Oftersheim. Es wurde gespielt, getanzt, gerätselt und Geschichten zugehört. Vergnüglicher und kurzweiliger hätte es bei der Veranstaltung des Landtagsvizepräsidenten Daniel Born (SPD) zur Woche der Kinderrechte kaum zugehen können. Spielerisch entdeckten die rund 20 Kinder die Welt der Rechte, deren Entwicklung alles andere als spielerisch und vergnüglich anmutet.
Im Gegenteil, für den Gedanken, dass der Mensch kein Untertan, sondern ein Bürger mit unveräußerlichen Rechten sei, wurde die vergangenen 300 Jahre unerbittlich gekämpft. Einer der Höhepunkte dieses Kampfes, so Born, war die UN-Konvention über die Rechte des Kindes, die 1989 verabschiedet wurde. Und dies im Vergleich zu früheren Zeiten zum Glück sehr friedlich und fast einstimmig.
Aufklärung und Entwicklung der Kinderrechte
Nicht ganz so friedlich und alles andere als einstimmig verlief dieser Prozess in Deutschland. Nach den Verheerungen der Glaubenskriege und des Absolutismus im Barock, machten sich Frühaufklärer wie Christian Thomasius (1655 bis 1728) und Christian Wolf (1679 bis 1754) auf, um aus dem Menschen als Objekt der Macht ein Subjekt mit Rechten zu machen. Sie selber standen auf den Schultern von Denkern wie Thomas Hobbes (1588 bis 1679), René Descartes (1596 bis 1650) und Baruch Spinoza (1623 bis 1677).
Es war ein mühevoller Kampf, voller Rückschläge, der in vielen Teilen der Welt bis heute immer wieder neu geführt werden muss. Eine der vordersten Frontlinien ist dabei das Bewusstsein des Einzelnen für diese ihm innewohnenden Rechte. Und genau hier setzte die Veranstaltung im evangelischen Gemeindehaus an. Und dass, so viel vorab, sehr gekonnt.
Es war sehr spannend zu sehen, was die Kinder für Fragen stellten und wie sie schon sehr genau zwischen Recht und Unrecht unterscheiden konnten. Sie sich also durchaus bewusst waren, dass sie Rechte hatten, die aber auch mit Pflichten einhergehen. Mit im Boot hatte Born den Leiter des Unicef-Büros Heidelberg, Klaas Uphoff, die beiden Pfarrer Uwe Lüttinger (katholisch) sowie Dr. Simon Layer (evangelisch), die Musikpädagogin Vivian Kürbis, den Leiter des Jugendzentrums Oftersheim, Sebastian Längerer und den SPD-Gemeinderat Jens Rüttinger.
Geschichten, Lieder und Workshop für die Kinder in Oftersheim
Mit Geschichten, Liedern und einem kleinen Workshop kreisten sie mit den Kindern um das Recht, und das immer auch in Abgrenzung zum Unrecht. Auf die Frage Längerers, ob es denn erlaubt sei, von einem fremden Tisch Essen zu nehmen, entspannte sich ein spannender Dialog. Einige Kinder waren überzeugt davon, dass es auf gar keinen Fall erlaubt sei, außer man frage jemand. Wenn aber niemand da sei und man enormen Hunger habe, könnte eine Ausnahme greifen. Immerhin, so ein Mädchen, könne ja Lebensgefahr bestehen. Verhungern, so sagte sie sehr klar, sei ein Unrecht. Und eine andere Gruppe erklärte, dass man ganz wenig nehmen dürfe.
Nicht gewusst haben sie, dass seit 1989 die UN-Kinderrechtskonvention mit ihren 42 Artikel geltendes Recht ist. Dabei geht es unter anderem um Recht auf Gesundheit, Bildung, Spiel und Freizeit, Essen, Schutz vor Gewalt, Schutz vor wirtschaftlicher und sexueller Ausbeutung, elterliche Fürsorge und vieles mehr. Dabei betonten Born und Uphoff, dass in Deutschland schon viel erreicht sei. „Aber noch lange nicht genug.“
Ein Skandal sei es, so die beiden Männer, dass gerade in Deutschland der Bildungserfolg nach wie vor stark vom Elternhaus abhänge. Mal abgesehen davon, dass es dem Geist der Kinderrechtskonvention widerspreche, schade es Deutschlands Entwicklung auf allen nur vorstellbaren Ebenen massiv.
Die Kinder legten ihren Schwerpunkt bei der Bildungsfrage etwas anders. Das Recht auf Bildung stieß jedenfalls nicht überall auf Begeisterung. Man müsste den Artikel mit dem Recht auf Bildung mindestens um den Passus „Recht auf mehr Pausen“ ergänzen, so die Meinung.
Kinderbuch erklärt Demokratie und Rechte
Dass das mit den Rechten manchmal schwierig ist, verdeutlichten auch die beiden Pfarrer mit ihren Büchern „Ich bin für mich“ und „Jetzt bestimme ich“. Bei letzterem wird in Frage gestellt, warum Mama und Papa immer bestimmen dürfen. Und gezeigt, wenn dem nicht mehr so ist. Ein geniales Kinderbuch, das nebenbei erklärt, wie Demokratie funktioniert oder eben nicht funktioniert.
Auch beim Singen ging es immer wieder darum, dass alle verschieden sind, aber am Ende etwas Gemeinsames rauskommen muss. Auch bei Rechten muss manchmal gemeinsam abgewogen und ein Kompromiss gefunden werden, um Chaos zu vermeiden.
Knapp über zwei Stunden ging der Aktionsvormittag und es ist nicht übertrieben davon auszugehen, dass die frühaufklärerischen Vordenker Thomasius und Wolf sehr zufrieden auf diese Veranstaltung geschaut hätten. Eine Veranstaltung, die übrigens auch bei Erwachsenen die Sinne für das Recht und seine fundamentale Bedeutung für eine funktionierende Demokratie schärften.
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