Ortsgeschichte

Als vor 175 Jahren in Brühl revolutionäre Träume endeten

Ausgehend von Frankreich brach 1848 eine Revolutionswelle über Europa herein und erfasste den größten Teil des Kontinents. Unruhen und Kämpfe erschütterten die politische und gesellschaftliche Ordnung auch in Brühl.

Von 
Ralf Strauch
Lesedauer: 
Aus der Revolutionszeit sind aus den damals kleinen Weilern Brühl und Rohrhof keine Bilder erhalten, wohl aber aus dem benachbarten Mannheim – beispielsweise vom Bau einer Barrikade an der Rheinbrücke vom April 1848. © dpa

Brühl. Aus, Schluss, vorbei. Es war im Juni 1849, also vor nunmehr 175 Jahren, da endete in der Region die Badische Revolution im Kugelhagel preußischer Soldaten. Der Ruf nach Einigkeit und Recht und Freiheit durfte zunächst nicht mehr laut erschallen. Es sollte bis zur Weimarer Republik dauern, bis auf deutschem Boden wieder alle Staatsgewalt vom Volke ausging. Auch für viele Bürger in Brühl endete damit der Traum von der Demokratie nicht weit entfernt beim Gefecht von Waghäusel.

Diese Schlacht fand am 21. Juni 1849 statt. In dem Gefecht standen sich die badische Revolutionsarmee und preußische Truppen gegenüber. Es war eines der entscheidenden Gefechte während der badischen Revolution und endete nach anfänglichen Erfolgen der Revolutionsarmee mit deren ungeordneter Flucht.

Ortsgeschichte

Die Historie des Bahnhofs: Als in Brühl noch Züge fuhren

Veröffentlicht
Von
Ralf Strauch
Mehr erfahren

In Brühl hatte sich schon abgezeichnet, dass es um die Revolution nicht gut stand, denn die badischen Freiheitskämpfer kamen durch den Ort, nachdem sie Mannheim aufgegeben hatten, um sich in Waghäusel noch einmal zu sammeln. Da dämmert es einigen im rund 780 Einwohner zählenden Dorf bereits, das die Farben Schwarz, Rot und Gold nicht mehr so schnell am Rathaus wehen würden.

Das Schicksal des Nachtwächters Gruber aus Brühl

Doch drehen wir das Rad der Geschichte kurz zurück. 1848. Überall im badischen Land gärte es. Der Freiheitsgedanke, von den Burschenschaften und den Kämpfern der Napoleonischen Kriege ins Land getragen, gipfelte in der Forderung nach Volkssouveränität und einer Republik. Im März kam es in Nordbaden zur Bauernerhebung, die als Revolution schnell auf die anderen Staaten übergriff. Doch die erste Revolutionsarmee in Baden unter Friedrich Hecker und Gustav Struve scheiterte zunächst, weil sich ihr zu wenig Kämpfer anschlossen. Der Großherzog behielt in Baden zunächst noch das Zepter in der Hand.

Um auch in Brühl die alte Ordnung wieder herzustellen, wurden die Bürger verpflichtet, eine Nachtwache einzurichten. Um diese Aufgabe riss man sich nicht wirklich, denn die Revolution hatte auch im Ort noch viele Anhänger. Es gab einen tiefen Graben quer durch die Dorfgemeinschaft – das zeigte sich auch am Schicksal des Nachtwächters Gruber. Der stand nämlich plötzlich mitten in Brühl den Brüdern Johann und Franz Faulhaber gegenüber. Zusammen mit anderen Revolutionsanhängern waren diese lärmend durchs Dorf gezogen, riefen ihre Parolen und randalierten. Als Gruber gegen die, wie es später in den Gerichtsakten heißen sollte, „rachsüchtige Beschädigung“ vorgehen wollte, wurde er angegriffen. Schwer verletzt flüchtete der Nachtwächter.

