Blick in die Geschichte (Teil 2)

Als es in Plankstadt den Begriff „Wochenende“ noch nicht gab

Im Vorfeld der Kerwe in Plankstadt geht’s auch um die Festlegung des Feiertermins samt einer folgenschweren Verwechslung. Es gibt einiges über die Geschichte der Plankstadter Kerwe zu berichten.

Von 
Ulrich Kobelke
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Auch das ist Tradition: 2005 werden die Kerweschlumpeln getauft – und zwar mit Bier. © Kobelke

Plankstadt. In Plankstadt gehört die Kerwe zu den beliebten Volksfesten – und das seit Generationen. Vom 14. bis 17. Oktober ist es wieder soweit: Dann feiert die Gemeinde. Wir blicken in die Geschichte und ergänzen die Ausführungen vom 17. September (Erscheintag von Teil 1).

Die Plankstadter Kerwe findet am dritten Oktober-Sonntag statt, doch warum?

Wie kam es nun eigentlich zur Festlegung der Plankstadter Kerwe auf den dritten Sonntag im Oktober? Erste Nachweise der Kerwe in Plankstadt gibt es aus dem Jahr 1730, als den Wächtern an Kerwe ein besonderes Zehrgeld zugebilligt wurde. Am 26. September 1840 waren der „Gemeinderath, der Bürgerausschuß und die versammelte Gemeinde“ im Rathaus zusammengetreten, um die „weltliche Kirchweihfeyer dahier“ zu beraten. Zu dieser Zeit zählte Plankstadt rund 1550 Einwohner, davon waren 256 Bürger.

Nur Letztere waren abstimmungsberechtigt. Der damalige Bürgermeister Treiber stellte nach „hinlänglicher Berathung“ die Frage: „Also soll auch hier die weltliche Feyer den dritten Sonntag im Oktober jeden Jahres abgehalten werden?“ und da gegen die gestellte Frage kein Einwand erfolgte, so ließ der Bürgermeister Mann für Mann mit „Ja“ oder „Nein“ antworten, worauf alle Anwesenden mit „Ja“ antworteten. Also wurde die „Plänkschter Kerwe“ vor 177 Jahren einstimmig auf diesen Tag festgelegt. Die Abstimmung war vermutlich auf behördlichen Druck anberaumt worden. Die Entschließung wurde sofort vor versammelter Gemeinde als Gemeinderatsbeschluss bekanntgegeben. Verantwortlich dafür zeichneten 1840: Bürgermeister Treiber, die Gemeinderäte Philipp Eberwein, Philipp Gaa und Andreas Treiber und die Mitglieder des Bürgerausschusses G. M. Gaa, Karl H. Schuhmacher, Adolf Senn, Philipp Hahn und N. Schüßler.

Das weltliche Kirchweihfest am 3. Oktobersonntag muss man etwas losgelöst sehen von der kirchlichen Feier der Kirchweihe. Abgeleitet dürfte dieses Jahresgedächtnis aus den Vorbildern des jüdischen Tempelweihefestes (siehe 1. Makk 4,59) sein. Der Brauch eines solchen Jahresgedächtnisses kam schon im 5. Jahrhundert nach Rom. Wurde bei der Weihe der Kirche ein bestimmter Schutzpatron zugedacht, so feierte man an dessen Gedächtnistag das jährliche Kirchweihfest. Auch das Weihefest der Bischofskirche einer Diözese, in unserem Falle das Freiburger Münster, wurde von vielen Pfarreien, deren Kirchweihtag nicht mehr bekannt war, als Kirchweihfest begangen.

