Ketsch. „Wenn das kommt, dann sieht es schlecht aus“, sagt Heinrich Schuhmacher. Der Landwirt vom Spargelhof Schuhmacher aus Ketsch verfolgt aktuell mit Sorge die Agrarpolitik der Bundesregierung. So sollen die Steuervergünstigung für den Agrardiesel und die Befreiung von der Kfz-Steuer entfallen. Die Begründung: Klimaschädliche Subventionen gestrichen werden.
Die zusätzlichen Kosten würden alle Betriebe in der Landwirtschaft treffen, befürchtet Heinrich Schuhmacher. Wie viele seiner Berufskollegen nimmt auch der Ketscher an den sogenannten Bauernprotesten in der Region teil. Am Donnerstagnachmittag können die Protestler einen Teilerfolg verbuchen: Die Bundesregierung gibt bekannt, dass die Steuervergünstigung auf den Agrardiesel schrittweise reduziert werde. Außerdem werde die Kfz-Steuer auf landwirtschaftliche Maschinen nicht abgeschafft.
Weitere Demos in Berlin und Mannheim geplant
Ab Montag, 8. Januar, plant der Bauernverband dennoch bundesweit eine Aktionswoche zu den Plänen der Ampel-Regierung. „Gemeinsam wollen wir weiter gegen die geplante Streichung des Agrardiesels und der Kfz-Steuerbefreiung protestieren“, schreibt der Verband in einer Pressemitteilung. Am 15. Januar solle dann noch einmal eine Großdemonstration in Berlin stattfinden.
Auch Heinrich Schuhmacher aus Ketsch wird am Montag mit seinem Traktor nach Mannheim fahren, um mit anderen Landwirten rund um den Wasserturm ein Zeichen zu setzen. Schließlich stehen Existenzen auf dem Spiel. Eines sei ihm aber wichtig: Bei den Protesten müsse alles im rechtlichen Rahmen bleiben. Anderorts setzten sich die Proteste abseits der Mahnwachen fort. Medienberichten zufolge sind in Baden-Württemberg Ortsschilder umgedreht worden, so auch in Hockenheim.
Warum gibt es Fördermittel für die Landwirtschaft?
Subventionen für den Agrardiesel oder die Entlastung bei der Kfz-Steuer sollen in der Landwirtschaft als „Ausgleich für die im weltweiten Vergleich sehr hohen Standards der EU-Staaten im Bereich Umwelt-, Tier- und Verbraucherschutz“ dienen, erklärt das Bundesinformationszentrum Landwirtschaft, das an die Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (BLE) angegliedert ist. Die höheren Auflagen würden die Erzeugung von Lebensmitteln verteuern, was dazu führe, dass die Weltmarktpreise für Agrarprodukte wie Fleisch oder Getreide in der Regel nicht ausreichen, um einen landwirtschaftlichen Betrieb in Deutschland wirtschaftlich zu führen. Mit den verschiedenen Fördermittel „waren wir zufrieden“, sagt der Ketscher Landwirt Heinrich Schuhmacher. Er erinnert sich, dass bereits 2019 die Diskussion rund um die Abschaffung der Steuerbefreiung für den Agrardiesel entfacht ist. „Damals haben wir auch demonstriert.“
Landwirte in Ketsch: Berufliches Umdenken setzt ein
Eine weitere Umstellung steht bei der Mehrwertsteuer an. So solle die Vorsteuerpauschale für Landwirte zum 1. Januar von 9,0 auf 8,4 Prozent sinken. Für den Verkauf ihrer Produkte dürfen die Landwirte bei der Umsatzsteuer anders abrechnen als Gewerbebetreibende. Der Wegfall dieses Betrages „kommt noch dazu“, sagt Heinrich Schuhmacher. Er arbeitet Vollzeit im Familienbetrieb, der sich aus Ackerbau, Milchkühen und dem Anbau von Spargel spezialisiert hat. „Wir können eigentlich nicht klagen“, sagt er. Sollten die geplanten Kürzungen kommen, wisse er nicht, wie es auf lange Sicht mit dem Betrieb weitergeht, könne sich aber weiterhin am Markt behaupten. „Ich gehe auf die 60 zu, aber meine Kinder sind noch jung“, sagt er. Ein Sohn sei bereits mit Anfang 20 nicht Vollzeit im Betrieb tätig, sondern arbeite in einem anderen Beruf.
