Reilingen. Die Verteidigung der Demokratie und die Werte des Friedens waren die Themen bei der sechsten Auflage der Gesprächsreihe „Kurpfalz-Horizonte“ des Landtagsabgeordneten Daniel Born. Zum Polit-Talk im Wendelinushaus in Reilingen war der langjährige SPD-Bundestagsabgeordnete Professor Gert Weisskirchen eingeladen. Der stellvertretende Ortsvereinsvorsitzenden Jörg Bertermann begrüßte etwa 40 Zuhörerinnen und Zuhörer zu dem spannenden Diskurs über die vergangene und aktuelle Außenpolitik.
Gert Weisskirchen, von 1976 bis 2009 im Bundestag, war Vizepräsident der Parlamentarischen Versammlung der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE). Der erfahrene Außenpolitiker erinnerte zunächst an die 1977 in der kommunistischen Tschechoslowakei gegründete Bürgerrechtsbewegung Charta 77. Bereits als Student hatte er die Entwicklungen rund um den Prager Frühling 1968 aufmerksam verfolgt und später die tschechischen Dissidenten unterstützt.
Unterstützung von Deutschland für Ukraine ist „ein deutliches Zeichen“
Der Besuch von Bundeskanzler Olaf Scholz am Montagmorgen in Kiew sei ein „deutliches politisches Zeichen“ gewesen, dass Deutschland die Ukraine nach wie vor unterstützen wird. Dass die CDU die Solidaritätsbekundung für Präsident Wolodymyr Selenskyj als „Wahlkampfmanöver“ bezeichnet, sei „völlig deplatziert“. Weisskirchen war vor einigen Wochen selbst in Kiew. Deutschland werde dort als „verlässliche Stütze in Europa“ gesehen. Dass Scholz unlängst mit Putin telefoniert habe, findet der 80-Jährige auch richtig: „Jeder Krieg endet einmal in Verhandlungen. Wir müssen uns austauschen. Man kann Menschen nur einschätzen, wenn man mit ihnen spricht.“
Er sei nicht überrascht gewesen, dass sich Putin immer mehr zum Demagogen und Diktator entwickelt hat. Spätestens mit der Ermordung der mutigen Investigativjournalistin Anna Politkowskaja im Oktober 2006 sei klar gewesen: „Das wird schrecklich weitergehen.“ Der Publizist Freimut Duve habe in diesem Zusammenhang von „Censorship by killing“ („Zensur durch Mord“) gesprochen.
Kontakt zwischen Deutschland und Russland nach Putin Thema in Reilingen
Weisskirchen war früher Mitglied der deutsch-russischen Parlamentariergruppe. Diese Gesprächsfäden mit den russischen Kollegen seien abgerissen, es gebe aber noch Kontakte mit dissidentischen Gruppen: „Die müssen aufrechterhalten werden.“ Denn auch nach der Ära Putin lasse sich ein demokratischer Wandel „hervorzaubern“, zeigte sich der gebürtige Heidelberger optimistisch: „Nur wenn wir Hoffnung haben, kommen wir voran.“
Born zitierte Weisskirchen selbst: „Wir Europäer müssen wissen: Freiheitssehnsucht ist etwas, das uns alle miteinander verbindet, und wenn die unterdrückt wird, müssen wir solidarisch sein.“ Solidarität mit der Ukraine bedeute auch, in dieses Land zu fahren und die Schönheit seiner Städte und Menschen zu erleben.
Daniel Born diskutiert in Reilingen über Nato in der Ukraine
Mit den Luftangriffen auf Serbien 1999 habe die Nato keine andere Wahl gehabt, bedauert der ehemalige Kriegsdienstverweigerer den Kampfeinsatz im Kosovokrieg: „Das war damals ein Weckruf, dass die Zeiten sich ändern.“
Nur mit einem ausreichenden Maß an Sicherheit könne man Freiheit garantieren. Die Ukraine werde auf jeden Fall zu einem Mitglied der Nato. Der Landtagsabgeordnete Daniel Born berichtete von einer Vorleseaktion an der Pestalozzi-Grundschule in Hockenheim, Weisskirchen von einer Kulturveranstaltung in Wiesloch. Beide Male hätten ukrainische Kinder sich nach einer positiven Perspektive für ihr Land gesehnt.
Politik Talk in Reilingen: Donald Trump der „Systemsprenger“
Der wiedergewählte US-Präsident Donald Trump ist für den Demokratieschützer Weisskirchen ein „Systemsprenger“. Trump könnte zum Erfinder des Neonationalismus werden. Den USA könnte es dann schlechter gehen, das dürfte auch gefährlich werden für die Sicherheit Deutschlands. Den US-Demokraten attestierte er gravierende Fehler im Wahlkampf.
Im Hinblick auf die kommende Bundestagswahl fordert der ehemalige Professor für Sozialpädagogik ein „ökonomisch starkes Deutschland in einem starken Europa: Wir können die Zukunft der Europäischen Union besser machen“. Wer gegen Europa sei, „ist gegen unsere Nation“. Es gelte ohnehin, den Blick mehr auf die Welt zu richten. Born dankte seinem Gast für den fruchtbaren Dialog, der auch auf Youtube abgerufen werden kann.
Es folgte noch eine kurze Fragerunde zu den Themen Wirtschaft, Ukraine-Krieg und Israel-Gaza-Konflikt. Für Weisskirchen bedarf es künftig eines „schärferen Blicks auf Krisenmomente. Wir müssen da gegensteuern“. Deutschlands Rolle müsse klar sein, einen Einsatz deutscher Soldaten in der Ukraine werde es nicht geben, versicherte der Sozialdemokrat. Kanzler Scholz vollziehe einen schwierigen Balanceakt, behalte aber recht, sich bei der Lieferung von „Taurus“-Marschflugkörpern zurückzuhalten: „Er hat die Verantwortung, die ihm niemand abnehmen kann.“ Zu einem Friedensplan könne er nichts sagen, so Weisskirchen. Das sei allein die Entscheidung der Ukraine.
Nach dem Überfall der Hamas am 7. Oktober 2023 habe die Antwort Israels gar nicht anders ausfallen können, zitierte der ehemalige außenpolitischer Sprecher der SPD-Fraktion den Leitsatz der Publizistin Hannah Arendt (1906-1975): „Wenn man als Jude angegriffen wird, muss man sich als Jude verteidigen.“ Derzeit tobe im Nahen Osten ein schwerwiegender Konflikt. Er hoffe aber, dass Israel und die Palästinenser eines Tages doch wieder miteinander verhandelten und ein dauerhafter Friede erreicht werden kann. Die nächste Ausgabe der Kurpfalz-Horizonte von Daniel Born soll im Februar über die Bühne gehen.
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