Schlossplatz

Mahnwache in Schwetzingen: „Demokratie ist das Beste, was wir haben“

Der SPD-Ortsverein und Landtagsvizepräsident Daniel Born erinnern an die Rede von Otto Wels gegen das Ermächtigungsgesetz der Nazis vor 90 Jahren. „Freiheit und Leben kann man uns nehmen, die Ehre nicht“ – mit diesen Worten habe Wels damals das „Nein“ der Sozialdemokraten zum Ermächtigungsgesetz begründet.

Von 
Andreas Lin
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Neben dem Palais Hirsch treffen sich die SPD-Mitglieder und Landtagsvizepräsident Daniel Born (M. ) zur Mahnwache. © Lenhardt Norbert

Schwetzingen. „Es ist 90 Jahre her, dass der deutsche Parlamentarismus seine dunkelste Stunde erlebte.“ Sichtlich bewegt begann Daniel Born am Mittwochabend seine Ansprache bei der friedlichen Mahnwache anlässlich des 90. Jahrestags der Rede von Otto Wels gegen das Ermächtigungsgesetz der Nationalsozialisten, das einen Tag später am 24. März 1933 verabschiedet werden sollte. Der SPD-Landtagsabgeordnete und Landtagsvizepräsident erinnerte gemeinsam mit dem Ortsverein Schwetzingen sowie Florian Reck vom Bündnis für Demokratie und Vielfalt am Vorabend dieses Jahrestags der letzten Reichstagsdebatte vor der endgültigen Errichtung der Nazi-Diktatur an „eine der mutigsten Parlamentsreden“ überhaupt.

„Freiheit und Leben kann man uns nehmen, die Ehre nicht“ – mit diesen Worten habe Wels damals das „Nein“ der Sozialdemokraten zum Ermächtigungsgesetz begründet. Dieser Satz sei in die DNA in der SPD eingegangen.„Otto Wels hat mit seinen Worten die Würde der Demokratie hochgehalten“, sagte Daniel Born nach der Begrüßung von Sabine Rebmann bei der Mahnwache neben dem Palais Hirsch. Direkt an die Nazis gewendet, habe Wels gesagt: „Kein Ermächtigungsgesetz gibt Ihnen die Macht, Ideen, die ewig und unzerstörbar sind, zu vernichten.“

Mahnwache in Schwetzingen: Zitat aus Widerstandslied "Bella Ciao"

Damals habe eine bereits von einer Nazi-Regierung und SA- und SS-Gewalt wundgeschlagene Demokratie im Parlament kein Aufbäumen, sondern eine letzte Abwicklung erfahren, betonte Born und zitierte aus dem Widerstandslied „Bella Ciao“. Dort heiße es: „Und die Leute, die geh’n vorüber, sehen die kleine Blume stehen.“ Die Mahnwache setze hier ein Zeichen: „Wir haben uns heute versammelt, weil wir an der Blume nicht wortlos vorbeigehen wollen.“

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Die historische Wahrheit sei: „Otto Wels hatte recht“, erklärte Daniel Born. „Die Demokratie hat gesiegt – nicht die Nazis.“ Die historische Wahrheit sei aber auch: „Wir hatten nicht als Land selbst die Kraft, uns von der Nazi-Barbarei zu befreien.“ Es seien Soldaten eines internationalen Bündnisses gewesen, Söhne Amerikas, Großbritanniens, Frankreichs, Polens sowie auch Russlands und der Ukraine, die gemeinsam für die Niederlage des Deutschen Reichs im Zweiten Weltkrieg sorgten. „Deutschland wurde befreit, wir alle wurden befreit.“

Wenn man heute auf Deutschland schaue, dann sehe man diese Blumen: „Unsere Verfassung, unser Rechtsstaat und unser Sozialstaat, die Grundrechte, die Vielfalt und die Freiheit. Das gemeinsame Leben in einem vereinten Land, egal, was man glaubt, welche Hautfarbe man hat, welches Geschlecht, woher man kommt und wen man liebt“, betonte der Landtagsabgeordnete voller Überzeugung.

Mahnwache in Schwetzingen: Hoffnungszeichen für alle

Stolz sagte Born: „Ja, wir haben die zweite Chance, die uns die Befreiung 1945 und die friedliche Revolution von 1989 gegeben haben, genutzt. Wir haben die Ideen der Demokratie, die ewig und unzerstörbar sind, mit Leben erfüllt.“ Und doch wisse man, dass diese Ideen weiter angegriffen werden von Feinden der Demokratie: „Es gibt Faschismus, Rassismus, Antisemitismus in unserem Land.“ Es gebe aber auch die weniger offensichtlichen Angriffe – „versteckt in angeblicher Sorge um unsere Demokratie“, mahnte der Abgeordnete und Landtagsvizepräsident. „Doch wer gezielt Zweifel an unserem Rechtsstaat sät oder behauptet, wir lebten in einer Diktatur, in der man nicht mehr seine Meinung frei sagen könne, der sorgt sich nicht um diese Demokratie, sondern betreibt ihre Demontage.“

Martina Netzter singt bei der Mahnwache in Schwetzingen jiddisch. © Lenhardt

Der 23. März lehre jeden, dass die Brandmauer gegen Rechts stehen muss: „ Faschismus, Rassismus, Antisemitismus sind keine Meinungen innerhalb der Demokratie – sie beenden die Demokratie.“ Denn wer eine Blume am Wegrand sehe, dürfe nie vergessen, dass ein anderer sie zertrampeln kann. Seine Rede schloss er mit der Metapher aus dem Widerstandslied:„Wir werden die Blume der Freiheit und des Zusammenhalts niemals wieder zertrampeln lassen. Die Demokratie ist das Beste, was wir haben. Wir lassen sie niemals im Stich.“ Und zu Abschluss sagen alle Teilnehmer zusammen mit Martina Netzer, die die Mahnwache musikalisch umrahmte, eben dieses „Bella Ciao“.

Zuvor hatten auch Sabine Rebmann, Florian Reck und Juso-Vorsitzender Egzon Fejzaj die Bedeutung dieses Jahrestags, der Rede von Otto Wels und der Entscheidung seiner 94 Kollegen, gegen das Ermächtigungsgesetz zu stimmen, betont. „Die SPD ist heute noch stolz auf diese Mitglieder“, sagte Rebmann, Für die 26 Genossen, die damals von den Nazis am Betreten der Krolloper (der Reichstag war nach dem Brand nicht nutzbar) gehindert worden waren, hatte der Ortsverein Kerzen aufgestellt.

Reck bewunderte den Mut von Otto Wels, sich entschlossen dem Faschismus entgegenzustellen und für die Ehre und Würde der Demokratie zu streiten. Diese Einstellung habe bis heute nichts von ihrer Bedeutung verloren: „Eine faschistische Bewegung ist niemals harmlos.“ Rechtsradikale seien die bedeutendste Gefahr für die Demokratie: „Wir müssen alles tun, um sie zu schützen und zu bewahren.“ Damit sich nie wieder ein Otto Wels allein gegen einen Haufen Faschisten stellen müsse.

Redaktion Stv. Redaktionsleiter + Lokalsportchef Schwetzinger Zeitung

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