Mehr zum Thema

Vorzeigebiotop

Wie aus einem Schrebergarten in Brühl ein Tiny Forest werden soll

Veröffentlicht
Von
Ralf Strauch
Mehr erfahren
Gemeinderat

Bei der Brücke am Leimbach liegen die Nerven in Brühl blank

Veröffentlicht
Von
Ralf Strauch
Mehr erfahren
Bauprojekt (mit Fotostrecke)

Mehrgenerationenquartier: "Grüne Mitte" in Brühl 2026 bezugsfertig

Veröffentlicht
Von
Noah Eschwey
Mehr erfahren

Für die Faulhaberbrüder hatte das zwei Jahre später ein gerichtliches Nachspiel – sie wurden „wegen Widerstand gegen die öffentliche Gewalt und Beteiligung an der Verwundung des Brühler Nachtwächters Gruber“ zu drei beziehungsweise vier Monaten Arbeitshaus verurteilt. Allerdings wurden sie schon kurz darauf wieder begnadigt. Nach dem Scheitern der Revolution waren die Gefängnisse des dann wieder regierenden Großherzogs wohl überlastet.

Die Region um Mannheim war 1848 und 1849 zunächst aber noch einmal Mittelpunkt der revolutionären Bewegung in Baden, die nach der ersten Niederlage wieder aufflammte – heftiger als zuvor. Als Bürgermeister führte 1848 Andreas Merkel die 124 Brühler Familien in die Revolutionsjahre. Auch er war vom Freiheitsgedanken erfasst worden.

Ortsgeschichte (mit Fotostrecke)

Brühler Kriegerkapelle vor 100 Jahren eingeweiht

Veröffentlicht
Von
Ralf Strauch
Mehr erfahren

Deshalb wurde er kurz nachdem die Badische Revolution 1848 wieder Schwung aufnahm, von der Obrigkeit aus dem Amt entfernt. Merkel galt den großherzoglichen Beamten als „großer Wühler und eifriger Anhänger der Umsturzpartei“. Das Amt des Brühler Bürgermeisters sollte nach längerer Vakanz der Gemeinderat Michael Lindner übernehmen.

Abstrafung „politischer Wühler“: Auch Brühler Gemeinderat betroffen

Zunächst schien es, als sei Merkel damit noch einmal glimpflich davongekommen, doch an ihm sollte 1850 ein Exempel statuiert werden. Die Obrigkeit setzte nach der Niederschlagung der Revolution alles daran, ihm in seiner Heimatgemeinde die Würde und den Respekt seiner Nachbarn zu nehmen. Daher wurden ihm auch die erst wenige Jahre zuvor für seine großen Verdienste verliehenen Auszeichnungen nach einem kurzen Prozess wieder aberkannt.

Ortsgeschichte

Wieso Brühler vor 100 Jahren einen Wald verschwinden ließen

Veröffentlicht
Von
Ralf Strauch
Mehr erfahren

Ein ähnliches Schicksal ereilte den Brühler Gemeinderat Peter Brucker, dem seine Mitgliedschaft im Demokratischen Verein der Hufeisengemeinde zum Verhängnis wurde. Auch er wurde während der Revolutionsjahre von den großherzoglichen Behörden aus dem Gemeinderat entfernt – auch er wurde als „politischer Wühler“ abgestraft.

Engagierter Aufrührer

Doch der sicherlich engagierteste Revolutionär in Brühl war der aufrührerische Lehrer Friedrich Jakob Winkler. Er gehörte zu den Demokraten der ersten Stunde und war der Obrigkeit bereits im Frühjahr 1848 wegen seiner politischen Reden aufgefallen. In seinen Vorträgen bei Bürgerversammlungen hatte Rinkler dazu aufgerufen, zu den Waffen zu greifen und den Heckeraufstand tatkräftig auch in Brühl zu unterstützen. Sofort wurde gegen den Hauptlehrer ermittelt.

Allerdings schien sein Ruf zu den Waffen auf fruchtbaren Boden gefallen zu sein. Mehrere Einwohner von Brühl und Rohrhof werden als Wehrmänner des ersten Brühler Revolutionsaufgebots rekrutiert – beispielsweise Mathias Engelbe, der Schneider Johann Peter Herr und der Holzhändler Baptist Welter.

