Schwetzingen. Weihnachtliches Pathos passt nicht zum künstlerischen Konzept von Quadro Nuevo, die mit dem sanften Swing der Dezember-Melancholie aber dennoch eine tröstliche Atmosphäre schaffen, dank der dann auch das Bild vom Stall in Bethlehem ein paar warme Farbtöne bekommt. Zwischen ihren Tourneestationen am bayerischen Chiemsee und Berlin machten die Musiker des populären Weltmusikensembles Halt in Schwetzingen. Der soeben in den Ruhestand gewechselte Bezirkskantor Detlev Helmer hieß sie im Lutherhaus zum zweiten Mal nach 2017 willkommen.
Quadro Nuevo sind derzeit zu fünft unterwegs. Neben dem Kerntrio mit Mulo Francel (Tenorsaxofon, Klarinette), Didi Lowka (Bass, Perkussion) und Andreas Hinterseher (Akkordeon, Trompete) gehören Philipp Schiepek (Gitarre) und Tim Collins (Vibraphon) aktuell zum Ensemble. Der New Yorker Vibraphonist bereichert den Sound von Quadro Nuevo vor allem durch seine jazzig-harmonischen Improvisationen, die Gitarrist Philipp Schiepek mit seinen filigranen Fingerpickings erwidert.
Zum Auftakt ihres adventlich geprägten Konzerts in Schwetzingen erklingt eine Instrumentalversion des Liedes über Dietrich Bonhoeffers „Von guten Mächten“, das mit seinem lässigen Groove zugleich ein Hoffnungszeichen setzen soll in einer von dunklen Mächten beherrschten Welt. Dass das Stück übergeht in eine Version von „Maria durch ein Dornwald ging“ lässt sich denn auch nicht nur musikalisch nachzuvollziehen.
Die Anstrengungen der Tournee sind den fünf Musikern von Quadro Nuevo anzusehen. Trotzdem lassen sie sich ihre Spielfreude nicht nehmen, die sie immer wieder zu improvisatorischen Höhenflügen anleitet, zwischendurch aber auch lässig-verschmitzten Humor verrät. Etwa wenn Akkordeonist Andreas Hinterseher zum Flügelhorn greift und mit Saxofonist Mulo Francel die Melodie des österreichischen Weihnachtsliedes „Es wird scho glei dumpa“ anstimmt und die rustikale Volkstümlichkeit dieses Krippenszenarios süffisant überzeichnet. Während Hinterseher zur Melodika wechselt, macht es sich Francel auf dem Bühnenboden gemütlich und bläst im Liegen weiter. Dazu ertönt, als wäre es der Skurrilitäten nicht genug, adventsabendliches Glockengeläut vom nahen Kirchturm.
Behutsame Atmosphäre im Schwetzinger Lutherhaus
Und das alles nach einem furiosen Ritt, den Quadro Nuevo durch den heißten Wüstensand Ägyptens unternommen haben. Solche Kontraste lockern die versonnene, jeglichem Weihnachtstrubel abholden adventliche Stimmung übermütig auf. Dass Gitarrist Philipp Schiepek sein Stück „Dezember“ im Sommer geschrieben haben will, tut dieser behutsamen Atmosphäre keinen Abbruch. Und es gehört wohl reichlich musikalische Souveränität und auch Chuzpe dazu, nach dem kalauernden Stück „Sieben zu eins“, das auf eine legendäre deutsch-brasilianische Begegnung anspielt, zum Thema des von spiritueller Glaubenshoffnung erfüllten Bachchorals „Jesus bleibet meine Freude“ überzuwechseln.
Mit einem Stück, das stilistisch und idiomatisch ins vom Erdbeben schwer gezeichnete türkisch-syrische Grenzgebiet führt, wechseln Francel vom Saxofon zur Klarinette und Bassist Lowka an die Percussions. Ein Titel, der von leidenschaftlichen dynamischen Steigerungen geprägt ist und eine Pause einleitet, in der sich die fünf von Quadro Nuevo an ihren mit Musikalben, Noten und Spirituosen schwer bepackten Verkaufstisch begeben, der von konzertbegeisterten Besucher und Besucherinnen bestürmt wird.
Mit dem „Mocca Swing“ geht es weiter, in dem sich Gitarrist und Vibraphonist in fliegenden Wechseln die Bälle zuwerfen. Und wer hätte gedacht, dass sich der entfesselnd wirkende Tango Nuevo von Astor Piazzolla, den Andreas Hinterseher nun am Bandoneon anklingen lässt, als Vorspiel zum deutschen Weihnachtslied „Es ist ein Ros entsprungen“ entpuppt, das Mulo Francel mit dem Saxofon anstimmt, während er langsam durch den Saal spaziert. Die letzte Zugabe führt noch einmal in den Stall von Bethlehem, wo Ochs und Esel ihren warmen Atem in die Kälte der Nacht blasen. Verklärendes Pathos wäre hier wirklich fehl am Platz.
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