Schwetzingen. Raphalea Gromes gilt als derzeit beste und erfolgreichste Cellistin in Deutschland. Zusammen mit ihrem Mann, dem bekannten Pianisten und Arrangeur Julian Riem, mit dem sie auch seit 13 Jahren ein erfolgreiches Duo bildet, verbringt sie fast den ganzen Mai in Schwetzingen als Residenzkünstlerin bei der SWR Festspielen. Wir haben mit ihr über die Stadt, über Spargel, ihre Musik und ihr Engagement für Komponistinnen und die Ukraine gesprochen.
Frau Gromes, sind Sie zum ersten Mal in Schwetzingen?
Raphaela Gromes: Nein, ich habe mich vor zwei Jahren hier mit Cornelia Bend getroffen zu einer Art Bewerbungsgespräch. Wir haben uns dann zusammen die Konzertsäle im Schloss angeschaut und ich habe ihr über die musikalischen Ideen erzählt, die ich für dieses wunderbare Ambiente habe. Ich fand die Atmosphäre hier gleich sehr inspirierend. Ich freue mich sehr, dass ich als Artist in Residence jetzt auch tatsächlich den ganzen Mai hier in Schwetzingen wohne und vor Ort bin!
Sie sind ja seit dem Eröffnungstag hier, wie gefällt es Ihnen hier?
Gromes: Es ist fantastisch hier! Ich habe schon mehrfach in verschiedenen Restaurants Spargel gegessen und war auch beim Spargelsamstag dabei. Das war ein toller Kontrast, wie die Stadt draußen feiert und im Schlossgarten diese Ruhe herrscht - wie in zwei verschiedenen Welten, die doch zusammengehören.
Werden Sie eigentlich erkannt, wenn Sie in der Stadt unterwegs sind?
Gromes: Manchmal, aber das ist eher die Ausnahme. Es kommt am Flughafen mal vor, wenn ich das Cello dabei habe, dass mich jemand anspricht. Ich freue mich darüber und fühle mich nicht irgendwie belästigt. Auch wenn ich als Cellistin sehr bekannt bin, muss man ja bedenken, dass sich vielleicht fünf Prozent der Bevölkerung für Klassik interessiert. Wir sind also längst nicht so bekannt wie ein Pop- oder Rockstar.
In allen ihren Konzerten sind ja Komponistinnen Teil des Programms. Mit „Femmes“ haben Sie dazu ja auch 2023 eine CD veröffentlicht?
Gromes: Ja, das ist mir sehr wichtig. Anfangs dachte ich ja, mit der CD, auf der 24 Werke verschiedener Komponistinnen veröffentlicht sind, hätte ich das Thema erstmal abgehakt - aber mein Duopartner Julian Riem und ich entdecken immer wieder andere Namen mit wunderbaren Werken. Tatsächlich war Femmes erst der Anfang! Im Herbst erscheint die Folge - Cd bei Sony, wieder ein Doppelalbum, diesmal mit Cellokonzerten und Sonaten von Komponistinnen. iAußerdem habe ich gemeinsam mit der Musikwissenschaftlerin Susanne Wosnitzka ein Buch geschrieben, das zur Frankfurter Buchmesse im Goldmann-Verlag erscheinen wird. Es heißt „Fortissima“ und erzählt von den Komponistinnen und auch viel aus meinem Leben und von meinen Erlebnissen als Musikerin.
Auch hier finden sich in meinen Programmen Komponistinnen: Im ersten Konzert bei den Festspielen haben wir mit der Faust Ouvertüre ein Werk von Emilie Mayer gespielt, die ja derzeit eine regelrechte Renaissance erlebt. Am Mittwoch, 21. Mai, spielen wir dann unter dem Titel „Wunderkinder“ das Klaviertrio von Clara Schumann, das sie als 25-Jährige geschrieben hat, noch ein Jahr bevor ihr Mann Robert seines verfasste. Und wir spielen das Klaviertrio der zeitgenössischen Komponistin Lera Auerbach – ein sehr spannendes Werk und eine erfrischende Abwechslung. Bei unserem Konzert mit dem Signum Saxophonquartett gibt es dann neben Gershwin und Gulda auch Nadja Boulanger zu hören und in meinem letzten Konzert der Residenz Clara Schumann und Helene Liebmann.
Sie spielen ja auf einem sehr besonderen Instrument – auf einem Violoncello von Carlo Bergonzi aus dem Jahr 1740. Was ist das Besondere an dem Instrument?
Gromes: Mäzene haben mir die Möglichkeit gegeben, ein solch besonderes Instrument zu spielen. Ich habe im Vorfeld mehrere Monate lang verschiedene Instrumente ausprobiert, alle waren auf ihre Art wunderbar. Aber erst bei Bergonzi hatte ich das Gefühl, dass alles stimmt. Es ist meine große Liebe. Das Instrument hat eine große Kraft und Präsenz und doch kann es auch schlicht klingen, denn jede Musik braucht andere Farben. Dieses Cello ist ein absoluter Allrounder - nur drei Celli dieses Geigenbauers sind derzeit bekannt und meins ist das einzige, das aktiv gespielt wird.
