Im Interview

Quilt-Königin aus Mannheim stellt in Neulußheim aus

Die Quilt-Königin Ursula Mehler kommt bereits zum fünften Mal mit ihren Werken in den Alten Bahnhof Neulußheim und spricht im Interview über die Eigenschaften ihrer Kunst

Von 
Elke Barker
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Die Quilt-Königin Ursula Mehler (r.) stellt auf Einladung von Wolfgang Treiber (l.) bereit zum fünften Mal ihre Kunstwerke aus Textilien im Alten Bahnhof Neulußheim aus. © Wolfgang Schwindtner

Neulußheim. Die Ausstellungen im Alten Bahnhof sind für ihre Vielfalt bekannt: Malerei, Grafik, Fotografie, Bildhauerei und textile Kunstwerke – für alle Sparten findet Organisator Wolfgang Treiber talentierte Künstler. Und einige von ihnen lädt er sogar mehrfach ein. So auch die Mannheimer Textilkünstlerin Ursula Mehler, die von Freitag, 2. Juni, bis Sonntag, 4. Juni, bereits zum fünften Mal in der Schickardgemeinde ausstellen wird. Im Interview spricht die Künstlerin über ihre Werke und ihre Anfänge in der Quilt-Technik.

Frau Mehler, man nennt Sie in Neulußheim die Quilt-Königin. Wie genau fühlt man sich als solche?

Ursula Mehler (lacht): Ja, so wird man natürlich gerne bezeichnet. Ich fühle mich im Alten Bahnhof sehr wohl und mag die Leute. Sowohl das Publikum, das stets sehr interessiert ist, als auch Wolfgang Treiber und seine Frau Marianne, die unglaublich nett und hilfsbereit sind.

Wie kam es zum ersten Kontakt mit den Treibers?

Mehler: Das war am letzten Tag meiner ersten großen Ausstellung in der Hühnerfautei in Schönau im Jahr 2000. Ich war schon beim Abbauen, als Wolfgang Treiber auf mich zukam und mir anbot, in Neulußheim auszustellen. Der Alte Bahnhof ist übrigens ein idealer Ort, um Quilts aufzuhängen, denn es gibt viele Wände und eine Leiste rundherum, an der sich die Werke leicht anbringen lassen.

Sie sind mittlerweile fast 88 Jahre alt und quilten seit ungefähr einem halben Jahrhundert. Wie hat alles angefangen?

Mehler: Na ja, ich habe immer gerne genäht, und irgendwann bin ich übers Nähen zum Quilten gekommen.

Diese Technik ist in Amerika weit verbreitet . . .

Mehler: . . . ja, das Ganze kam mit den Amischen nach Amerika. Diese täuferisch-protestantische Glaubensgemeinschaft wanderte von der Schweiz über Holland nach Philadelphia aus. Quilts gibt es übrigens überall in Amerika. Das sieht man auch in Filmen. Entweder es hängt etwas an der Wand, oder es liegt eine Decke auf dem Bett. In der Regel sind das aber ganz einfache und schlichte Arbeiten, industrielle Massenproduktion, die mich wenig interessiert. Ich mache niemals einen Quilt zweimal, das würde mich entsetzlich langweilen.

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Wie haben Sie anfänglich gearbeitet?

Mehler: Am Anfang habe ich mich ganz an die Tradition gehalten. Ich habe das Grand-Mothers-Flower-Garden-Muster gequiltet, das aus Hexagonen besteht, die dann per Hand aneinandergenäht werden. Das Ganze sieht dann, wenn es auch noch bunt ist, wie ein Blumenbeet aus. Oder ich habe das Log-Cabin-Muster, ebenfalls ein altes Muster, gequiltet, wo sich in der Mitte ein rotes Quadrat befindet (Herdfeuer) und auf der einen Seite helle und auf der anderen Seite dunkle Streifen angesiedelt sind. Am Anfang habe ich fast ausschließlich mit Schablonen gearbeitet.

Später haben Sie freier gearbeitet, oder?

Mehler: Ja, und es fühlte sich an wie eine Befreiung, es war toll. Inspirieren ließ ich mich in Kursen bei den großen Meistern. Ich war in Konstanz bei Nancy Crow, ebenso bei dem Streifenkünstler Michael James. Das war wahnsinnig stressig, kompliziert, und alles ging sehr schnell, aber natürlich lernt man enorm viel.

Mit welchen Stoffen arbeiten Sie normalerweise?

