Reilingen. Lässt man die vergangenen zwölf Monate vor dem geistigen Auge Revue passieren, dann kommt man um ein Thema mit Sicherheit nicht herum – die weiterhin grassierende Corona-Pandemie. Mannigfaltig hat sie das öffentliche Leben im Griff, auch auf kommunaler Ebene. „Unser Anliegen ist es, bei den Menschen zu sein – jeden Tag“, umreißt Bürgermeister Stefan Weisbrod die Motivation im Rathaus. Die Mitarbeiter der Gemeindeverwaltung betrieben das ganze Jahr über Krisenmanagement, sei es bei der Organisation der Testreihen, sei es bei jener der Impftermine.
Tops und Flops 2021
Tops
- Ohne den großen Einsatz der Angler, unter anderem vom ASV Reilingen, und von Dieter Rösch, dem Vorsitzenden des BUND Hockenheimer Rheinebene, wäre die Katastrophe am Kriegbach wohl noch größer ausgefallen. Bei mehreren Rettungseinsätzen wurden viele Fische geborgen. Zudem konnte ein Runder Tisch mit Vertretern der Behörden installiert werden, um Lösungen zu finden.
- Ein Pluspunkt der Gemeinde bleibt das rege Vereinsleben. Viele Veranstaltungen konnten mit Kreativität durchgeführt werden, beispielsweise die Turniere des Reitervereins, andere wurden in To-go-Veranstaltungen umgewandelt, beispielsweise die Bierverkostung der Musikfreunde.
- Mancher mag es als einen Flop bezeichnen, dass die Gemeinde am Ortsausgang in Richtung Neulußheim einen Blitzer erhält – für die Anwohner ist es auf jeden Fall ein Gewinn, können sie doch künftig auf ruhigere Nächte hoffen.
- Eindeutig ein Gewinn – die zweite Trinkwasserleitung ins Fördergebiet, die die Versorgungssicherheit erhöhen wird.
Flops
- Das große Sorgenkind der Naturschützer war im vergangenen Jahr der Kriegbach, der gleich mehrfach trockenfiel, was jeweils zu größeren Fischsterben führt. Mit als ein Grund wird die ungleiche Aufteilung des Wassers zwischen Kraichbach und Kriegbach genannt.
Ob jetzt aktuell über die Weihnachtszeit, als ein Impftermin in der Fritz-Mannherz-Halle organisiert werden musste, sei es am Jahresanfang, als die Rathausmitarbeiter mit der Koordination von Impfterminen beschäftigt waren, viel Freizeit und Wochenendarbeit wurde dem Virus geopfert. „Das sind wir den Bürgern schuldig“, stellt das Gemeindeoberhaupt fest, auf bessere Zeiten hoffend.
Hoffen auf bessere Zeiten
Und wenn sie kommen, dann wird gefeiert. Landauf, landab. Auch und gerade in Reilingen mit seiner gewachsenen Gemeinschaft, seinem lebendigen Vereinsleben. Ob Straßenfest oder Kerwe, ob Konzert in den Mannherz-Hallen oder Adventsmarkt – auf vieles haben die Menschen in diesem Jahr verzichten müssen. Wobei, für das Straßenfest haben sie mit dem Tag der Dorfgemeinschaft eine Alternative geboten bekommen, die zukunftsfähig ist, wohl mehr als nur ein Ersatz.
Doch auch den Bürgermeister schmerzt der Stillstand im öffentlichen Leben. Zahlreiche Projekte wurden in den vergangenen Monaten gezwungenermaßen lautlos zu Ende gebracht, ohne die Gelegenheit zu haben, der Öffentlichkeit zu zeigen, was mit ihren Steuergeldern geschaffen wurde. Als Beispiel nennt Weisbrod die Erweiterung der Schillerschule, die im Zuge des Umbaus zur Gemeinschaftsschule notwendig geworden war.
Weit über sechs Millionen Euro flossen in den Umbau, ohne dass dem Bürger bis dato ein Ergebnis präsentiert werden konnte. Eine für Ende Januar geplante offizielle Einweihung des Anbaus samt funkelnagelneuer Schulmensa steht dank der Omikron-Variante schon wieder zur Disposition. Ähnliches gilt für den im vergangenen Jahr fertiggestellten Erweiterungsbau des Oberlin-Kindergartens, für die neuen Räume der Kindertagesstätte „Haus der kleinen Sterne“ im E-Gebäude der Schillerschule bis hin zum neuen Martin-Luther-Haus der evangelischen Kirchengemeinde, das gleichfalls noch seiner öffentlichen Präsentation harrt.
Eine stattliche Liste von Gelegenheiten zum Feiern, die sich da aufgestaut hat. Wobei die nicht gefeierten Vereinsjubiläen noch nicht einmal erwähnt sind. Jüngstes Beispiel dürfte die Freiwillige Feuerwehr sein, die in diesem Jahr 125 Jahre alt wird, aber auf Feierlichkeiten wohl verzichten muss.
