Verwaltungsgemeinschaft/Reilingen. „Schweres und Schönes, sie liegen oft dicht beieinander.“ Mit diesen Worten begrüßte Hospizdienstleiterin Britta Schäfer zu den ökumenischen Hospiztagen im Wendelinushaus in Reilingen. Gemeint war der Vortrag „Wie ein Blitz aus heiterem Himmel“ des Notfallseelsorgers Thomas Eisermann, gekoppelt mit der (unbeabsichtigten) Tatsache, dass der Kirchenchor zeitgleich im Zimmer nebenan probte.
Thomas Eisermann, im Zivilberuf Gefängnisseelsorger in der Justizvollzugsanstalt Mannheim, ist ehrenamtlicher Leiter des Feuerwehr-Seelsorge-Teams (FST) im Kreisfeuerwehrverband Rhein-Neckar-Kreis. In der Region ist der in Gaiberg lebende Theologe vielen noch als Hockenheimer Pastoralreferent bekannt.
Der Referent erläutert bei seinem Vortrag in Reilingen die Aufgaben der Notfallseelsorge
In seinem gut 90-minütigen Vortrag erläuterte Eisermann die Aufgaben des Notfallseelsorge-Teams, die Art, wie es sich organisiert, neue Mitglieder gewinnt, wo Herausforderungen liegen und wie sich gesellschaftliche Veränderungen auf die Arbeit auswirken. Untermauert wurde der kurzweilige, informative Vortrag, der auch viel Raum für Fragen ließ, mit Zahlen aus der Statistik, sodass sich die Zuhörer ein umfassendes Bild machen konnten.
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„Die Aufgabe von Christen, Menschen an der Schwelle zum Tod zu begleiten, ist aktuell wie eh und je“, erklärte Thomas Eisermann. Daran habe sich nichts geändert, auch wenn Professionalisierung und Institutionalisierung den Tod aus dem häuslichen Bereich in die Kliniken verlagert habe.
Zu seinem Notfall-Seelsorgeteam zählen derzeit 35 ehrenamtliche Mitarbeiter: Seelsorger der beiden Kirchen, Ärzte, Psychologen und Mitarbeiter der Polizei, des Rettungsdienstes und der Feuerwehr. Sie sind 365 Tage und 24 Stunden am Tag erreichbar und kümmern sich vor Ort nach schweren Unfällen oder sonstigen Katastrophen um traumatisierte Menschen.
Vortrag in Reilingen: Auch Erste Hilfe für die Seele ist von großer Bedeutung
Erste Hilfe für die Seele oder psychosoziale Notfallversorgung (PSNV) wie es im Fachjargon heißt, das ist ihre Aufgabe. Sie umfasst die kurzfristige Betreuung am Unglücksort und danach, wenn der Betroffene oder auch Angehörige das wünschen sowie bei Bedarf eine Weitervermittlung an einen Traumatherapeuten.
Der Einsatzbereich des Teams erstreckt sich über den gesamten Rhein-Neckar-Kreis und die Stadt Heidelberg. 180 bis 200 Einsätze pro Jahr gibt es durchschnittlich. 2023 bedeutete dies konkret: 166 Einsätze, 1615 Stunden Arbeit und die Betreuung von 1103 Personen.
Über einen Einsatz der Seelsorger entscheide immer der Einsatzleiter am Unglücksort, da er den Überblick über die Situation habe und sehe, was gebraucht werde, so Eisermann. Als in Mannheim ein Mann bei der Veranstaltung der islamkritischen Bewegung Pax Europa (BPE) mehrere Menschen mit einem Messer verletzte und einer der eingreifenden Polizisten seinen Verletzungen erlag, mussten alle Kräfte gebündelt werden.
Vortrag in Reilingen: Verbindung von technischem Fortschritt und Akzeptanz von Gefahren
Thomas Eisermann umriss aber nicht nur das Aufgabenfeld der Notfallseelsorge, sondern zeigte auch das Spannungsfeld zwischen Macht und Ohnmacht auf, in dem sich diese Arbeit bewegt. Der medizinische und technische Fortschritt sei enorm, weshalb die Menschen immer weniger bereit seien, Gefahren und Katastrophen hinzunehmen. Es existiere eine Erwartungshaltung, dass alles in den Griff bekommen werden müsse. Wenn dann dennoch einmal alle Bemühungen scheiterten, dann sei das oft für alle schwer und belastend – nicht nur für die Angehörigen, sondern auch für die Helfer.
Info: Letzter Termin der Reihe: Pfarrer Müller spricht am Montag, 10. Juni, 19 Uhr, in St. Christophorus in Hockenheim (Obere Hauptstraße 6) in seinem Vortrag „Fürsorge – Selbstfürsorge“ über einen Balanceakt, dem sich pflegende Angehörige oft tagtäglich ausgesetzt fühlen.
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