Mehr zum Thema

Heimatverein

175 Jahre Badische Revolution: Gedenkveranstaltung in Wiesental

Veröffentlicht
Von
Werner Schmidhuber
Mehr erfahren
Geschichte

Jakob Venedey: Der Vater der Grundrechte

Veröffentlicht
Von
Peter W. Ragge
Mehr erfahren

Rinkler war also offensichtlich erfolgreich. Als die Revolutionäre 1849 nach einem erneuten Aufstand der Demokraten praktisch die gesamte Macht in Baden übernahmen, war Friedrich Jakob Rinkler in führender Position in Brühl und Schwetzingen dabei. Der abgesetzte Bürgermeister Andreas Merkel und der Brühler Schuhmacher Karl Brehm hatten sich nämlich an den revolutionären Zivilkommissär in Schwetzingen, Dr. Heinrich Tiedemann, gewandt, weil ihnen der bisherige Brühler Ratsschreiber den neuen Ideen gegenüber nicht ausreichend aufgeschlossen erschien. Sofort wurde der Mann von den Revolutionären seines Amtes enthoben und seine Aufgaben im Brühler Rathaus dem Lehrer Rinkler übergeben.

Flugblätter werden Brühler zum Verhängnis

Als neuer Ratsschreiber verteilte der voller Begeisterung innerhalb kürzester Zeit revolutionäre Flugblätter unter seinen Nachbarn und Durchreisenden. So manche Schrift schien er dabei aber auch an die Falschen gegeben zu haben, denn es waren auch einige großherzogliche Geheimpolizisten im Land unterwegs, die alle belastende Schriften sofort an die zuständigen Ermittlungsbehörden weiterreichten.

Historie

Ortsgeschichte Brühl: Als eine Staatsgrenze die Gemeinde teilte

Veröffentlicht
Von
Ralf Strauch
Mehr erfahren

In Merkels Untersuchungsakten sammelten sich so immer mehr Anklagepunkte für den Prozess, der von den großherzoglichen Behörden für die Zeit nach der Niederschlagung der Revolution vorbereitet wurden.

Besonders sollte Rinkler dann aber zur Last gelegt werden, dass er für die demokratischen Freischärler in und um Brühl die Gründung einer revolutionären Bürgerwehr organisiert, den bunt zusammengewürfelten Haufen für den Kampf ausgebildet und schließlich angeführt hatte.

Freischärler oder Hochverräter?

Als die Badische Revolution 1849 schließlich gescheitert war, wurde Rinkler wegen der „Teilnahme am hochverräterischen Aufstand und Majestätsbeleidigung“ angeklagt. Doch der Freischärler hatte sich rechtzeitig in die Schweiz abgesetzt.

Gleichwohl wurde er im Mai 1850 vom Hofgericht in Mannheim in Abwesenheit wegen Hochverrats zu einem Jahr Zuchthaus oder acht Monaten Einzelhaft sowie wegen der Beleidigung der gekrönten Häupter zu weiteren vier Monaten Einzelhaft verurteilt. Ihm wurden die Staatsbürgerrechte aberkannt und sein zurückgelassenes Eigentum beschlagnahmt.

Brühler Söhne auf beiden Seiten

Nicht besser erging es dem Brühler Jakob Bähr, der als Soldat des 4. Infanterieregimentes bei Ausbruch der Meuterei die Offiziere, die treu zum Großherzog standen, massiv bedroht hatte. Zudem war er als Wahlleiter der revolutionären Offiziere tätig und nahm bei der meuternden Truppe den Rang eines Korporals ein. Auch während der späteren Gefechte unter anderem in Waghäusel kämpfte er standhaft für die Sache der Demokratie. Nach deren Ende wurde er unehrenhaft aus der Armee des Großherzogs entlassen und zu neun Jahren Zuchthaus verurteilt. Aber auch er hatte sich zuvor ins Ausland abgesetzt.

Ortsgeschichte

Brühl steht seit 600 Jahren im Zeichen des Löwen

Veröffentlicht
Von
Ralf Strauch
Mehr erfahren

Weitere Brühler, die als meuternde Soldaten von sich Reden machten, waren Peter Brucker, Johann Eder, Johann Knapp, Josef Odenwald und Franz Wagner. Sie wurden, soweit sie nicht geflohen waren, nach der Niederschlagung der Revolution verhaftet. Doch nicht nur auf der Seite der Revolution kämpften Brühler, sondern auch bei den treu zur badischen Krone stehenden Einheiten. So sicherten sich Martin Schimmele und Christian Deutsch I. später einen Platz auf der Ehrentafel des Veteranendenkmals bei der evangelischen Kirche.

Redaktion

Copyright © 2025 Schwetzinger Zeitung

VG WORT Zählmarke