Interview

Abschied von Detlev Helmer in Schwetzingen: Es wird "nur eben anders"

Kirchenmusikdirektor Detlev Helmer steht endgültig der große Abschied in Form eines tatsächlich finalen Konzerts bevor. Doch wie geht es ihm direkt vor dem großen Tag?

Von 
Katja Bauroth
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Detlev Helmer freut sich am Sonntag über eine volle Kirche. Dann organisiert er sein letztes Konzert. © Lenhardt

Schwetzingen. Das Ereignis am Silvesterabend in der evangelischen Stadtkirche in Schwetzingen darf durchaus als eine Art Zapfenstreich angesehen werden. Denn an diesem Sonntagabend, an diesem 31. Dezember um 21 Uhr, gibt es zum einen Wunschmusik, wie man es von großen Aufmärschen etwa bei scheidenden Kanzlern kennt, und gleichzeitig wird damit jemand final verabschiedet: nämlich Kirchenmusikdirektor Detlev Helmer. Zusammen mit der Saxofon-Formation „Saxparagus“ des Musikvereins Stadtkapelle Schwetzingen und Uwe Dittes am Schlagzeug gibt er das ultimativ letzte Konzert seiner Berufszeit. Im Abschiedsjahr hat er es – salopp gesagt – noch einmal richtig musikalisch krachen lassen. Und wie geht es ihm einen Tag vor dem Start in einen neuen Lebensabschnitt? Wir haben nachgefragt.

Herr Helmer, Ihr finales Dienstjahr neigt sich dem Ende entgegen. Wie blicken Sie auf die Ereignisse zurück?

Detlev Helmer: Mit Dankbarkeit und Stolz. Dankbar, weil ich noch viele Projekte umsetzen konnte, die ich mir vorgenommen hatte. Und weil ich eine breite und wertschätzende Unterstützung dabei erfahren durfte. Stolz, weil all diese Projekte wie die in den Jahren zuvor so gut gelungen sind.

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Sie hatten das diesjährige Kantoreiprogramm auch so ein bisschen nach Ihrem Gusto aufgebaut. Hat es Ihre Erwartungen getroffen und welches Feedback hat Sie von den Zuhörern erreicht?

Helmer: Vieles hat meine Erwartungen nicht nur getroffen, sondern auch übertroffen. Wie und ob ein Konzert gut und ansprechend gelingt, können Sie vorab nicht planen. Sie können die Vorbereitungen so gut wie möglich treffen – aber im Moment des Geschehens muss man es auch bei aller Konzentration geschehen lassen. Das Feedback der Zuhörer steigerte sich von Konzert zu Konzert. Die letzten Konzerte waren schon vorab ausverkauft und erfreuten sich großer Zustimmung und Beliebtheit. Natürlich auch bei den Mitwirkenden selbst. Auch die Musikgottesdienste rechne ich dazu. Das zeugt(e) von einer großen Akzeptanz und einer ebenso großen Wertschätzung der Kirchenmusik, meiner Arbeit und meiner Person.

Wenn der 31. Dezember verstrichen ist, was werden Sie am 1. Januar zuerst einmal machen im „neuen Lebensabschnitt“?

Helmer: Langsam und lange ausatmen. Das letzte Jahr war sehr anstrengend und hat mich sehr gefordert. Da muss man auch mal wieder „runterkommen“ – wie man so schön sagt. Genau wie in der Musik sind auch im Leben Pausen sehr wichtig. Sonst klappt man irgendwann zusammen. Oder verliert die Freude, Energie und Kreativität.

Gibt es bereits einen Nachfolger?

Helmer: Glücklicherweise kann die Stelle wie bisher zu 100 Prozent gehalten werden. Ende Juli wurde in einem Bewerbungsverfahren ein Nachfolger gewählt: Paul Hafner. Er kam sogar schon in meine letzten Chorproben zum Kennenlernen und hat bei meinem Abschiedsgottesdienst aktiv im Posaunenchor mitgespielt. Ich wünsche ihm alles Gute und viel Erfolg bei der Weiterführung beziehungsweise Umsetzung seiner Begabungen und Ideen.

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Die Kirchen stellen sich neu auf, auch die evangelische Gemeinde in Schwetzingen. Inwieweit haben Sie hier noch Ideen mit eingebracht beziehungsweise: Interessiert das den scheidenden Kirchenmusikdirektor überhaupt noch?

Helmer: Die schwindenden Steuereinnahmen zwingen die Kirchen zu großen Sparmaßnahmen. Das Ziel (nicht nur) der badischen Landeskirche ist, in allen Bereichen bis zu 30 Prozent einzusparen. Bei den Gebäuden, im Personal und in den Etats. Da wird es sehr große Schnitte geben, die schmerzen. Rückblickend können wir sagen: Wir hatten noch eine „goldene“ Zeit, weil wir viel umsetzen und ausbauen konnten. Für die Zukunft gilt es, mit weniger Ressourcen klarzukommen, neue Wege zu finden und neue Kooperationen einzugehen. Das erfordert Kreativität, gemeinsames Denken und Planen, Bereitschaft, Dinge zu lassen und Neues auszuprobieren. Klingt eigentlich spannend – aber ich bin froh über das, was ich machen konnte und dass ich nun die Streichungen und Änderungen nicht mehr weiter begleiten und durchdiskutieren muss.

Was wünschen Sie sich für die Kirchengemeinde und die Kirchenmusik in Schwetzingen, wenn es jetzt ohne Sie weitergeht?

Helmer: Diese Frage hängt ja auch mit der vorherigen zusammen. Ich wünsche den haupt- und nebenberuflichen und den ehrenamtlichen Mitarbeitern gute Lösungen für schwierige Fragen und Zeiten. Ein gutes Miteinander, denn ohne Miteinander funktioniert es nicht. Ich wünsche der Kirchenmusik, dass sie lebendig bleibt und dass sich immer wieder Menschen finden, die zum Musizieren bereit sind und erfahren und erkennen, wie wichtig Musik im Leben ist. Die hauptsächliche Erfahrung in meinem Beruf war und ist, dass sich mit und durch Musik unglaublich viele Menschen durch alle Generationen berühren und gewinnen lassen – auch außerhalb von Kirchenzugehörigkeit. Ich wünsche allgemein den Kirchen und Gemeinden diese Erkenntnis. Und den Mut, weiterhin viel oder sogar noch mehr in Musik zu investieren – trotz aller Sparmaßnahmen. Denn Musik berührt die Seele. Da hat der Glauben nicht Priorität. Wenn Kirche „nur funktioniert“ wie ein Betrieb oder Geschäft, das auf Profit aus ist, aber dabei die Seelen und Herzen nicht berührt, wenden sich die Menschen ab. Die Kirchenmusik wird auch ohne mich weitergehen. Es gab eine Kirchenmusik vor mir und es wird eine nach mir geben. Nur eben anders.

Autor Katja Bauroth liebt Begegnungen und Storys - im Lokalen und auf Reisen.

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