2017 kommt die Kerweschlumpel recht muskulös daher. © Kobelke

Da die meisten Kirchen natürlich unterschiedliche Weihetage hatten, hätte es Kirchweihfeste praktisch das ganze Jahr hindurch gegeben. Und da sich Verwandte und Freunde zu diesem Ereignis gegenseitig besuchten, beobachtete die Obrigkeit mit Argusaugen, dass praktisch an allen Wochenenden irgendwo gefeiert wurde, was sich natürlich auch auf die Arbeitswelt auswirkte, denn früher galt ja ausschließlich der Sonntag als arbeitsfreier Tag. Also verfügte die Obrigkeit einen bestimmten Sonntag im Jahr als Kirchweihtag zu feiern und in den meisten Gegenden war dies der 3. Oktobersonntag. So kam es zu dieser Festlegung, denn die Weihe der Plankstadter Pfarrkirche St. Nikolaus fiel auf den 16. Mai – dies wurde letztmals zum 100-jährigen Jubiläum im Jahr 2004 besonders gefeiert.

Der moderne Mensch spricht gerne vom Wochenende, aber das gab es zum Zeitpunkt der Festlegung des Kerwe-Termins noch nicht. Der Samstag war ein normaler Werktag und kein freier Tag wie heute für die meisten Berufstätigen.

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So kam es im Jahr 2000 zur „folgenschweren“ Verwechslung des Kerwe-Termins durch die Verwaltung. Der erste Sonntag fiel auf den 1. Oktober und damit war das ja für heutige Menschen kein ganzes Oktoberwochenende – die Verwaltung verlegte die Kerwe um eine Woche auf den 20./21. Oktober, denn das war tatsächlich das dritte Wochenende – aber der Termin entsprach eben nicht der alten Festlegung. Bei älteren traditionsbewussten Plänkschdern – besonders bei Hausfrauen mit ihren obligatorischen Kerwevorbereitungen – löste das Irritationen aus, wenn beispielsweise Kerwe-Einladungen an auswärtige Verwandte und Freunde bereits erfolgt waren und nun der Termin nicht mehr stimmte.

Aber die Plänkschder haben auch diesen Missgriff überlebt und heute kann man dies unter „Kuriositäten“ abhaken. Nur muss eben klar sein, dass für den Kerwesonntag eben der dritten Oktobersonntag maßgeblich ist und nicht das dritte Wochenende!

Plankstadter Carneval-Club hat großen Anteil an der Wiederbelebung der Kerwe

Es ist auch dem Plankstadter Carneval-Club (PCC) und seinem ehemaligen Wolfgang Eichhorn zu verdanken, dass immer wieder neue Anstrengungen unternommen werden, die Kerwe und und mit ihr ihr Brauchtum wieder zu beleben und am Leben zu erhalten. Durch attraktive Angebote versucht man, dem Besucherschwund auf dem Festplatz entgegenzuwirken. Übersättigung mit allerlei konkurrierenden Veranstaltungen das ganze Jahr über, größere Attraktivität der großen Fahrgeschäfte auf den großen Messen in Mannheim, Heidelberg oder in den Freizeitparks und die gewachsene Mobilität führten auch hier zum Besucherschwund. Schade eigentlich, denn auch die kleineren Schaustellerunternehmen geben sich alle Mühe, den Besuchern etwas zu bieten. Auch in diesem Jahr wird die Kerwe wieder traditionell mit dem Fassbieranstich und der Taufe der Schlumpel sowie weiteren attraktiven Neuerungen eröffnet.

Etwas konnte auch nicht in dem Maße wiederbelebt werden, wie es sich viele vielleicht wünschen: früher waren an Kerwe die Plankstadter Wirtschaften und die Clubhäuser am Samstag und Sonntag fast alle bis auf den letzten Platz besetzt. Die Menschen freuten sich auf Kerwe, denn allzu viele andere Gelegenheiten zum Feiern gab es das Jahr über nur wenige. Dadurch wurde die Kerwe zu einem wahren Fest der Kommunikation der Dorfgemeinschaft, eine wichtige Funktion, die heute zum Teil das Ortsmittefest übernommen hat. Das gerade an Kerwe aufgrund des Platzangebotes wörtlich zu nehmende „Zusammenrücken“ der Menschen hat einem „Auseinanderrücken“ Platz gemacht, dessen negative Auswirkungen wir in vielfältiger Weise in unserer immer anonymer werdenden Gesellschaft heute erleben müssen.

Freier Autor

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