Oftersheim. „Eltern in deren wohl schwersten Stunden beizustehen und ihnen durch meine Bilder ein Geschenk, das wertvoller nicht sein könnte, machen zu dürfen, erfüllt mich mit Zufriedenheit, Stolz und Demut gleichermaßen.“ Die Frage danach, warum sich Oliver Kostak aus Oftersheim dazu entschieden hat, für die Stiftung „Dein Sternenkind“ Babys zu fotografieren, die während oder kurz nach ihrer Geburt versterben, stellt sich nach diesem einleitenden Zitat kaum noch.
Wie viel dem 59-Jährigen diese – vollständig ehrenamtliche – Arbeit persönlich bedeutet, merkt man im Gespräch mit ihm zu jeder Sekunde. Dass er dabei sehr gefasst wirkt, ist keinesfalls ein Zeichen von Empathielosigkeit, es ist viel mehr die Eigenschaft, die ihn überhaupt zu dieser schweren und doch so wichtigen Aufgabe befähigt.
Kostak ist seit Mai 2019 im Auftrag der Stiftung tätig. Seitdem hat er 242 Sternenkinder fotografiert, ursprünglich in einem Einzugsgebiet, das sich zwischen den Eckpfeilern Saarbrücken, Frankfurt am Main und Freiburg erstreckte. Seit gut zwei Jahren ist er regionaler unterwegs. Schon kurz nach dem Gespräch mit der Zeitung bricht er auf, um einen weiteren Auftrag zu erfüllen, diesmal in Speyer. Doch was veranlasst einen Menschen dazu, der Gesellschaft, den Mitmenschen, ausgerechnet auf diese Weise etwas zurückzugeben – und wie geht man damit um?
Oftersheimer fotografiert 242 Sternenkinder seit 2019
Der Reihe nach. Oliver Kostak hat eine Schwerbehinderung, die man äußerlich nicht sieht, eine rheumatische Erkrankung. „Dadurch habe ich unheimliche Probleme am Arbeitsplatz“, erläutert er den Kontext. 2019, zu einer Zeit, als er wegen daraus resultierender Depressionen länger zu Hause war, sei seine Ehefrau darauf gestoßen, dass die Stiftung ehrenamtliche Fotografen suche. „Ich habe mich beworben und wurde genommen. Aber der Prozess dauert zwei Tage, nicht jeder kann das machen“, erklärt er weiter.
Die Stiftung achte zunächst auch auf die Ausrüstung der Bewerber, die in den meisten Fällen nur Hobbyfotografen seien oder nebenher ein Gewerbe haben, so wie Kostak selbst. „Man muss außerdem ein Portfolio einreichen. Da wird besonders darauf geachtet, wie man Personen ohne Blitz fotografiert, was eine Vorgabe für die Einsätze ist.“
Seitdem bekommt der Oftersheimer Aufträge für „Dein Sternenkind“. Oft stammen die von den Kliniken, in denen die Kinder zur Welt kommen – immer nur mit dem expliziten Okay der Eltern. „Manche wissen schon vor der Geburt, dass ihr Kind nicht überleben wird, dann kann es sein, dass die Anfrage von den Eltern kommt“, berichtet Kostak. Das sei allerdings selten – viele wüssten gar nichts von dem Angebot. Aus seiner Sicht liegt das daran, dass es sich immer noch um ein Tabuthema handele. „Das ist schade. Wenn ich mit den Eltern ins Gespräch komme, sage ich ihnen oft, dass sie mit diesem Schicksal nicht alleine sind und dass es guttut, sich zu trauen, darüber zu reden. Denn leider sind diese Fälle häufiger, als man denkt, nur weiß man nichts davon.“
Trauerbewältigung für die Eltern
Letztlich sei das Reden eine Form der Trauerbewältigung, findet Oliver Kostak. Und das sollen auch seine Bilder für die Eltern sein. Dementsprechend erfordert das Ehrenamt großes Fingerspitzengefühl um Auftreten bei den Aufträgen. Seine Methode hat der Fotograf gefunden: „Die Einsätze sind immer unterschiedlich. Ich gehe grundsätzlich so in den Raum, wie ich bin, und trage keine Trauer hinein. Ich stelle mich vor und rede mit den Eltern, versuche direkt, mit ihnen per Du zu sein. Es geht in diesem Moment noch nicht um Trauerbewältigung von meiner Seite. Ganz normal mit ihnen zu sprechen, kommt am besten bei den Eltern an. Trauer und Beileid bekommen sie von Familienmitgliedern schon.“
Kontakt zu den Eltern hat der 59-Jährige im Nachgang nur noch selten. „Das sind vielleicht fünf bis zehn Prozent der Fälle“, sagt er. „Allerdings haben mich schon Paare, die später ein gesundes Kind bekommen haben, gefragt, ob ich es für sie fotografieren würde. Was ich natürlich getan habe.“ Kinder von Eltern, die zuvor ein Sternenkind bekommen haben, nennt man Regenbogenkinder.