Die Konzerte
- Mittwoch, 21.Mai, 19.30 Uhr, Mozartsaal: „Wunderkinder“, Klaviertrio mit Eldbjørg Hemsing und Alexei Volodin mit Werken von Clara Schumann, Lera Auerbach und Felix Mendelssohn Bartholdy.
- Mittwoch, 28.Mai, 19.30 Uhr, Rokokotheater: „Limitless“ mit dem Signum Saxophon Quartett und Julian Riem, Werke von Gulda, Bernstein, Gershwin und Boulanger.
- Donnerstag, 29.Mai, 11 Uhr, Mozartsaal: Duokonzert mit Julian Riem, Uraufführung von Johannes Wiedenhofers „Verführung“ und Werke von Helene Liebmann, Beethoven, Brahms und andere.
Welche Bedeutung hat es denn in Ihren Kreisen, bei den Festspielen in Schwetzingen Residenzkünstlerin zu sein?
Gromes: Schwetzingen ist das größte Radio-Klassikfestival der Welt. Der Anspruch des Publikums hier ist hoch und alle unsere Konzerte werden aufgezeichnet und in aller Welt ausgestrahlt. Das hören natürlich auch Konzertveranstalter und Orchesterchefs in der ganzen Welt. Daher ist es natürlich eine große Ehre, hier so oft auftreten zu dürfen.
Neu ist dieses Jahr das Format „Mit dem Star an der Bar“. Wie war das am Sonntag für Sie?
Gromes: Ich war sehr gespannt und es hat wirklich Spaß gemacht. Die Leute haben interessante Fragen gestellt und ich bin ja absolut offen für solche Formate und für den Kontakt mit den Menschen. Deshalb wollten wir ja längere Zeit an einem Ort sein, um die Stimmung aufzunehmen und natürlich auch, um neue Werke zu üben.
Sonst sind Sie wahrscheinlich dauernd unterwegs, oder?
Gromes: Ja, das stimmt. Auch in der Zeit in Schwetzingen war es nicht zu vermeiden, dass ich für einige Tage nach Japan zu Konzerten reisen muss: Ich spiele dort Mitte Mai mein Debut mit dem Cellokonzert von Antonin Dvorak. Zum einen bereite ich mich also auf das nächste Konzert vor, zum anderen übe ich schon für andere Konzerte in ein paar Wochen neue Werke ein. Da muss man gut umschalten können.
Auf welches Konzert hier in Schwetzingen freuen Sie sich besonders?
Gromes: Auf das Gulda-Konzert mit dem Signum Saxophon Quartett am 28. Mai. Es ist das mitreißendste und vielseitigste Cellokonzert, das es überhaupt gibt! Und auf die Matinee an Christi Himmelfahrt mit Julian zusammen. Da geht es nochmal ganz um das Motto Verführung. Wir stellen zwei Werke gegenüber, die sich mit Opernparaphrasen zur Liebe beschäftigen: Beethovens Variationen über Mozarts „Bei Männern, welche Liebe fühlen“ und Helene Liebmann, die sich lässt in ihrer Grande Sonate B-Dur von Mozarts Don Giovanni inspirieren ließ. Diese Sonate ist übrigens ein wahres Juwel, das viel zu selten gespielt wird. Dazwischen gibt es eine Welturaufführung eines Werkes, das der 19-jährige Johannes Wiedenhofer eigens für das Festival komponiert hat, ebenfalls zum Thema Verführung. In dem Fall aber über Delphine, die sich in der Nacht in junge Männer verwandeln... Wiedenhofer ist ein genialer Komponist, er hat zuletzt für das BR Sinfonieorchester und Simon Rattle ein Werk geschrieben. In der zweiten Hälfte stellen wir dann Clara Schumanns Romanzen der F-Dur-Sonate von Johannes Brahms gegenüber, unserer absoluten Lieblingssonate der Romantik.
Wie geht es Ihren Freunden in der Ukraine? Sie waren ja mit dem Sinfonieorchester der Ukraine auf Tournee und haben auch in Kiew gespielt.
Gromes: Ich habe tatsächlich im Dezember 23 ein Konzert in Kyjiw gespielt. Das Erlebnis dort waren sehr bewegend für mich. Immer wieder gab es Luftalarm, dann mussten wir in die Schutzräume. Aber sonst wirkte Kyjiw, als herrsche ganz normales Leben. Die Menschen lassen sich nicht unterkriegen. Wir haben anschließend eine gemeinsame Cd aufgenommen mit dem Cellokonzert von Dvorak und Werken ukrainischer Komponistinnen und Komponisten. Bei unserer Tournee letzten Herbst war es uns wichtig, zu zeigen, dass es fantastische ukrainische Musik gibt. Denn durch den russischen Angriffskrieg ist auch die ukrainische Kultur und Identität massiv bedroht. Die Besucher der Konzerte waren immer sehr bewegt, sie hatten in die Konzertsäle ukrainische Flaggen mitgebracht, um ihre Solidarität zu zeigen. Und spätestens beim „Friedensgebet“, das wir immer als Zugabe spielten, flossen die Tränen. Immer, wenn es Angriffe auf Kyjiw gibt, frage ich bei meinen Freunden dort nach, wie es ihnen geht. Hoffentlich gibt es bald Frieden, aber bei der chaotischen Herangehensweise von Trump zweifeln die Ukrainer sehr daran. Vor allem daran, dass der Frieden lange anhalten wird.
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