Landwirtschaft

Sind die Bauernproteste in Plankstadt und der Region in Vergessenheit geraten?

Im Januar haben Landwirte gegen die Agrar-Pläne der Bundesregierung demonstriert. Was hat sich seitdem in der Politik getan? Wir haben bei Andreas Sturm (CDU), Daniel Born (SPD) und Andre Baumann (Grüne) nachgefragt.

Von 
Linda Saxena
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Aufgereiht wie eine Perlenkette stehen die Traktoren auf der Brücke über der B535. © Andreas Gieser

Plankstadt/Eppelheim/Region. Die Scheinwerfer durchbrechen die Dunkelheit, als sich eines Abends im Januar auf der Bundesstraße 535 ein Traktor an den anderen reiht. Die Maschinen bewegen sich nur langsam auf der Straße vorwärts, in der Kolonne lässt sich keine Lücke finden. Seite an Seite, Traktor an Traktor, stehen die Landwirte aus der Region an diesem Abend zusammen, um zu protestieren.

Doch nicht nur in Plankstadt und Eppelheim demonstrieren die Landwirte. Bundesweit halten die Bauernproteste Politik und Bevölkerung in Atem. Das alles ist genau drei Monate her. Mittlerweile ist es um die heimischen Bauern ruhig geworden, von Großdemonstrationen in Berlin nicht mehr die Rede.

Die Bauernproteste auf einer Zeitachse

  • Dezember 2023: Bundesregierung beschließt, die Vergünstigungen beim Agrardiesel und die Kfz-Steuerbefreiung zu streichen. Grund: Finanzielle Einsparungen im Haushalt
  • 18. Dezember 2023: Bundesweite Proteste in Deutschland und in der Region, Mahnfeuer in Plankstadt
  • 4. Januar 2024: Die Bundesregierung gibt bekannt, dass die Steuervergünstigung auf den Agrardiesel schrittweise reduziert werde. Außerdem werde die Kfz-Steuer auf landwirtschaftliche Maschinen nicht abgeschafft
  • 8. bis 15. Januar 2024: Aktionswoche mit Großdemonstrationen in Berlin und ganz Deutschland
  • 22. Januar 2024: Bundeskanzler Scholz sichert Landwirten auf der Grünen Woche Unterstützung zu, beispielsweise Maßnahmen für weniger Bürokratie
  • 26. Februar 2024: In ganz Europa protestieren Landwirte und wollen Entlastungen
  • 4. März 2024: Bauern laden Gülle und Mist auf einer Bundesstraße in Brandenburg ab, es gibt Verletzte
  • 26. März 2024: Die Europäische Union will Auflagen für Landwirte lockern

Es sind aber die Bilder, die bleiben. Aufnahmen von lodernden Mahnfeuern, Schildern mit mahnenden Worten und Traktoren, die hupend durch die Straßen ziehen. Im Vergleich zu den ersten Januarwochen scheint nun Ruhe in den Landwirtschaftssektor eingekehrt zu sein. Haben die Forderungen in der Politik etwa Gehör gefunden? Oder trügt der Schein?

Was haben die Bauernproteste bewirkt? – „Konkrete Ergebnisse wurden kaum geliefert“

Unsere Redaktion hat dort nachgefragt, wo Politik auf überregionaler Ebene gemacht wird: Bei drei Mitgliedern des Landtages in Baden-Württemberg, deren Wahlkreise in Schwetzingen und Hockenheim liegen. Haben die Bauernproteste zu Ergebnissen auf politischer Ebene geführt? „Konkrete Ergebnisse wurden kaum geliefert“, sagt Andreas Sturm, der seit 2021 Landtagsabgeordneter in der CDU-Fraktion ist.

Seiner Meinung nach habe der Streik gezeigt, dass sich die Ampelregierung in dieser Frage selbst nicht einig war – und ist. „Der Streit darüber wurde über Wochen auf offener Bühne ausgetragen“, sagt der 37-Jährige. Für ihn sei es „inakzeptabel, wie wenig Respekt, Anerkennung und Wertschätzung unserer Landwirtschaft seitens Berlin entgegengebracht wird.“