Für das Ehrenamt des Oftersheimers braucht es Empathie
Dass für eine solche Aufgabe nicht jeder geeignet ist, ist Oliver Kostak bewusst. „Es gibt Fotografen, die ein bis zwei Einsätze gemacht und gemerkt haben, dass sie es nicht können.“ Es gibt also gewisse Voraussetzungen, die man mitbringen muss, um für dieses Ehrenamt gewappnet zu sein. „Man muss innerlich stark sein“, findet der Oftersheimer. „Und man muss ein empathischer Mensch sein und braucht Taktgefühl. Ohne geht es nicht.“
Dazu gehört auch, die eigenen Worte gegenüber den Betroffenen mit Bedacht zu wählen, so Kostak: „Es gibt Sätze, die im Freundeskreis der Eltern oft fallen wie zum Beispiel ,Dass ihr ein Kind verloren habt, ist doch nicht so schlimm, ihr seid ja noch jung’.“ Das sei das Schlimmste, was man angesichts der Trauer der Eltern sagen könne.
Dieses Leid, dem man in Kostaks Rolle regelmäßig gegenübersteht, geht nicht spurlos an einem Menschen vorüber, auch wenn er die Emotionen mittlerweile nicht mehr als Belastung mit nach Hause nimmt, wie er selbst sagt. „Im ersten Jahr habe ich viel mit meiner Frau über das gesprochen, was ich erlebt habe. Doch inzwischen komme ich sehr gut damit klar.“
Eine andere Perspektive auf das eigene Leben
Auch hier ist im Gespräch offensichtlich, dass sich der Oftersheimer aber nicht emotional von dem distanziert, was ihm auf den Einsätzen begegnet. „Die Probleme, die ich persönlich habe, kann ich dadurch besser einordnen. Ich sehe, dass das, womit ich zu kämpfen habe, nicht so weltbewegend ist und kann darüber eigentlich nur noch lächeln. Mein Ehrenamt ehrt das, was die Eltern durchmachen. Und so ist es im Laufe der Jahre für mich zu einer Herzensaufgabe geworden. Es ist vielleicht ein komischer Satz, aber ich sage immer, dass es guttut, Gutes zu tun.“
Die Arbeit des 59-Jährigen für die Stiftung ist tatsächlich vollständig ehrenamtlich, die Fotografen zahlen auch ihre Spritkosten selbst, um zu den Einsätzen zu kommen. „Dein Sternenkind“ finanziert sich indes über Spenden, die zum Beispiel in Flugblätter investiert werden, um das Angebot einer breiteren Öffentlichkeit vorzustellen. Da sieht Kostak auch die Möglichkeit für Menschen, die sich die Arbeit bei der Stiftung selbst nicht zutrauen würden, aber helfen wollen: spenden.
Auch außerhalb der Einsätze engagiert sich der Oftersheimer mittlerweile für „Dein Sternenkind“. Am Sonntag, 11. Februar, gibt er in Mannheim-Feudenheim erstmals einen Kurs für Fotografen, die das Gleiche tun wollen wie er. Die genauen Informationen dazu sollen sich bald auf der „Dein Sternenkind“-Website und der Facebook-Seite der Stiftung finden, sagt er.
Letztlich gehe es bei all diesen Bemühungen darum, den Eltern etwas zu ermöglichen, das ihre Trauer wertschätzt und ihr Erlebnis würdigt. Oliver Kostak ist es wichtig, ihnen mit seinen Bildern etwas zurückzugeben. „Erinnerungen verblassen“, weiß er. „Aber das Kind auf dem Bild, das bleibt.“
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