Plankstadt. Nach den Befreiungskriegen von 1813 bis 1815 blieben immerhin aus der französischen Zeit einige fortschrittliche Gesetze in Kraft. Der „Code Napoléon“ und das 1810 eingeführte Badische Landrecht nach dem Vorbild des „Code Civil“ hatten ebenso Bestand wie die Einführung der Zivilehe und der Standesämter. Ab 1818 war Baden mit seiner Verfassung eine konstitutionelle Monarchie. Die Grundrechte der Bürger auf Freiheit und Eigentum, die Gleichheit vor dem Gesetz, eine unabhängige Rechtsprechung und die Pressefreiheit als Teil der Beschlüsse des Deutschen Bundes waren festgeschrieben, ebenso eine Zivilprozessordnung und ein modernes Kommunalwahlrecht.
Einen Rückschlag erlitt die liberale Landesverfassung, als 1819 der radikale Burschenschafter und Theologiestudent Karl Ludwig Sand den konservativen Autor und russischen Staatsrat von Kotzebue in Mannheim ermordet. Die darauffolgenden „Karlsbader Beschlüsse“ unterdrücken die bürgerlich-liberale Opposition, die Bundesstaaten schränken die Pressefreiheit drastisch ein.
Erst 1832 hob die badische Regierung die Pressezensur auf, liberale Tageszeitungen konnten wieder ohne Leerstellen oder schwarze Balken erscheinen. Im Deutschen Bund begann die Zeit der politischen Lethargie; unter Metternichs Spitzelwesen und Zensur zogen sich viele Bürger der „Biedermeierzeit“ ins Privatleben zurück.
In Baden und auch in Plankstadt kämpften Menschen für ein freies Deutschland
Dennoch, unter der spießbürgerlichen Oberfläche rumorte Unzufriedenheit. Im Mai 1832 zogen Zehntausende liberale Bürger und farbentragende Studenten zum Hambacher Schloss in der Vorderpfalz. Gemeinsam mit französischen und polnischen Patrioten ließen sie die bürgerlich-freiheitliche Zukunft ohne Adelsprivilegien hochleben: ein freies Deutschland in einem freien Europa.
Das Hambacher Fest wurde zur ersten demokratischen Großkundgebung der deutschen Geschichte. Bei allem politischen Ernst galt in der fröhlichen Pfalz: Kein Fest ohne Pfalzwein, der reichlich ausgeschenkt worden sein soll. Der Historiker Treitschke bemerkte dazu: „Zuletzt verhallten die Worte in der allgemeinen Trunkenheit“.
Ein bedeutender Reformschritt der badischen Regierung nach Hambach war die 1833 beschlossene Zehntablösung, die Abschaffung der grundherrlichen und kirchlichen Abgabeverpflichtung, die seit der Zeit Karls des Großen bestand. Die Bauern konnten endlich Eigentum an den von ihnen seit Jahrhunderten in Erbpacht bewirtschafteten Feldern erwerben, mussten sich aber verschulden.
Staatliche Bevormundung ohne Hoffnung auf ein besseres Leben hatte bei vielen freiheitsliebenden Bürgern den Entschluss wachsen lassen, nach Amerika auszuwandern. Schätzungsweise verließen zwischen 1820 und 1860 etwa 100 Plankstadter ihre Heimat. Nicht alle hatten in der Neuen Welt so viel Glück und Erfolg wie der Walldorfer Johann Jakob Astor, der 1848 seinen Nachkommen die damals sagenhafte Summe von 20 Millionen US-Dollar hinterließ.
Die Pariser Februar-Revolution von 1848 beflügelte die Freiheitsbewegungen im Südwesten. Unter ihrem Vorkämpfer Friedrich Hecker, einem Mannheimer Rechtsanwalt und Abgeordneten des badischen Landtags, forderten liberale Demokraten die Abschaffung aller Standesvorrechte, freie Wahlen und die allgemeine Volksbewaffnung.