Das fordert der Deutsche Bauernverband

  • Der Deutsche Bauernverband (DBV) bezeichnet sich selbst als „Unternehmerverband und Interessenvertreter für alle Landwirtinnen und Landwirte, ihre Familien sowie für die ländlichen Räume“.
  • Anlässlich eines Treffens des Agrarrats in Brüssel veröffentlichte der Verband Ende März ein Forderungspapier.
  • Der Präsident des Deutschen Bauernverbandes, Joachim Rukwied, erklärt in einer Pressemitteilung: „Die Bäuerinnen und Bauern sind massiv enttäuscht, dass nun auch der Bundesrat der Steuererhöhung beim Agrardiesel zugestimmt hat.“
  • Nun fordert der Verband, dass wegen der Mehrbelastung durch den Wegfall der Agrardiesel-Steuer alternative Maßnahmen für eine Kompensation nötig sind.
  • Der DVB zählt dabei Maßnahmen auf, die den Landwirten helfen könnten: Steuerliche Entlastungen, Stärkung des einzelbetrieblichen Risikomanagements, eine Steuerbefreiung für den Einsatz von erneuerbaren Kraftstoffen, ein Auflagenmoratorium für die Landwirtschaft in Verbindung mit einem Programm zur Wiederherstellung der Wettbewerbsfähigkeit im europäischen Binnenmarkt sowie eine ernsthafte und wirksame Entbürokratisierungsinitiative auf nationaler und europäischer Ebene.

Mildere Worte findet Dr. Andre Baumann, Staatssekretär im Ministerium für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft: „Ich bin froh, dass die Ampelkoalition im Bund beschlossen hat, die geplanten Kürzungen für die Landwirte größtenteils zurückzunehmen.“

Proteste der Bauern in Baden-Württemberg: Zuspruch von Baumann und Born

Als Beispiele nennt der Schwetzinger etwa die Kfz-Steuerbefreiung für Landwirte, die nun nicht abgeschafft werden soll, sowie die Entscheidung, dass die Abschaffung der Steuerbegünstigung beim Agrardiesel erst bis 2026 vollständig erfolgen soll. „Minister Özdemir hat sich erfolgreich für die Landwirtinnen und Landwirte eingesetzt“, sagt Baumann.

Der Streik sei ein klares Zeichen dafür gewesen, dass die Landwirtschaft Zukunft haben soll, sagt Daniel Born (SPD). Der Landtagsvizepräsident findet es gut, „dass viele junge Landwirte demonstriert haben, die zurecht von der Politik Perspektiven erwarten.“ Hier genüge nicht, wenn Politiker immer mit der Schlussfolgerung „hätte, hätte“ argumentieren würden: „Hätte man die Straße nicht gebaut, hätte man das Wohngebiet nicht gemacht, hätte man die Ansiedlung verhindert“, sagt Born.

Das sei alles Vergangenheit, worüber man sich heute nicht mehr streiten müsse. Stattdessen plädiert der SPD-Abgeordnete dafür, dass die Politik nun gemeinsam mit den Landwirten auf Zukunftskurs gehen müsse. „Die SPD-geführte Bundesregierung hat jetzt richtigerweise dafür gesorgt, dass die sogenannte Brachflächenregelung, die besagt, dass vier Prozent der Agrarfläche nicht genutzt werden sollen, ein weiteres Jahr ausgesetzt wird.“

„Bei Bagatellbeträgen muss kein Papierkrieg ausgelöst werden“

Doch wie kann den Landwirten in Deutschland geholfen werden? Wenn es nach dem Deutschen Bauernverband geht, zunächst einmal mit weniger Bürokratie. Das findet auch Andre Baumann. „Wir brauchen in allen Bereichen eine deutliche Entbürokratisierung“, sagt er. In der Landwirtschaft müsse das Ziel sein, dass die Bauern mehr auf dem Acker oder im Stall arbeiten können, als am Schreibtisch Papierstapel auszufüllen.

Das sei leichter gesagt, als getan, so Baumann. „Landwirte erhalten umfangreiche Steuermittel, deren Verantwortung nachvollziehbar sein muss. Wir sollten den Landwirten jedoch stärker vertrauen. Bei Bagatellbeträgen muss kein Papierkrieg ausgelöst werden.“ Manchmal, so der Staatssekretär, werden bei Rückforderung von Centbeträgen Briefe verschickt. „Das ist Quatsch.“ Handlungsbedarf sieht Daniel Born auch in anderen Bereichen.

