Schwetzingen. „Assistenzhunde leisten einen unschätzbaren Beitrag für Menschen mit Behinderung“, weiß Erich Gaa aus Schwetzingen und begründet: „Sie fördern die Selbstständigkeit, schenken Sicherheit und ermöglichen gesellschaftliche Teilhabe.“ Auch er persönlich sei auf einen tierischen Begleiter angewiesen, erklärt der Schreiner- und Bestattermeister. Und doch steht sein Alltag seit Monaten immer wieder still – nicht wegen Krankheit oder Tier, sondern wegen einer gesetzlichen „Verschlimmbesserung“, die vor allem eines mit sich bringt: Bürokratie.
Als Diabetiker auf Assistenzhund angewiesen
Erich Gaa ist Diabetiker. Seit 2019 begleitet ihn deshalb seine Hovawarthündin „Candy“, ein Diabetiker-Assistenzhund, der Unterzuckerungen anzeigt, „schneller und zuverlässiger als jeder Sensor“. Sie hat eine 18-monatige Ausbildung absolviert und 2021 erfolgreich bestanden. Allerdings sei sie rund um die Uhr im Einsatz, Feierabend oder Urlaub gibt es für die vierbeinige Dame nicht. Um „Candy“ zu entlasten, holte Gaa in diesem Jahr eine zweite Hündin: „Lexy“. Doch ihre Ausbildung darf sie derzeit gar nicht beginnen.
Der Grund ist absurd und symptomatisch für das, was Gaa selbst „die Ausbildung in den Mühlen der Bürokratie“ nennt: Seit April 2024 gibt es in Deutschland keine einzige anerkannte Zertifizierungsstelle mehr. Damit kann keine Hundeschule und kein Trainer offiziell zugelassen werden – und keine Mensch-Hund-Gemeinschaft ihre Prüfung ablegen.
Assistenzhundeverordnung bringt Bürokratie
Die Assistenzhundeverordnung (AHundV), die seit 2023 gilt, sollte eigentlich Einheitlichkeit und Qualität schaffen. Sie legt fest, wer ausbilden darf, welche Inhalte verpflichtend sind und wie geprüft wird. Doch die Realität sieht anders aus: Die dafür vorgesehene „fachliche Stelle“ – die Deutsche Gesellschaft zur Präqualifizierung im Gesundheitswesen (DGP) – gab ihre Akkreditierung im April 2024 wieder zurück. Begründung: „Eine qualitätsbringende Zertifizierung ist mit der aktuellen Assistenzhundeverordnung nicht möglich.“
Seitdem herrscht Stillstand. „Es gibt seit April 2024 keine Zertifizierungsstelle und damit auch keine zugelassenen Ausbildungsstätten“, berichtet Gaa. Das bedeutet: Selbst fertig ausgebildete Teams können sich nicht prüfen lassen – ihre Hunde sind rechtlich gesehen „nur Tiere“ und verlieren alle Zutrittsrechte, die sie für den Alltag dringend brauchen.
Kein Zugang für die tierischen Begleiter in Schwetzingen
Was das in der Praxis bedeutet, beschreibt der Diabetiker eindringlich: „Ohne Anerkennung können Assistenzhunde ihre Menschen nicht überall hin begleiten – kein Zugang zu Arztpraxen, Schulen, öffentlichen Verkehrsmitteln oder zum Arbeitsplatz.“ Für viele Betroffene ist das ein Rückschritt in die Isolation. Dabei betrifft das Problem längst nicht nur Diabetiker: Auch Epilepsie-, Autismus-, PTBS- oder Mobilitätshunde seien betroffen – „Tiere, die für ihre Menschen buchstäblich Lebensretter sind“.
Hinzu kommt die finanzielle Belastung: „Mit Ausnahme des Blindenführhundes bezahlt kein Kostenträger die Ausbildung“, so Gaa. „Wir reden hier über eine fünfstellige Summe, die Betroffene selbst stemmen müssen – ohne die Gewissheit, dass ihr Hund am Ende überhaupt anerkannt wird.“
Besonders bitter: Eine Übergangsregel, die laufende Ausbildungen absicherte, lief am 30. Juni 2024 aus. Hunde-Trainer und in diesem Feld engagierte Organisationen, wie beispielsweise der Verein Assistenzhunde, hatten beim Bundesarbeitsministerium mehrfach um Verlängerung gebeten – vergeblich. „Der Bundestag hat die Verlängerung bisher nicht beschlossen“, fasst Gaa frustriert zusammen.
Gesetzgeber erkennt die Problematik
Dabei hatte der Gesetzgeber selbst erkannt, wie essenziell diese Tiere sind. Auf der Homepage des Bundesarbeitsministeriums heißt es nämlich: „Assistenzhunde leisten einen wichtigen Beitrag im Zusammenleben mit ihren Menschen. Sie signalisieren gesundheitliche Notlagen und können als Begleiter Leben retten.“
Diese Einsicht bleibt bislang allerdings folgenlos. Zwar heißt es seit Februar 2025 vom Ministerium, man arbeite „mit Hochdruck“ an einer Übergangslösung – doch die Betroffenen warten weiter. Gaa hat mittlerweile jegliches Verständnis verloren: „Wir haben in der Bundesrepublik ausgebildete Teams, die sich nicht prüfen und anerkennen lassen können. Das ist ein unhaltbarer Zustand.“
Gaa formuliert es in seiner scheinbar ausweglosen Lage nun deutlich: „Es ist höchste Zeit, dass die Regelung der Assistenzhundeausbildung nicht in den Mühlen der Bürokratie zerrieben wird.“
Eine klare Forderung, die dringlicher kaum sein könnte. Denn solange der Gesetzgeber nicht handelt, bleiben Hund und Mensch – buchstäblich – auf der Strecke.
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