PCC Blau-Weiß

In Plankstadt geht der Rathaussturm auch ohne Schlüssel

Die symbolische Eroberung der Fasnachter gelingt trotz neumodischer Zugangsgeräte und vehementer Gegenwehr der Verwaltung einmal mehr.

Von 
Volker Widdrat
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Bürgermeister Nils Drescher versucht es beim Rathaussturm mit Bestechung und verteilt leckere Berliner an die jungen Narren. © Widdrat

Plankstadt. Schon vor 14.11 Uhr rückten die Narren des Plankstadter Carneval-Clubs Blau-Weiß am Samstag vor dem Rathaus an, um von Bürgermeister Nils Drescher den Zugang zu erkämpfen. Den Schlüssel hatte die PCC-Streitmacht bereits dabei, weil er während Corona nicht mehr zurückgegeben worden war. Doch für das neue Rathaus, das im Mai mit einem Tag der offenen Tür eröffnet worden war, braucht es gar keinen Schlüssel mehr. Wer einen sogenannten Transponder hat – das Wort setzt sich aus den Begriffen Transmitter und Responder zusammen – kommt ohne Probleme in das Domizil der Verwaltung rein.

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Vorstandschaft, Elferräte und Gardemädchen sowie Ehrenvorsitzender Wolfgang Eichhorn starteten den Sturm auf die massive Eingangstür. Elferratspräsident Norbert Reinmuth und sein Stellvertreter Wolfgang Häffner versuchten es zunächst mit Hilfe ihrer „11 Paragrafen“. Gemeinderäte und Hausherr müssten sich etwas ausdenken, was den PCC dazu bewegen könnte, den Schlüssel abzugeben. „Das neue Rathaus ist famos – der PCC setzt die Verwaltung uff die Stroß“, könne das Motto nur lauten.

Wattebällchen und Luftschlangen

Im Rathaus arbeiten aber schlaue Leute. Die hatten nämlich Professor Dr. Schlossstein (alias Bernhard Müller von der Stabsstelle des Bürgermeisters) verpflichtet. Der renommierte Wissenschaftler soll vom berühmten Massachusetts Institute of Technology (MIT) in den USA sein. Der Professor und seine Assistentin (alias Praktikantin Gökce Tuna) präsentierten den erstaunten Narren einen „Transpondix“. Die blaue Maschine mit den elf Klappen war auch von den Auszubildenden Marvin Müller und Luis Schönith mitkonstruiert worden.

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Gemeinderäte und Verwaltungsmitarbeiter warfen noch mit Wattebällchen, die PCC-Kinder fingen die leichten Kugeln aber geschickt auf. Die Karnevalisten stellten weitere Forderungen. Im Rathaus müsste Strom gespart werden, pro Tag sollten drei Gemeinderäte mit Fahrrädern im Keller Energie in Batterien einspeisen. Die angeschafften Lastenfahrräder sollten zudem als Rikschas für Rundfahrten eingesetzt werden. „Nichts da“, meinte Drescher, er strampele ohnehin nur für Ehefrau Christina. Luftschlangen flogen hin und her. Die närrischen Angreifer schlugen vor, die Gänsweid ganzjährig mit Leben zu füllen. So sollte ein beheiztes Zelt allen Plänkschtern kostenlos zur Verfügung gestellt werden.

Drescher verriet, dass Tochter Ann-Sophie schon einmal zu den Narren habe überlaufen wollen. Das habe er aber gerade noch verhindern können. „Transpondix“ spuckte immer weiter nur rote und gelbe Bändchen aus, mit denen die Blau-Weißen aber nichts anfangen konnten. Der Kampf wurde unvermindert fortgeführt, auch mit Seifenblasen und Wasserspritzpistolen. Vor allem die Kinder hatten ihren Spaß. Das Gerangel um die Rathausmacht nahm allmählich zu. Zwischendrin gab es noch Beifall für einen freundlichen Busfahrer der Linie 713, der vor dem Rathaus kurz anhalten musste.

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Die Elferräte rückten immer näher und stellten weitere Regeln auf. Alle Hallen, Säle, Sport- und Freizeiteinrichtungen sollten allen Vereinen kostenlos zur Verfügung gestellt werden. Plankstadt solle sich wie schon vor Jahrzehnten gegen die Straßenbahn nun auch gegen die Güterbahntrasse wehren: „Schafft euch Gäule an.“

Kulinarische Bestechung

Drescher versuchte es mit kulinarischer Bestechung: Schnäpschen für die Großen, leckere Berliner für die Kleinen. Doch die Narren blieben standhaft und wollten nicht weichen. Jetzt wurde der PCC-Rammbock aufgefahren, doch gegen die massive Tür des neuen Rathauses konnte auch der mittelalterliche Widder nichts ausrichten.

Die Verwaltung erlahmte aber zusehends, da half auch die Unterstützung durch den Jugendbeirat nichts. „Singt los aus vollen Kehlen“, forderten die Elferräte das Plankstadt-Lied, das schließlich von allen mitgeschmettert wurde. Und siehe da – beim „Übernahmeparagrafen 11“ spuckte der „Transpondix“ dann tatsächlich den elektronischen Schlüssel aus. Elferratspräsident Reinmuth bekam das Objekt der Begierde von Bürgermeister Drescher umgehängt.

Die Narren jubelten kräftig ihr „Plahoi“. Karnevalslieder erklangen. Drinnen gab es Berliner und Brezeln, Saft und Sekt. Bis Aschermittwoch bestimmt der PCC nun im Rathaus. Es war ein fröhlicher Start in die Karnevalszeit, die dieses Mal hoffentlich von Corona verschont bleibt.

Freier Autor Volker Widdrat ist freier Mitarbeiter.

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