Schwetzingen. Volker Christ, der Dirigent der Philharmonie Baden-Baden, präsentierte beim Neujahrskonzert der Mozartgesellschaft im Rokokotheater ein Programm, das dem Jubilar dieses Jahres, dem Komponisten Johann Strauß Sohn (1825-1899), gewidmet war. Auch 200 Jahre nach seiner Geburt erfreut sich der „Walzerkönig“ in der ganzen Welt großer Beliebtheit. Und die Philharmonie befand sich in bester Neujahrsstimmung und brillierte mit temperamentvollen Interpretationen, die den Zuhörern im ausverkauften Saal viel Vergnügen auf hohem Niveau bereiteten.
Genüsslich kostete das Orchester die Walzerseligkeit aus, die fetzigen Polkas und schmissigen Märsche. Stets war der Dirigent auf Transparenz und Weichheit des Klangs bedacht, auf fein dosierte Dynamik, auf rhythmische und farbliche Nuancen, was das Tempo betraf, das im minuziös ausgearbeiteten Walzer „An der schönen blauen Donau“ seinen Höhepunkt erreichte. Voller Leichtigkeit und Elastizität dirigierte Christ all die unterschiedlichen Werke, welche die Breite des Talents von Johann Strauß aufzeigten. Mit erstaunlichen Entertainerqualitäten griff er selbst zum Mikrofon und skizzierte charmant die Hintergründe, Entstehungsgeschichte und das Verhältnis des Komponisten zum gespielten Werk.
Für das Publikum stellte dies einen Mehrwert zum Verständnis der Musik dar. „Einen besseren Start ins neue Jahr, als in Marsch-, Polka- oder Walzertakten zu schwelgen, kann man sich kaum denken“, sagte eingangs Volker Christ, strahlen sie doch allesamt Zuversicht und Freude aus. Das perfekte Stück für den Beginn eines Neujahrskonzertes war der Marsch „Ivio!“, ein Begriff, der so viel bedeutet wie „Prosit“. Ihm folgte der Walzer „Künstlerleben“, mit dem die Baden-Badener Lebensfreude und Ausgelassenheit rüberbrachten. Dabei erfuhren die Zuhörer vom Dirigenten, dass zu Beginn des 19. Jahrhunderts der Walzer verpönt, ja sogar wegen des engen „Körperkontakts zum Tanzpartner“ verboten war.
Johann Strauß' Werke beim Neujahrskonzert in Schwetzingen: große Vielfalt
Den Walzer „Künstlerleben“ hatte Johann Strauß für ein Ballfest der Künstlergesellschaft „Hesperus“ komponiert. Damit bewies er, dass er nicht nur schwungvoll zu komponieren verstand, sondern auch elegant und hochkomplex. Das Stück gilt als musikalische Hommage an die Schönheit und Dramatik des Künstlerdaseins. Befasst man sich näher mit der Biografie und dem Werk von Johann Strauß, wie es zurzeit ein gigantisches Festival in seiner Heimatstadt Wien tut, erschließt sich ein weiterer Aspekt des Komponisten, so Christ.
Er galt neben einem brillanten Tonschöpfer, dessen Musik ins Tanzbein und ins Herz geht, auch als Vermittler der damaligen Avantgarde. Immerhin war er der Erste, der Musik von Richard Wagner und des damals jungen Tschaikowski aufführte und öffentlich spielte. Christ sagt auch, dass Strauß oft Kompositionen bekannten Persönlichkeiten und Staatsmännern gewidmet hat, um sich Orden und Auszeichnungen zu verdienen. Zu dieser Gruppe gehören der Walzer „Märchen aus dem Orient“ und der „Persische Marsch“, die er dem Sultan Abdülhamid II. beziehungsweise dem persischen Schah Naser ad-Din Schah widmete. Beide wurden damals mit großem Erfolg aufgeführt und gehören bis heute zum Standardrepertoire.
Im Rokokotheater Schwetzingen mit den „Banditen im Galopp“
Dank des musikalischen Anspruchs, der klanglichen Plastizität und agilen Artikulation lösten sie auch beim Publikum ungebremste Bewunderung aus. Eine besondere Anforderung an den Schlagzeuger stellten der „Banditen-Galopp“ sowie die Polka francaise „Im Krapfenwaldl“ dar, wo fröhlich der Kuckuck rief. Wirksamen Effekt erlangte er durch die Wucht, die allmählich in musikalischer Sensibilität verhallte. Der „Morgenblätter“-Walzer, den Strauß für den Wiener Presseclub „Concordia“ komponierte, rief bei den Zuhörern stürmischen Applaus hervor.
Auch nach der Pause bewies das Orchester Meisterhaftigkeit in der Klangmalerei. Es brachte unter anderem die „Waldmeister“-Ouvertüre, die „Neue Pizzicato-Polka“ und der „Ritter Pasman“-Csardas zu Gehör, alle so mitreißend dargeboten, dass im Publikum Jubel ausbrach.
Und zu guter Letzt erklang der weltberühmte Walzer „An der schönen blauen Donau“, über den Johannes Brahms gesagt haben soll, er sei „genial, aber leider nicht von mir“. Für den Applaus und Bravorufe bedankte sich die Philharmonie Baden-Baden mit insgesamt drei Zugaben, darunter dem Radetzky-Marsch, mit klatschender Beteiligung des Publikums, das von Volker Christ gleich mitdirigiert wurde und das bis zum Schluss voller Begeisterung mitmachte.
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