Doch zum Glück fielen im vergangenen Jahr nicht alle Feiern aus, eine, die zum Ende des Jahres hin ausgerichtet wurde, wird wohl noch lange nachhallen: Ehrenbürger Philipp Bickle wurde mit einem Empfang zu seinem 80. Geburtstag geehrt. In unserem Bericht über den Empfang haben wir den Jubilar als die „die personifizierte Geschichte seines Heimatortes, ein wandelndes Lexikon zu allen Fragen, die die Reilinger Historie betreffen“ bezeichnet. Völlig zutreffend, denn neben der von ihm initiierten Gründung der „Freunde Reilinger Geschichte“ hat sich Bickle als Gründer des Heimatmuseums um seine Heimat verdient gemacht. Den Vorsitz bei den Freunden Reilinger Geschichte hat er im Dezember nach 40 Jahren an der Spitze abgegeben, doch dank des einstimmig vom Gemeinderat beschlossenen Geburtstagsgeschenks wird er in der Öffentlichkeit noch lange präsent sein: Das Heimatmuseum trägt nun seinen Namen, wurde in „Philipp-Bickle-Heimatmuseum“ umgetauft.
Auch andere Anlässe konnten im vergangenen Jahr in Momenten, als das Virus öffentliches Leben zuließ, gefeiert werden. So das neue Vereinshaus des Turnerbundes Germania, der mit einer Investition von über 300 000 Euro aus seinem „Haisl“ am Sportplatz das Vereinsheim 4.0 schuf.
Auch ansonsten wurde viel in der Gemeinde gebaut, erinnert sei nur an die von der Kommunalen Wohnungsbaugesellschaft (KWG) in der Graf-Zeppelin-Straße neu geschaffenen 20 Wohnungen. Für den Bürgermeister eine Fleißleistung der KWG, aber dennoch nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Denn wollte die Gemeinde den Vorgaben aus Berlin folgen, müssten jährlich bis zu 100 neue Wohnungen geschaffen werden.
Die große Frage dabei lautet wo. Angedachte innerörtliche Verdichtungen, sei es im Geviert zwischen Wilhelm-, Kirchen-, Ziegel und Alter Friedhofstraße, sei es in der zweiten Reihe zwischen Zeppelin- und Hockenheimer Straße, mit seinen Vorstellungen hat sich Bürgermeister Weisbrod viel Ärger eingehandelt. Doch er ist überzeugt, die Gemeinde muss sich weiterentwickeln, weshalb er das Thema Wohnungsbau zur Chefsache machen wird.
Arbeiten am Entwicklungskonzept
Mit dem neu aufgestellten Gemeindeentwicklungskonzept, für das Reilingen einen Zuschuss für das Projekt Innenentwicklung erhält und das durch das Büro Steg moderiert wird, soll ein transparenter Diskussionsprozess in Gang gesetzt werden. Mit im Blick hat Weisbrod dabei sowohl das Gelände der alten Gärtnerei an der Walldorfer Straße. Von der Innenentwicklung bis zum neuen Baugebiet will Weisbrod die Gedanken ergebnisoffen spielen lassen. Und, um nochmals Corona aufzugreifen, sowie es die Lage zulässt, will er zu dem Thema eine Infoveranstaltung anberaumen.
Zwei Projekte, die im vergangenen Jahr in die Wege geleitet wurden, werden in diesem umgesetzt. Da ist zum einen der Umbau des Rathauses zu einem modernen, barrierefreien Entree in die Gemeindeverwaltung, in einer Woche sollen die Arbeiten beginnen und rund drei Monate andauern, zum anderen die geplante Erweiterung des Rewe-Marktes.
Hier ist die Gemeinde über die KWG Bauherrin, es werden rund 1,7 Millionen Euro investiert. Eine notwendige Erweiterung des „Hauptversorgers des Dorfes“, wie Weisbrod meint, die wohl nicht ohne Schließtage auskommen wird. Wahrscheinlich nach Ostern wird der Markt für eine kurze Zeit komplett geschlossen.
Ein weiteres Projekt, das in diesem Jahr zu einem guten Ende gebracht werden soll, ist der Jugendplatz bei der Schillerschule. Ein Vorhaben, das schon jetzt Früchte trägt – im Prozess der diskutierten Platzwerdung hat sich eine Gruppe von Jugendlichen gefunden, die künftig als Jugendgemeinderat Sprachrohr ihrer Generation sein will. Noch im Januar sollen die juristischen Grundlagen für die Wahl des Jugendgemeinderates im Gemeinderat beschlossen werden.
Weitere Vorhaben in der im vergangenen Jahr gefüllten Pipeline sind die Installation des Blitzers am Ortsausgang in Richtung Neulußheim, zur Zeit wird das Gerät geeicht, im März wird es wohl seinen Betrieb aufnehmen, oder die Sanierung des Hebewerks, die wohl mehrere Millionen Euro kosten wird und über die Eigenbetriebe Wasser und Abwasser finanziert werden muss.
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