, sonst ein geselliger Treff für die ganze Gemeinde, fiel ins Wasser. Die meisten Menschen, scherzt Hoffmann, sehe er noch bei den Impfaktionen der Gemeinde.
Tops und Flops 2021
Tops
- Als Treffer erwies sich die in der Bücherei eingeführte Metropolcard, die dem Nutzer die Welt der Literatur öffnet und die auf große Resonanz stieß.
- Positiv ist die Entscheidung des Rates zu bezeichnen, die Bushaltestellen mit einer elektronischen Anzeige auszustatten. Mittlerweile sind die Anzeigen da, doch funktionieren sie noch nicht.
- Die Wunschbaumaktion der Gemeinde, die trotz der Pandemie durchgeführt wurde, sorgte bei den Kindern für leuchtende Augen.
- Mächtig ins Zeug gelegt hat sich im vergangenen Jahr die evangelische Kirchengemeinde, um mit Fantasie und unter Zuhilfenahme der technischen Möglichkeiten den Kontakt zu den Menschen aufrechtzuerhalten.
- Den auf dem Messplatz abgestellten Wohnmobilen und Campingwagen wurde mittels Schranken, die die Durchfahrhöhe begrenzen, ein Riegel vorgeschoben. Waren anfangs Klagen über Ausweichparker zu hören, so haben diese mittlerweile wohl einen anderen Standort gefunden.
Flops
- Für Ärger in der Gemeinde sorgte eine Dauerbaustelle an der Ecke Altlußheimer- und Tullastraße. Nicht nur die Fußgänger waren behindert, auch die Anwohner litten unter der Verkehrsführung.
- Einmal mehr machte der Aufzug beim Bahnhof von sich reden. Zwar funktioniert er mittlerweile, doch stellte er in der Sommerhitze öfters den Betrieb ein – sehr zum Leidwesen der in ihm gefangenen Nutzer.
- Das Thema des ruhenden Verkehrs gewinnt in der Gemeinde zusehends an Bedeutung. Zugeparkte Gehweg und Kreuzung sind nicht nur ärgerlich, sondern auch gefährlich.
Ihn als Bürgermeister schmerzt dabei besonders der fehlende Kontakt zu den Menschen, immerhin lebt ein Gemeindeoberhaupt ja von der Interaktion, von der Kommunikation mit den Bürgern. Und wenn sich schon der Bürgermeister über die gekappten sozialen Beziehungen beklagt, dann kann man ermessen, was die Corona-Pandemie dem Land angetan hat.
Der Kulturtreff Alter Bahnhof war das ganze vergangene Jahr hindurch nur ein alter Bahnhof, sieht man von einer Kulturveranstaltung ab, die sich der rührige Wolfgang Treiber nicht nehmen ließ, zu stemmen. Der Seniorentreff im evangelischen Gemeindehaus fand statt, wann immer die Pandemie-Lage Gelegenheit bot, was für viele Menschen selten genug der Fall war, das Vereinsleben lag ebenso brach wie das Veranstaltungsprogramm der Gemeinde.
Bezeichnend hierfür die Kerwe im Herbst. An das gewohnte Programm mit Zelt, Heimatverein, Kerweborscht und Heimatverein war nicht zu denken, stattdessen sorgte Rummelplatzbeschicker Marcus Schneider zumindest dafür, dass sich für die Kinder die Karussells drehten. Was sich im Nachhinein als voller Erfolg entpuppte, was unterstreicht, wie dankbar die Menschen schon für so kleine Gelegenheiten sind, zumindest den Kindern eine Abwechslung bieten zu können.
Große Herausforderung
Auch für die Gemeindeverwaltung war Corona im vergangenen Jahr eine große Herausforderung, berichtet Hoffmann im Gespräch mit unserer Zeitung und schildert die damit einhergehenden Einschränkungen, die in Test- und Impfaktionen investierte Zeit und Energie. Auch die Besonderheit an der Nahtstelle zwischen Rhein-Neckar-Kreis und dem Landkreis Karlsruhe mit ihren unterschiedlichen Handhabungen und Regelungen der Krise zu liegen, machte die Situation nicht leichter.
Und Corona machte sich noch auf einem ganz anderen Gebiet breit: im Bausektor. Sei es durch Materialengpässe, sei es durch fehlendes Personal. Wobei Hoffmann im Rückblick unterscheidet zwischen dem Tief- und dem Hochbau. Bei den Bodenarbeiten machte sich die Materialknappheit nicht bemerkbar, im Gegenteil, die Sanierung der Carl-Benz-Straße war sogar drei Monate früher beendet als geplant. „Auch in der Zeppelinstraße geht es zügig voran“, stellt das Gemeindeoberhaupt fest. Die Straße wird derzeit saniert und erhält neue Kanäle und Hausanschlüsse im Vorgriff auf das Neubaugebiet, das sich an ihrer westlichen Seite anschließend wird.
Eine dritte Maßnahme führt Hoffmann noch am Rande an, der Bau der zweiten Trinkwasserleitung vom Reilinger Wasserwerk aus in das Waldgebiet Lußhardt, mit der die Versorgungssicherheit erhöht werden soll. Hier hat der Zweckverband, dessen Vorsitzender Hoffmann ist, vorausschauend gehandelt und die benötigten Materialien vorab gekauft, um der Materialknappheit ein Schnippchen zu schlagen.
