Oftersheim. Die Kermesbeere treibt in den hiesigen Wäldern ihr Unwesen. Das ist lange bekannt, doch sie aufzuhalten ist schwierig. So breitet sie sich schnell aus - ganz besonders auch um Oftersheim - und setzt anderen Pflanzen dabei gehörig zu.
Die Aktionsgemeinschaft Hardtwald hat nun für das laufende Jahr in ihren Kampf gegen die Kermesbeere gestartet. Auch die Mitarbeiter von Forst BW, die für den Staatswald in Baden-Württemberg verantwortlich sind, haben mit dem Gewächs alle Hände voll zu tun. Deshalb haben wir bei Martin Borowski, tätig für den Forstbezirk Hardtwald, nachgefragt, was es mit der Kermesbeere genau auf sich hat und wie überhaupt die Aussichten stehen, etwas gegen die Pflanze auszurichten.
Um was für eine Pflanze handelt es sich bei der Kermesbeere?
Auf verschiedenen Kontinenten gibt es eine Vielzahl unterschiedlicher Kermesbeeren-Arten. Eine davon ist die Amerikanische Kermesbeere (botanischer Name Phytolacca americana). Schon im 17. Jahrhundert wurde die Amerikanische Kermesbeere aus ihrer ursprünglichen Heimat in Nordamerika als Zierpflanze für Gärten nach Europa eingeführt. Sie gehört deshalb zu den sogenannten Neophyten. Als Neophyten bezeichnet man gebietsfremde Pflanzenarten, die nach 1492 (Entdeckung Amerikas) durch menschliches Zutun in ein ursprünglich von der Art nicht besiedeltes Gebiet eingeführt wurden. Die Amerikanische Kermesbeere ist neben ihrer ursprünglichen Heimat mittlerweile in Europa, Asien, Afrika und Australien anzutreffen.
Woran erkennt man die Kermesbeere?
Die Amerikanische Kermesbeere ist eine mehrjährige krautige Pflanze. Sie überdauert den Winter als Rübe im Boden und beginnt Anfang März mit der Keimung. Mehrjährige Exemplare können mehr als zehn Sprosse ausbilden. Die Blüte beginnt ab Mai. Ein wesentliches Erkennungsmerkmal der Amerikanischen Kermesbeere sind die anfangs stehenden, später herabhängenden Blütenstände mit durchschnittlich 80 weißen Blüten. Aus diesen entwickeln sich die später sehr dunklen Beeren. Sehr auffällig ist, dass die kräftig grünen Sprosse während der Fruchtreife ihre Farbe hin zu einem intensiven Rosa verändern. Die Sprosse und Blätter beginnen im Herbst zu welken, spätestens mit den ersten Nachtfrösten zerfällt die oberirdische Biomasse der Kermesbeere.
Wieso ist sie für den Wald so problematisch?
Die Amerikanische Kermesbeere ist im Hardtwald eine sehr konkurrenzstarke Pflanze. Sie kann über drei Meter groß werden. Wegen ihrer lediglich geringen Ansprüche an die Licht- und Nährstoffversorgung sowie ihr rasantes Wachstum ist es ihr möglich, sich gegen die Arten der heimischen Flora durchzusetzen. Zudem gibt es Hinweise, dass sie in der Lage ist, das Wachstum anderer Pflanzen in ihrer unmittelbaren Nachbarschaft zu hemmen, also die sogenannte Allelopathie zu betreiben. Problematisch an der Amerikanischen Kermesbeere ist, dass sie die heimische Vegetation verdrängt und über die Jahre dschungelartig wirkende Reinbestände ausbilden kann. Sie wird deshalb auch als invasiver Neophyt bezeichnet. Besonders problematisch ist dies für die empfindlichen Lichtwaldbiotope in der Schwetzinger Hardt.
Wie breitet sie sich so schnell aus?
Die Amerikanische Kermesbeere produziert jedes Jahr riesige Mengen an Samen. Ein ausgewachsener Spross kann bis zu 32 000 Samen tragen, was hochgerechnet für einen mehrjährigen, dichten Kermesbeerenbestand etwa 64 Millionen Samen oder 500 Liter pro Hektar bedeutet. Die Beeren der Kermesbeere werden gerne von Vögeln gefressen, weshalb die Samen sich schnell verbreiten. Als Hinweis: Die Kermesbeere ist für den Menschen giftig, sodass man sie nicht verzehren sollte.
Wie sehr ist sie im Hardtwald bereits verbreitet?
In Deutschland ist das Oberrheintal der Verbreitungsschwerpunkt der Amerikanischen Kermesbeere. Sie kommt auch linksrheinisch in der Pfalz und in Hessen vor. Im Hardtwald ist sie mittlerweile flächig verbreitet. Selbst wenn sie nicht unmittelbar sichtbar ist, ist anzunehmen, dass im Waldboden schon von Vögeln verbreitete Samen vorhanden sind. Die Samen können Jahrzehnte im Boden schlummern und treiben aus, sobald sich für die Pflanze geeignete Bedingungen bieten. Auch die sehr lange Keimfähigkeit ist ein Erfolgsfaktor der Kermesbeere.
Wird die Kermesbeere den Wald durch ihre Ausbreitung nachhaltig schädigen?
Die Kermesbeere verändert das Gefüge der Arten im Hardtwald durch ihre Durchsetzungsfähigkeit und Konkurrenzkraft. Es wäre viel schöner, sie hätte sich nicht etablieren und so stark ausbreiten können. Allerdings ist sie nun einmal da und man muss mit ihr umgehen.
Kann man sie komplett loswerden, sobald sie sich einmal verbreitet hat?
Die Kermesbeere ist im Hardtwald mittlerweile so etabliert, dass sie nicht mehr komplett entfernt werden kann. Sie reiht sich in eine lange Liste von Arten von Tieren, Pflanzen, Pilzen und anderen ein, die von ihrem ursprünglichen Lebensraum in neue Lebensräume gebracht wurden und sich dort erfolgreich (invasiv) ausbreiten konnten und bei denen ein vollständiges Zurückdrängen nicht mehr möglich ist. Lernen kann man daraus: „Wehret den Anfängen.“ Dort, wo sie bis jetzt nur vereinzelt auftritt, kann man reagieren, um eine dauerhafte, unumkehrbare Etablierung zu verhindern.
Was wird gegen die Ausbreitung im Hardtwald getan?
Im Hardtwald wird die Amerikanische Kermesbeere zum Beispiel auf Pflanzflächen zurückgedrängt, wo sie die ausgebrachten Baumsetzlinge zu überwachsen droht. Außerdem wird in Naturschutzflächen gegen sie vorgegangen. Dies geschieht in aufwendiger Handarbeit, bei der in der Schwetzinger Hardt dankenswerterweise Freiwillige unterstützen. Das Zurückdrängen auf der vollen Fläche des Hardtwaldes ist nicht mehr möglich. Stichwort Sisyphusarbeit.
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