Hecker und sein Mitstreiter Gustav Struwe riefen zur bewaffneten Volkserhebung auf, scheiterten allerdings bei ihrem Zug in Süddeutschland am geringen Mut zum bewaffneten Kampf. Hecker musste über Frankreich nach Amerika fliehen, Struwe geriet in Gefangenschaft.
27 Revolutionskämpfer aus Plankstadt
In der Bezirksamtsstadt Schwetzingen bildete sich ein revolutionärer demokratischer Volksverein, dem auch 27 Plankstadter Freiheitskämpfer angehörten.
In einem Spitzelbericht aus den Tagen der 1848er- Revolution an die Untersuchungskommission der badischen Regierung in Karlsruhe heißt es: „...auch Frauenzimmer hat es, welche die Fürsten würgen wollen...“
Ob Frauen aus Plankstadt dabei waren, ist nicht überliefert, dennoch ist die Bemerkung ein Hinweis auf frühe Emanzipation und erwachendes politisches Bewusstsein von Landfrauen. Das Wahlrecht für Frauen war zwar noch nicht mehrheitsfähig, dennoch wagten sie sich aus Haus und Herd ins politisch bewegte öffentliche Leben.
Bei den Bürgern stets unbeliebt waren sogenannte Ortsbereisungen der Obrigkeit durch einen Oberamtmann. Dieser inspizierte den Zustand von Straßen und Plätzen, erstellte eine Mängelliste, überwachte die Behebung und verhängte Strafen. Meistens handelte es sich um Verstöße gegen die öffentliche Ordnung und Sauberkeit.
Ansammlungen von Fäkalienwasser („Puhl“) und über die Grundstücksgrenzen hinaus erweiterte Misthaufen gaben häufig Anlass zu Bußgeldern. Im Revolutionsjahr 1848 fand keine Ortsbereisung statt, im Folgejahr schon deshalb nicht, weil die Plänkschter Revolutionäre den Bürgermeister Seßler, zwei Gemeinderäte und Ratsschreiber Mackle abgesetzt hatten.
1849 meuterten die Garnisonen von Rastatt und Karlsruhe und schlossen sich der aufständischen Volksbewegung an. Der Großherzog floh nach Ausrufung der Republik ins Rheinland. Unter dem preußischen Kronprinzen Wilhelm, dem späteren Kaiser Wilhelm I, (Spitzname „Kartätschenprinz“, weil er mit Kanonen auf Revolutionäre in Berlin schießen ließ) rückten Truppen des Deutschen Bundes gegen die badische Revolutionsarmee vor.
Entscheidendes Gefecht bei Waghäusel
Im Juni 1849 erlitten die Revolutionäre im Gefecht bei Waghäusel eine entscheidende Niederlage. Ein Denkmal bei der Eremitage erinnert noch heute an diese Schlacht. In der Umgebung Plankstadts tobte der Kampf Freischärler gegen preußische Soldaten um die Brücke Neckarhausen-Ladenburg.
Großherzog Leopold kehrte nach dem Sieg der Preußen in seine Residenz Karlsruhe zurück. An ihn erinnert in Plankstadt noch heute die Leopoldstraße, der frühere Viehweg. Und das „Badische Wiegenlied“ mit dem Text „Leis, mein Kind schlaf leis. Dort draußen geht der Preuss, der Preuss der hat eine blutige Hand, die streckt er übers badische Land“.
Die deutsche Einheit in Freiheit und der Anschluss an demokratische Entwicklungen in Europa war vorerst misslungen. Die Reaktion hatte gesiegt, mancher Revolutionär landete im Gefängnis, so er nicht ins Ausland – oft in die Schweiz oder in die Vereinigten Staaten – geflohen war.
Folgen des Aufruhrs waren Armut, Hunger und Arbeitslosigkeit. Fast ein Drittel der Bevölkerung hatte keinen festen Wohnsitz, das Bandenwesen mit Wilderei, Holzdiebstahl und Überfällen nahm zu. Der badische Staat förderte einige Jahre die Auswanderung nach Russland und die USA, um unzufriedene und verhaltensauffällige Menschen loszuwerden.
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