Sieht es im Tiefbau noch gut aus, klemmt es im Hochbau gewaltig. Beim Bau der Kultur- und Sporthalle ist die Gemeinde gut drei Monate im Verzug – fehlende Fensterbeschläge warfen die Planungen über den Haufen. Auch wenn der Innenausbau voranschreitet, an Lüftung, Elektrik und anderen Gewerken im Inneren gearbeitet wird – „wir sind deutlich hintendran“.
Der zeitliche Verzug bei den Hochbaumaßnahmen ist die eine Seite der Medaille, die explodierenden Kosten sind die andere. Gerade beim Thema Kultur- und Sporthalle ist sich Hoffmann sicher – „es wird deutlich teuerer werden“.
Das dritte Moment der Krise, der Arbeitskräftemangel, verhindert den Baubeginn der Erweiterung des Hauses der Feuerwehr. Die Materialien sind da, rund um die künftige Baustelle gelagert, die mit dem Bau der Bodenplatte starten soll – still ruhen die Arbeiten. Zum Glück, betont Hoffmann, habe man für die Zeit des Umbaus eine passende alternative Unterkunft für die Wehr gefunden – die Einsatzbereitschaft muss gewährleistet bleiben – sodass der Verzug in diesem Punkt nicht schmerze.
Notwendig wird die Erweiterung der Feuerwehrunterkunft, um den Zeitenläufen gerecht zu werden. Die technischen Anforderungen haben sich geändert und mit ihnen das notwendige Material – die Wehr braucht um ihren Aufgaben gerecht zu werden mehr Raum. Geändert hat sich auf die Zusammensetzung der Wehr. Wo früher eine reine Männergruppe am Wirken war, wird der Frauenanteil immer höher. Entsprechend müssen die sanitären Einrichtungen, von den Toiletten bis zu den Duschen, angepasst werden. Und letztlich ist eine sogenannte Schwarz-weiß-Trennung für die Gesundheit der Feuerwehrleute unerlässlich: Die nach Einsätzen eventuell kontaminierte Uniform muss getrennt von der „zivilen Kleidung“ getauscht werden können. Alles Punkte, die den Erweiterungsbau im Interesse des Schutzes der Bevölkerung unabdingbar machen.
Auch intern hat die Feuerwehr im vergangenen Jahr die Weichen in Richtung Zukunft gestellt. Kommandant Harald Butz, 23 Jahre lang war er das Gesicht der Wehr in der Gemeinde, hat die Kommandobrücke verlassen. Zu seinem Nachfolger wurde Sascha Langlotz gewählt. Seine Stellvertreter sind Yvonne Heiselbetz und Oliver Huber.
Beim Blick in die Zukunft kommt die Gemeinde nicht um das Thema Klimaschutz umhin. Im Laufe des Jahres soll vom Gemeinderat entschieden werden, wie dieser in Neulußheim umgesetzt, welche Schritte ergriffen werden sollen. Ein Modul für einen besseren Klimaschutz hat die Gemeinde schon im vergangenen Jahr umgesetzt – ein E-Carsharing-Angebot wurde auf dem Platz vor der Begegnungsstätte der Awo umgesetzt. Mit großer Resonanz, betont Hoffmann, der dies vom Rathaus aus gut beobachten kann. Wenn nun die Nachbargemeinden Altlußheim und Reilingen folgen, so kann dies die Attraktivität der E-Carsharing-Fahrzeuge nur steigern.
Dem Klimaschutz sollen auch die Fahrradboxen dienen, die für den Bahnhof bestellt sind und die ÖPNV-Nutzern die Entscheidung erleichtern sollen, mit dem Rad zum Bahnhof zu fahren. Ist dieses doch in den Boxen den Tag über sicher aufgehoben.
Kein Bedarf für Glasfaser
Nicht zum Zuge kam das Thema Zukunftstauglichkeit bei der angebotenen Versorgung der Gemeinde mit Glasfaser. Das nötige Quorum wurde verfehlt, bedauert Hoffmann, der darin aber auch ein Indiz sieht, dass die Gemeinde gut mit schnellen Internetverbindungen versorgt ist. Dennoch, in seinen Augen wäre Glasfaser ein zukunftsweisender Schritt gewesen.
Ins Stocken geraten ist die Sanierung der Kornstraße zwischen Berliner Straße und Haus der Feuerwehr. Hier plädierte eine Ratsmehrheit, im ersten Schritt nur den Bereich vor der Lußhardtschule zu überplanen und beauftragte den Bürgermeister, den Dialog mit den Bürgern zu suchen. Was dieser wohl im Frühjahr in Angriff nehmen wird, wenn die Corona-Lage Bürgerversammlung wieder zulässt.
Doch lamentieren möchte Hoffmann über die Corona-Lage nicht– „die Zeit ist so, wir müssen damit leben“, will er das Beste aus der Situation machen und freut sich schon über kleine Lichtblicke – beispielsweise dass es immer noch möglich sei, Altpapier zu sammeln oder das die alten Weihnachtsbäume von den Handballern abgeholt werden konnten. Und ganz besonders freut ihn natürlich als Gemeindechef, dass diese finanziell gut durchs Jahr gekommen ist. Mit ein Grund optimistisch in die Zukunft zu blicken.
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