Rainer kann es nicht verstehen: „Wieso ist das als einziges Konzert bestuhlt? Wir sind doch keine alten Leute“, sagt er mit einem Augenzwinkern. Doch in der Tat: Von den sieben Abenden bei „Musik im Park“ im Schlossgarten Schwetzingen sind nur bei Kool & The Gang am Freitagabend Sitzgelegenheiten vorhanden. Sicher, der Altersschnitt ist da mindestens 25 Jahre höher als tags zuvor bei Max Giesinger und gefühlt 35 bei Wincent Weiss am Samstag.
Aber die Stühle für die 3500 Zuschauer bei Kool & the Gang auf dem Festivalareal im Schlossgarten haben schon nach wenigen Takten ihre Schuldigkeit getan – man hätte sie auch wegräumen können: Denn niemanden hält es mehr auf den Sitzen, als die US-amerikanische Soul-, Funk- und Disco-Kultband loslegt und das gleich mit „Fresh“, einem ihrer letzten großen Hits aus dem Jahr 1985.
Namensgeber noch dabei
Die 1980er-Jahre waren die große Phase der Band, deren Anfänge im Jahr 1964 liegen und die seit 1969 unter dem Namen Kool & The Gang firmiert. Namensgeber und Bassist Robert „Kool“ Bell ist heute neben George Brown als eines von zwei Gründungsmitgliedern noch mit dabei – und mit 71 Jahren nach wie vor voller Spielfreude. Zusammen mit acht weiteren Musikern, die zum Teil schon lange mit der Band auf Tour sind, sorgt er für den unverwechselbaren Sound mit den tollen Bläsersequenzen.
Hätte das Konzert 2020 oder 2021 stattgefunden, wäre sogar noch ein drittes Gründungsmitglied mit von der Partie gewesen: Aber Saxofonist, Percussionist und Flötist Dennis „Dee Tee“ Thomas verstarb am 8. August 2021 im Alter von 70 Jahren.
Das Publikum in Schwetzingen stammt dementsprechend überwiegend aus den Jahrgängen, die Anfang und Mitte der 1980er-Jahre ihre Disco- und Partyzeit hatten. Und sie lassen diese am Freitagabend wieder aufleben.
„Wahnsinn, das ist wie ein großes Klassentreffen“, sagt Roland und strahlt. Der gebürtige Mannheimer hat schon einige Altersgenossen getroffen, die er von früher kennt.
Und so geht es vielen: Vor und nach dem Konzert schwelgen sie in Erinnerungen, die sie mit Gleichgesinnten bei „Musik im Park“ begeistert wieder aufleben lassen: „Weißt du noch?“ Tanzkurs, Abifeier, Partys, Klassenfahrten, Skifreizeiten, erste Liebe und, und, und.... „Get down on it“, „Ladies night“ und „Celebrations“ waren immer dabei.
Erinnerungen an Diskotheken
Und nicht zu vergessen die Diskotheken-Zeit. „Im ,Number One‘ lief das ständig“, erinnert sich ein Konzertbesucher an das längst nicht mehr existierende Schwetzinger Tanzlokal im Gewerbegebiet Langer Sand. In der launigen Runde vor Konzertbeginn kommen noch die Gespräche auf viele weitere Discobesuche – etwa im „Club de Ville“ in der Schwetzinger Friedrichstraße, im „Sandco Palace“ in Ludwigshafen, im „Tiffanys“ in Mannheim, im Kinki“ und im „Happiness“ in Waldorf, in der „Krone“ in Reilingen, im „Filmstudio“ in Plankstadt, im „Clichy“ in Hockenheim-Talhaus oder sogar im „Dorian Gray“ in Frankfurt. „Und ganz oft waren wir freitags im ,Connexion‘ in Neckarau“, erzählt einer.
Setlist
Fresh
Too Hot
Joanna
Let the Music take your Mind
Open Sesame
Funky Stuff
Jungle Boogie
Hollywood Swingin’
Cherish
Let’s go dancing
Ladies’ Night
Get down on it
Celebration
Auf die Überlegung, wann ich Kool & The Gang schon einmal gesehen habe, haben viele eine Antwort: „In Eppele in der Rhein-Neckar-Halle“, weiß Melanie aus Oftersheim genau. Jens aus Mannheim kann sich sogar noch an das Jahr erinnern: „Das war 1981.“ Später seien sie noch einmal in Eppelheim aufgetreten. In irgendeiner Kiste hat er sogar noch Fanartikel von damals. Inzwischen ist es sein sechstes Konzert der Formation. „Und es war auch diesmal wieder super.“ Harald aus Schwetzingen pflichtet ihm begeistert bei: „Es war ein richtig schöner Abend.“
Textsicher sind sie in dieser freudetrunkenen Zeitreise in die eigene Jugend fast alle noch – egal ob bei „Tonight“, „Joanna“, „Let’s go dancing“, „Jungle Boogie“ oder „Cherish“ – und natürlich beim stimmungsvollen Welthit-Finale mit „Ladies Night“, Get down on it“ und dem einzigen Nummer-eins-Hit der Band – „Celebration“.
Schade nur, dass das Konzert schon nach 90 Minuten beendet war. Die Zuschauer hätten auch noch länger weiter gefeiert, getanzt und gesungen – ohne sich auch nur eine Sekunde auf die Stühle zu setzen, die übrigens eine Vorgabe des Bandmanagements waren.
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