Schwetzingen. Ein Scheinwerfer leuchtet den Arbeitsbereich im Erdgeschoss des städtischen Museums Karl-Wörn-Haus in Schwetzingen hell aus. Eik Lehmann (41) steht auf den obersten Stufen der Treppenleiter. Mit einer Lanzette – einer feinen Spachtel – bearbeitet er konzentriert den Kopfbereich mit dem Birett des Heiligen Nepomuk. Der Diplom-Restaurator ist seit einigen Wochen dabei, dieses besondere Kultur- und Kunstdenkmal der Stadt in Form zu bringen. Man könnte auch sagen: „Doktor“ Lehmann operiert am offenen Sandstein.
Der Vergleich mit einer Schönheitsoperation ist dabei gar nicht so abwegig. In Nepomuks Korpus stecken grüne Schläuche, die an Katheterzugänge erinnern. „Mit einer Spritze gebe ich hier Rissverpressmasse hinein“, verdeutlicht Lehmann einen Prozess, der das Gestein wieder fester werden lassen soll. Risse in der Statue werden so verdichtet. Um die Schläuche anzubringen, musste er zuvor mit einem Schlagbohrer Löcher in die Figur bohren – sogar in die Stirn von Nepomuk. Dann überpinselte er alles mit einer Epoxidharzschicht, die an eine Gesichtsmaske erinnert. Diese glänzende Versiegelung lässt sich ganz einfach vom Stein wieder abziehen.
Heiliger Nepomuk von Schwetzingen hat schon viele Kuren erlebt
Der Heilige Nepomuk erduldet das Gebaren ohne einen Mucks. Er scheint zu wissen, dass es nur zu seinem Besten ist. Und: Es ist nicht das erste Mal, dass ein Fachmann seinen Körper wieder in Form bringt. Aufzeichnungen zufolge musste das Denkmal aus dem Jahr 1751 immer wieder in „Kur“ – erstmals wohl im Jahre 1883. Bis dahin schmückte es die Johannisbrücke (auch Johannesbrücke). Im Dezember 1911, so ist weiteren Schriftstücken zu entnehmen, war eine erneute Reparatur notwendig geworden.
„Bildhauer Ernst Hassler aus Schwetzingen schlug vor, die beiden fehlenden Hände, das Gewand, die Nase und die Inschrift (im Sockel) zu erneuern.“ Die Ersatzteile sollten laut Angebot dem Tonmodell angepasst, in Gips geformt und schließlich aus Stein gefertigt werden. Damals wurden hierfür Kosten in Höhe von 100 Mark veranschlagt. Das war dem Gemeinderat zu teuer. Ergo: Die vorhandenen eisernen Hände mussten Genüge tun. Das reduzierte den Preis auf 25 Mark.
Ein Jahr später fiel dann doch die Wahl auf Hände aus der Heidelberger Zink-Ornamenten-Fabrik samt Kreuz aus Kupfer (30 Mark). Die Freude daran währte nicht lange: „Schon im März 1914 wurden der Figur an der Johannisbrücke an der Straße nach Oftersheim beide Arme von ,zwei vorbestraften rohen Burschen‘ abgeschlagen.“ Bildhauer Stefan Hertenstein aus Schwetzingen richtete Nepomuk wieder her – bis zur erneuten Beschädigung 1920. Dann verlieren sich die Aufzeichnungen bis 1957.
Damals schmückte Nepomuk die Brücke beim Ehrenhof am heutigen Pigageplatz. Jetzt werden Sie sagen: Da steht er doch auch noch heute! Fast richtig. Der Nepomuk dort ist ein Double – in Bildhauersprache: eine Kopie. Diese wurde 1970 – gefertigt durch Ernst Hassler (für 8500 DM) – an Ort und Stelle geweiht. Auch Nepomuks Double blieb von Vandalismus nicht verschont und musste mehrfach wiederhergestellt werden.
Eine sehr filigrane Arbeit
Die Kopie nutzt Eik Lehmann zur Restauration des Originals. So nahm er beispielsweise mithilfe von Poly-urethankautschuk einen Abdruck der Hände, die beim Original fehlen. Er goss sie nach und fertigt sie nun passend zur Figur. „Die Hände sind sehr filigran gearbeitet“, macht er die Qualität der Statue und damit der Arbeit des Erschaffers deutlich.
„Der Schwetzinger Nepomuk offenbart eine vergleichbar feine und differenzierte Ausgestaltung, daneben sind auffallende Ähnlichkeiten in den edlen, in sich gesunkenen Gesichtszügen, der Gestaltung des Haares, der Haltung und der diversiven Körpersprache zu vermerken. Ein weiteres Detail ist die fein ziselierte Borte des Chorhemdes“, zitiert Schwetzingens Museumsleiter Lars Maurer aus Aufzeichnungen, in denen auch vermutet wird, dass die Figur des Schutzheiligen in den Werkstätten des Hofbildhauers Paul Egell entstand. „Wahrscheinlich“, so Maurer, „ist sie auf Initiative der Schwetzinger Bürger geschaffen worden“.
Von Bürgern für Bürger: ein guter Grund, dieses Denkmal zu erhalten. Daher beschloss der Freundeskreis (vormals Förderkreis) der Städtischen Sammlungen die neuerliche Restauration der Sandsteinfigur, für die 10 000 Euro veranschlagt worden sind. Nur das Gröbste wird damit hergerichtet, macht Eik Lehmann deutlich.
Sprich: Er bearbeitet den Sandstein so, dass er nicht weiter zerbröselt, stellt fehlende Teile wieder her und sorgt für ein einheitliches Farbbild. Nepomuk soll schließlich im neuen Museum im Rothacker’schen Haus seinen Platz finden – geschützt vor Umwelteinflüssen und Vandalismus. Bis dahin verweilt der Tonnenkoloss in der „Kuranstalt“ Karl-Wörn-Haus, wo ihn „Chirurg“ Lehmann noch einige Zeit bearbeiten wird.
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