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„Wir müssen politisch etwas tun gegen die stark gestiegenen Bodenpreise und uns um einen fairen Wettbewerb mit fairen Preisen im Lebensmittelmarkt kümmern.“ Weiterhin müsse, so der Landtagsvizepräsident, Bürokratieabbau, finanzielle Hilfen für artgerechte Tierhaltung und die Entwicklung alternativer Antriebe für landwirtschaftliche Geräte auf der Agenda der Landes- und Bundesregierung stehen. „Die Agrarwende ist für uns alle nützlich und macht uns gerade in einer kompliziert gewordenen Welt unabhängiger.“

Preisdruck auf dem weltweiten Markt belastet Landwirte aus der Region

Die Landwirte aus der Region beklagen darüber hinaus auch den Preisdruck auf dem weltweiten Markt, mit denen die heimischen Produkte in Konkurrenz stehen. „Unsere Landwirte stehen in einem schwierigen europäischen und weltweiten Wettbewerb“, sagt Andreas Sturm. Deshalb brauche es verlässliche und planbare Rahmenbedingungen.

„Das Sterben der Höfe in Deutschland muss auf jeden Fall gestoppt werden“, sagt er. Schließlich würden vor Ort regionale und hochwertige Lebensmittel produziert werden, „die wir alle schätzen und die auch ihren Preis haben.“ Es könne aber nicht sein, dass die Landwirte deutlich schlechter gestellt seien als die Landwirte im Ausland. „Aus diesem Grund muss sehr ernsthaft über die erhobenen Forderungen des Deutschen Bauernverbandes in Berlin und auch in Brüssel gesprochen werden.“

„Problem unserer Landwirtschaft ist ein Teufelskreis“

Warum aber sind die Landwirte in Deutschland unzufrieden? „Zusammenfassend geht es um gesetzliche Vorgaben, Vorschriften und Verordnungen“, sagt Andreas Sturm. In Deutschland sei ein Bürokratiemonster erschaffen worden, das jegliche Arbeit extrem erschwere. „Es geht auch um die Themen Mindestlohn und Arbeitskräftemangel. Wir in Deutschland brauchen meines Erachtens einen ,Pakt für unsere Landwirtschaft’“, sagt er.

Eine bäuerliche Landwirtschaft und eine dauerhafte Ernährungssouveränität könne es laut Daniel Born nur mit den Klimazielen von den Vereinten Nationen und der Europäischen Union geben. „Die Gesellschaft muss Umwelt- und Klimaschutz fair entlohnen und ein nachhaltiges Lebensmittelsystem etablieren.“

Nach Ansicht des Landtagsvizepräsidenten ist das große Problem ein „Teufelkreis aus einem unkontrollierten Bodenmarkt, einer schwachen Position der Landwirte am Markt sowie Dumpingpreise, die dauerhaft zu einer Produktion unter Einstandspreisen führen.“

Dazu würden ein landwirtschaftlicher Freihandel und ein veraltetes europäisches Subventionssystem kommen, das kleine und mittlere Betriebe wie auch in der Region massiv benachteiligen. „Der Gesetzgeber muss die Betriebe massiv stützen, denn diese haben bisher am meisten unter dem Subventionssystem gelitten“, sagt Born weiter. Des Weiteren müsse die Marktposition der Landwirte gestärkt werden. „Auch die Spekulationen auf dem Bodenmarkt müssen wir angehen und Pachtpreisdeckel einführen.“

Verbindliche Kennzeichnung der Herkunft von Produkten

Im Mittelpunkt einer nachhaltigen Landwirtschaft müsse künftig stehen – neben fairen Preisen für Lebensmittel – dass Landwirte ein gutes Einkommen erwirtschaften können, in dem sie ihre Arbeit auch im Sinne öffentlicher Leistungen wie Klima- und Umweltschutz erbringen, so Born.

Dafür gebe es schon positive Beispiele, sagt Andre Baumann. „Es gibt eine verbindliche Kennzeichnung der Herkunft beim Fleisch und der Tierwohlstandards wie bei den Hühnereiern. Und es wird eine Art Tierwohlgabe eingeführt. Dann werden Landwirte endlich für ihren Einsatz für den Tierschutz bezahlt.“

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Dennoch zeigt der Staatssekretär Verständnis für den Unmut der Landwirte. „In den vergangenen Jahren und Jahrzehnten sind auf der einen Seite viele Forderungen der Gesellschaft auf die Landwirtschaft eingeprasselt: im Tierschutz, im Naturschutz, im Klimaschutz, im Bodenschutz und und und.“

Auf der anderen Seite seien die Erzeugerpreise nicht im selben Maße gestiegen. „Das heißt, Landwirte müssen immer mehr Auflagen erfüllen, aber werden nicht in ausreichendem Maße dafür belohnt“, sagt er.

Redaktion Linda Saxena ist Print- und Online-Redakteurin in der Lokalredaktion der Schwetzinger Zeitung/Hockenheimer Tageszeitung und zuständig für Plankstadt und Eppelheim.

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