Geschäfte mit Geschichte (Teil 1)

Friseur Braun - 103 Jahre lang eine Institution in Oftersheim

In der Mannheimer Straße 30 in Oftersheim prägen drei Generationen die Frisuren der Hardtgemeinde als Spiegelbild ihrer jeweiligen Zeit. Das ist ihre Geschichte.

Von 
Benjamin Jungbluth
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Siegfried und Kerstin Braun in ihrer Wohnung in Speyer vor alten Familienbildern: Beide haben in dritter Generation das Friseurhandwerk in Oftersheim über viele Jahrzehnte geprägt. © Benjamin Jungbluth

Oftersheim. Genau zehn Jahre ist es her, dass mit Friseurmeister Siegfried Braun eine lange Tradition des Oftersheimer Geschäftslebens endete: 2015 gab der Weltpokalsieger, mehrfache Landesmeister und Preisträger nationaler wie internationaler Frisuren-Wettbewerbe seinen Salon in der Mannheimer Straße 30 auf – nach 51 eigenen Berufsjahren und in dritter Generation mit zusammen 103 Jahren Friseurhandwerk mitten im Ortskern.

Heute genießt der Ur-Oftersheimer mit seiner Frau Kerstin seinen verdienten Ruhestand in Speyer, doch die Hardtgemeinde trägt er weiterhin im Herzen, wie er im Gespräch mit unserer Zeitung erzählt. „Ich bin immer noch mehrfach die Woche zu Besuch, treffe alte Freunde oder mache Erledigungen. Oftersheim ist und bleibt einfach meine Heimat“, sagt Braun mit einem Lächeln.

Siegfried Braun (l.) frisiert 1966 mit seinem Vater Hugo einen Darsteller des großen Jubiläums-Umzuges zum 1.200 Geburtstag von Oftersheim. © Privat

Die tiefe Verbundenheit ist auch in der langen Tradition seiner Familie begründet: 1912 eröffnete Siegfried Brauns Großvater Eduard den Friseurbetrieb im selbstgebauten Haus, in dem dann ab 1948 sein Sohn Hugo und schließlich ab 1971 sein Enkel Siegfried übernahmen. „Mein Großvater hatte dabei noch etwas andere Schwerpunkte: Er war ein reiner Herrenfriseur, wobei immer mittwochs und samstags ausschließlich rasiert wurde. Das konnte man seinerzeit ja noch kaum selbst machen, weil es erst ab den 1930er-Jahren die ersten modernen Rasierer gab. Also war es für viele Männer üblich, dafür zweimal die Woche zum Friseur zu gehen“, erzählt Braun.

Großvater mit Bienenzucht im Nebenberuf

Zwar konnte Eduard Braun schon hauptberuflich von seinem Handwerk leben, was damals gerade im ländlichen Raum keine Selbstverständlichkeit war. Dennoch hatte er einen cleveren Nebenverdienst, um die lange Zeit grassierende Inflation etwas abzuflachen. Aus einem Hobby heraus betreute er 40 Bienenvölker, die er zusammen mit einem Nachbarn und dessen Auto nach Gernsbach im Nordschwarzwald brachte.

So sah es ab 1981 im Damen-Salon Braun für viele Jahre aus. Ehefrau Kerstin kam im Jahre 1987 dazu, genau zum 75-jährigen Jubiläum des Geschäftes. © Privat

Dort platzierte er die Bienenstöcke auf Waagen und ließ seine kleinen Tierchen ihre Arbeit machen. „Per Postkarte gaben ihm dann die Einheimischen immer wieder die angezeigten Gewichte durch. So wusste er, wann genug Honig erzeugt war und er den damals mühseligen Weg wieder auf sich nehmen konnte, um das wertvolle Naturprodukt vor allem in Oftersheim zu verkaufen“, berichtet Siegfried Braun.