Mehler: Eigentlich arbeite ich mit allem, was gewebt ist. Seide, Wolle, Trikot, transparente Stoffe zum Darüberlegen, auch Tweed, Cord oder Jeans. Einmal, da war ich im italienischen Cilento im Urlaub und sah auf einer Mülldeponie eine Matratze, die strahlte farblich all das aus, was die Region ausmacht. Türkis, bläulich, goldfarben, ich sah das Meer, die Küste, ich sah alles ganz deutlich vor mir und wollte diesen Stoff unbedingt haben. Der Reiseleiter hat dann tatsächlich ein Stück für mich herausgeschnitten, und ich habe es sorgfältig gereinigt und verarbeitet. Überhaupt bin ich eine Freundin von Recycling, ich arbeite fast ausschließlich mit Stoffresten, die ich mittlerweile reichlich von Schneidern bekomme.

Wie ist ein Quilt aufgebaut?

Mehler: Ein Quilt besteht aus drei Schichten. Einem Stoff auf der Rückseite, einer Vlieseinlage und dem Stoff obendrauf, also dem Muster oder Bild, das ich an der Wand entworfen habe. Ich entwerfe einen Quilt übrigens immer an der Wand, denn ich bin der Meinung, dass was an der Wand hängt, auch an der Wand entworfen werden sollte.

Sie arbeiten auch mit Krawatten?

Mehler: Krawatten sind etwas ganz Tolles. Die meisten Männer tragen gestreifte Krawatten, und das sieht unendlich langweilig aus. Wenn man nun eine Krawatte nimmt und plissiert, dann laufen die Streifen plötzlich hin und her, und das sieht schon geschmackvoller aus. Man kann bei Krawatten auch Seide, Wolle oder Trikotstoff mit einbeziehen. Da habe ich viele Ideen. Einzige Voraussetzung: Ich darf mich bei der Arbeit nicht langweilen.

Färben Sie Stoffe auch selbst?

Mehler: Ich habe Kurse im Färben bei Heide Stoll-Weber in Frankfurt gemacht. Ich löse Procion-Farbpulver auf und knete es in zuvor in Soda-Lösung behandelte Stoffe. Das Ergebnis lässt sich nie genau voraussagen und ist immer eine Überraschung.

Mit welchen Themen beschäftigen Sie sich in Ihren Werken?

Mehler: Die Natur ist mein großes Thema. Seit 2010 wohne ich im Mannheimer Collini-Center im 15. Stock, und der Ausblick von meinem Balkon ist für mich eine große Inspirationsquelle. Fast immer schlängelt sich ein Fluss durch meine Quiltlandschaften, und ich beobachte sehr genau, wie sich die Natur im Wandel der Jahreszeiten verändert. Manchmal mache ich aber auch verrückte Dinge. Einmal habe ich einen Regenbogen gequiltet, der im Zickzack verlief und Teile von sich abwarf. Und in jüngster Zeit habe ich mich an etwas Dreidimensionales gewagt. Vor Jahren habe ich mir einen Mohairmantel gestrickt, den ich irgendwann nicht mehr mochte. Ich habe ihn in der Waschmaschine verfilzt und ein Gebirge daraus entworfen. Dem Quilt gab ich den Titel „Mon Mont Manteau“, und er tourt derzeit im Rahmen des Wettbewerbes „artextures“ durch verschiedene Museen in Frankreich. Seine nächste Station wird Paris sein, und das freut mich natürlich ganz besonders.

Sie haben in den vergangenen Jahrzehnten vielfach ausgestellt und auch Wettbewerbe gewonnen. Können Sie einen kurzen Überblick geben?

Mehler: Alles begann 1997 in Heidelberg, als ich bei der Triennale mit meinem Quilt „Schneckenschnickschnack“ in der Textilsammlung Max Berk in Ziegelhausen angenommen wurde. Es folgte 2000 meine erste große Ausstellung in der Hühnerfautei Schönau, dann weitere in Feudenheim, der Galerie Kreuzer in Amorbach, der Galerie Artgerecht in Eberbach, vielfach im Alten Bahnhof in Neulußheim und zuletzt in Berlin.

Das war vor neun Jahren, also 2016, bei der „Textile Art Berlin“, nicht wahr?

Mehler: Genau. Dort wurde eine Retrospektive meiner Arbeiten gezeigt. 30 Quilts habe ich ausgestellt, was toll war, aber auch viel Arbeit und Geld kostete, weil ich die Quilts per Post verschicken musste.

Dann haben Sie auch einen Preis gewonnen. . .

Mehler: 2010 erhielt ich in Japan für den Quilt „My way through“ den „Quilters Newsletter Preis“. Da im selben Jahr der Atomunfall in Japan passierte, ließ ich den Quilt verkaufen und den Erlös den Opfern zukommen. Die Zeitschrift Vogue ersteigerte ihn und hängte ihn in ihrem Foyer in Tokyo auf.

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