Erschwerte Bedingungen in der Landwirtschaft und eine ausgeglichene „Work-Life-Balance“ führen seiner Meinung nach dazu, dass die Bereitschaft sinkt, einen Betrieb zu übernehmen.
Neues Standbein: Landwirte in Ketsch schauen nach Alternativen
„Nur von der Landwirtschaft kann ich nicht leben“, sagt Landwirt Hans Rinklef aus Ketsch. Der 69-Jährige hat den Hof seiner Eltern Ende der 60er-Jahre übernommen und viele Neuerungen und Änderungen in der Landwirtschaft miterlebt. Spezialisiert war der Betrieb damals auf Rinderhaltung, Tabak, Obst, Spargel- und Zuckerrübenanbau. Nach und nach hat der Landwirt die Produktion eingestellt – „weil die Auflagen zu groß waren oder wir nicht mit dem Weltmarktpreis mithalten konnten.“ Untätig habe er die Veränderungen in der Landwirtschaft nicht über sich ergehen lassen, sondern sich ein weiteres Standbein gesucht. So wurde 2008 das Unternehmen Landschaftspflege Rinklef gegründet. „Wir haben 70 Prozent der Arbeitsstunden aus der Landwirtschaft in die Firma eingebracht“, sagt er. Heute besteht der Hof der Familie Rinklef noch, allerdings wird nur noch Getreide angebaut. „Und keine Sonderkulturen mehr“. Auch sein Sohn verlagert sich mehr in den eigenen Gewerbebetrieb der Landschaftspflege und Spedition mit Schüttgütern mit Traktoren. Antrieb dafür sei unter anderem ein erheblicher Flächenverlust durch Ausgleichsflächen für Wohn- und Industriegebiete und PV-Anlagen, sagt er.
Mit den geplanten Wegfall der Fördermittel für die Landwirtschaft könne der Betrieb nicht mehr aus eigener Kraft finanzierbar sein. „Mein Sohn müsste sich verschulden, um den Betrieb weiterzuführen. Und dann irgendwann aufgeben.“ Für die Maschinen, die für das Bestellen der Felder und die Ernte benötigt werden, fallen schließlich laufend Kosten an. Zusätzlich zu einem vollen Preis für einen Tank und der Kfz-Steuer müssen Reparaturen der Maschinen geleistet werden. Außerdem richtet sich die Höhe der Steuer nach dem Gewicht der Fahrzeuge. „Und wir arbeiten nun einmal mit schweren Geräten“, sagt Schuhmacher.
Ketscher Bauern kritisieren Unverständnis aus Bevölkerung
Die Landwirte wünschen sich mehr Verständnis. „Das Jahr 2023 kann ein super Jahr gewesen sein. Das muss aber nichts heißen“, erklärt Heinrich Schuhmacher an einem Beispiel. In der Landwirtschaft müsse man sich die Ertragszahlen aus mehreren Jahren anschauen, zusammenzählen und den Durchschnitt davon berechnen. Erst dann könne man von einem guten oder schlechten Jahr sprechen. Grundsätzlich müsse ein Betrieb, um überleben zu können, nicht nur seine laufenden Kosten decken, sondern auch Gewinn machen. „Man kann nicht mit Verlusten leben“, sagt Heinrich Schuhmacher.
Und der Gewinn werde wieder in den Betrieb investiert. Sind die Landwirte mit größeren Maschinen und Schleppern auf dem Feld oder auf der Straße, komme es manchmal zu Konfrontationen mit Spaziergängern, Auto- oder Fahrradfahrer. So sei es nach Hans Rinklef auch schonmal zu Konflikten zwischen den Verkehrsteilnehmern gekommen. „Wir machen eine Arbeit, die draußen stattfindet und öffentlich ist“, sagt auch Heinrich Schuhmacher. Wenn er seine Pflanzen gegen Pilze behandle, komme manchmal der Vorwurf, Landwirte würden mit Giften arbeiten. „Das stimmt nicht, wir müssen uns an Regeln halten.“
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