Blick in die Geschichte – Teil 1

Als das Tischtuch bei der Kerwe in Plankstadt zur Fahne wurde

Viele beliebte Traditionen haben sich im Lauf der Zeit verändert oder sind ganz auf der Strecke geblieben: Vom Gänsemarsch über die Kerweschlumpel bis hin zum "weltlichen Feiertag".

Von 
Ulrich Kobelke
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Adler-Wirt Karl Treiber (Mitte mit Gans) und zwei Kellner an der Spitze des Zuges durch Plankstadt. Hinter ihnen wird ein zur Fahne umfunktioniertes Tischtuch der Gaststätte durch die Gemeinde getragen. © Gemeindearchiv/Kobelke

Plankstadt. Bekannt sind in Plankstadt eigentlich nur zwei überlieferte Traditionen: Zum einen natürlich die Kerweschlumpel, eine ausgestopfte Puppe, die früher am Freitagabend feierlich mit Fackeln begleitet am Bahnhof vom Spielmannszug der Feuerwehr abgeholt und am Gasthof Adler in luftiger Höhe auf dem Wirtshausschild inthronisiert wurde. Dort verblieb sie bis zum Kerwemontag, an dem sie dann von den „Kerwemontags-Frühschöpplern“ abgenommen und am späten Abend außerhalb des Ortes verbrannt wurde – bis zu ihrer Wiedererweckung im nächsten Jahr. Dass die Kerweschlumpel immer weiblich ist, könnte heute von Feministinnen in Zeiten der Political Correctness und der Gleichberechtigung kontrovers diskutiert werden.

Man kannte auch früher nur eine Schlumpel, erst viel später hatte dann fast jede Wirtschaft eine eigene – wo eben Kerwe gefeiert wurde. Die Namen weisen dabei auf die jeweilige Residenz hin: „Adlerette, Rössellinde, Mehrzweckhallenorschel, Feldwanzenorschel, Caffine, Roadiesliesel“ und ähnliche Bezeichnungen. Durch das Sterben und den Rückgang der Gaststätten konnte sich auch diese Tradition nicht halten. Heute thront die Kerweschlumpel am Rathaus. Wie bei den Maibäumen gab es natürlich auch bei den Kerweschlumpeln den Brauch, dass diese von auswärtigen (vorzugsweise Eppelheimer oder Oftersheimer) Burschen heimlich gestohlen und erst durch eine zünftige Bierspende wieder ausgelöst wurde.

Plänkschder Kerwe einst mit "Gänsemarsch"

Der Marsch „Dem Adlerwerd sei Gäns“ entstand im Gasthof Adler. Übrigens war früher niemals von einem „Gänsemarsch“ die Rede, da die Teilnehmer ja nicht einzeln hintereinander herliefen, wie auf alten Fotos zu sehen ist. Der Marsch bezog sich also nur auf die reale Gans. Die mitgeführte Fahne war ein Tischtuch aus dem Adler und musikalisch wurde der Zug begleitet von den Musikern (meist Mitglieder des Musikvereins oder der Feuerwehrkapelle), die eben mit ihrem Instrument gerade vor Ort waren.

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Auf dem Foto sehen wir den Zug an der sogenannten Spinne, der Kreuzung Viehweg, Grenzhofer- Wieblinger Weg und Ladenburger Straße, die Bgm.-Helmling-Straße ist neueren Datums. Der Marschweg führte vom Adler in der Schwetzinger Straße, dann durch die Wilhelmstraße, den Viehweg, in die Ladenburger Straße und zurück durch die Schwetzinger Straße zum Adler, wo weitergefeiert wurde.

Kerwemontag in Plankstadt als "weltlicher Feiertag"

Man hört immer, dass der Kerwemontag früher bei uns der „höchste weltliche Feiertag“ war. Wer konnte, nahm sich an diesem Tag Urlaub, denn Dabeisein war alles. Das gibt der Arbeitsmarkt in der heutigen Zeit oftmals nicht mehr her. Frauen waren bei diesen Treffen damals noch nicht zu sehen, heute treffen sich auch Frauenrunden zur Feier des Kerwemontags – heute muss man schon schauen, ob es überhaupt noch genügend Wirtschaften zum Feiern gibt.

Im Zuge der Gleichberechtigung sehr verständlich, denn welche Ehefrau möchte den Kerwemontag schon geduldig daheim abwarten, bis der Angetraute am späten Nachmittag oder gar erst am Abend mehr oder weniger betrunken nach Hause gewankt kommt. Eine Rolle spielt auch das völlig veränderte Freizeitverhalten in unseren Tagen.

Vergnügungspark in Plankstadt früher nur zum anschauen

Geblieben ist selbstverständlich auch der Vergnügungspark für die jungen Plänkschder, eben auch mit den Veränderungen im Laufe der Zeit. Dass Kinder von ihren Paten zur Kerwe mit einem sogenannten „Kerwe-Kreuzer“ bedacht werden, hat sich wohl auch gehalten – allerdings würden Kinder bei den heutigen Preisen mit einem Kreuzer nicht weit kommen.

Bei der Kerwe – hier ein Archivbild von 2018 - wird heutzutage jährlich für Rummelplatzspaß gesorgt. © Jungbluth

Überhaupt verfügten die Menschen früherer Zeiten ja auch nicht über viel Geld. Verbürgt ist folgende Episode aus der Zeit, als „die Kerwe“, also der Vergnügungspark, auf dem Rathausplatz stattfand: Ein Familienvater nahm seine Kinder mit an die Ecke und zeigte den Kindern „die Kerwe“ aus einiger Entfernung. Mit dieser rein optischen Kerwe endete für die Kinder auch schon das Vergnügen! Andere Zeiten – andere Sitten.

„Appeldoate“ nicht vergessen!

Ein Rückgang der alten Traditionen kann zwar im Laufe der Zeit festgestellt werden, auch ändern sich vielleicht gewisse Formen – aber die Tradition aufgeben, das kommt für die Plänkschder auch heute nicht in Frage.

Natürlich gehörte auch der Kerweputz zu den überlieferten Traditionen. Nahte der Kerwetermin, begann in vielen Häusern eine rege Geschäftigkeit, berichtet die Schwetzinger Zeitung in einem Artikel aus dem Jahr 1950. Überall sah man die Hausfrauen, oft auch unterstützt von ihren Männern, wie sie nicht das Innere des Hauses, sondern auch die Fassaden der Häuser einer Reinigung unterzogen. Dazu gab es auch einen besonderen Braten, vielleicht auch mal einen Hasen aus dem eigenen Stall.

Und gebacken wurde zur Kerwezeit sowieso – mehrere Kuchen, darunter neben Linzertorten auch die obligatorische Spezialität „Plänkschder Appeldoate“, die viele heute gar nicht mehr kennen. Zur Kerwe rückte die Verwandtschaft an und da wollte man ja schließlich keinen schlechten Eindruck hinterlassen.

Freier Autor

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