Nun auch ein Damensalon in Oftersheim: Dritte Generation nach Umbau am Start

Sein Vater Hugo wiederum übernahm den Salon, nachdem er aus US-amerikanischer Kriegsgefangenschaft zurückgekehrt war. Dabei lernte er Siegfrieds Mutter Lore kennen – diese war Lehrling im noch großväterlichen Betrieb gewesen. 1949 folgte die Heirat und ein Jahr später kam mit Siegfried Braun die dritte Friseurgeneration zur Welt. Bevor diese allerdings an der Reihe war, bauten seine Eltern das Geschäft gemeinsam weiter aus.

Das Geschäft zu Beginn. Standort war all die Jahre das Eckhaus in der Mannheimer Straße 30. © Privat

Bereits während des Zweiten Weltkriegs war ein Damensalon hinzugekommen, den nun Lore übernahm. Zwar befanden sich beide Bereiche im selben Haus, aber bis zuletzt waren sie räumlich getrennt. Die Gespräche der beiden Geschlechter seien doch immer recht unterschiedlich gewesen und jeder lieber unter sich geblieben, erklärt Siegfried Braun mit einem Augenzwinkern.

Oftersheimer Friseur gewann in fast zehn Jahren etliche Preise und Pokale

Er selbst trat schon früh in die Fußstapfen seiner Familie, ging mit 14 bei seinem Vater in die Lehre und professionalisierte das Handwerk weiter. Von 1968 bis 1976 widmete er sich mit großem Erfolg dem Preisfrisieren, was ihm auch später noch einige prominente Kunden aus der Region sicherte. Seinen größten Gewinn errang er aber, als er dabei seine spätere Frau Kerstin kennenlernte: Als amtierende bayerische Landesmeisterin im Damenfach und ebenfalls in dritter Generation einer Friseurfamilie war die Begeisterung für das gemeinsame Handwerk sofort vorhanden.

Der Herrenbereich im Salon Braun nach der ersten großen Renovierung 1976. An der Wand zahlreiche Pokale von Siegfried Braun. © Privat

„Ich bin in Leipzig geboren, dann aber als Kind mit meinen Eltern aus der DDR nach Nürnberg übergesiedelt. Der finale Schritt nach Oftersheim war zwar eine Umgewöhnung, aber durch meinen Mann habe ich hier schnell eine neue Heimat gefunden“, erzählt Kerstin Braun, die bald schon den Damensalon leitete und modernisierte. Zuvor erfolgte bereits 1976 der große Umbau des Geschäfts und Siegfried Braun beendete seine zeitraubende Karriere bei Wettbewerben. „Ich habe diese Profession noch lange als Juror begleitet und mir mit dem Stylen und Fotografieren für Fachzeitschriften ein ähnliches, aber etwas ruhigeres Hobby zugelegt“, sagt Siegfried Braun.

Siegfried Braun im Jahr 1973 mit einem weiteren Pokal für seine große Sammlung. © Privat

Oftersheimer Friseur Braun hat insgesamt rund 150.000 Menschen den Kopf frisiert

Mit der Geburt der beiden Töchter Verena und Anja verschob sich sein Fokus noch stärker ins Private. Trotz der engen Verbundenheit mit der besonderen und letztlich 103 Jahre währenden Familiengeschichte schlugen die Töchter schließlich als Lehrerinnen eigene Wege ein – durchaus zum Verständnis ihrer Eltern.

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„Einen Familienbetrieb zu führen, ist heute wohl schwieriger denn je. Zum einen legen viele Menschen nur noch wenig Wert auf Qualität und Handwerk, zum anderen fehlt mittlerweile in der Branche auch oft eine profunde Basisausbildung“, sagt Siegfried Braun, der rund 150.000 Köpfe frisiert und 42 Auszubildende auf ihrem Weg zum Friseur begleitet hat. „Inzwischen dominieren in vielen Städten die Kettenfilialen und Barbershops. So ändern sich eben die Zeiten – und mit ihnen die alten Geschäfte des Alltags.“

Freier Autor Freier Journalist für die Region Heidelberg, Mannheim und Rhein-Neckar. Zuvor Redakteur bei der Schwetzinger Zeitung, davor Volontariat beim Mannheimer Morgen. Neben dem Studium freie Mitarbeit und Praktika u.a. beim Mannheimer Morgen, der Süddeutschen Zeitung, dem SWR und der Heidelberger Studentenzeitung ruprecht.

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