Schwetzingen. Nach den Kommunalwahlen vom 9. Juni hält die FDP weiterhin zwei Sitze im 26-köpfigen Gemeinderat von Schwetzingen. Dr. Christian Lorentz wird nun von Professor Dr. Oliver Brand unterstützt, der von Listenplatz fünf aus 1331 Stimmen für den FDP-Ortsverband holte.
Der 50-jährige Universitätsprofessor wurde im westfälischen Bielefeld geboren. Der (offenbar doch existente) Hauptort der ehemaligen Grafschaft Ravensberg liegt 400 Kilometer von Schwetzingen entfernt, aber doch näher als man denkt: Ravensberg gehörte nämlich bis zum westfälischen Frieden von 1648 ebenfalls zur Kurpfalz. Während der Schulzeit in Bielefeld ahnte Brand noch nicht, dass er sein Familienleben und den Beruf einmal im eigentlichen Herzen der Kurpfalz ansiedeln würde.
Dem Abitur folgte das Studium der Rechts- und Politikwissenschaften an der Universität Münster mit den beiden Staatsexamina und ein Magisterstudium an der Universität Cambridge in Großbritannien. Brand promovierte in Oxford und Münster mit einer Arbeit zum internationalen Zinsrecht, 2008 habilitierte er an der Universität Münster mit dem Titel „Unfreiwillige Lizenzen“. Schon 2009 nahm er einen Ruf der Universität Mannheim auf den dortigen Lehrstuhl für Bürgerliches Recht, Internationales Privatrecht und Privatversicherungsrecht an. Einen weiteren Ruf an die Universität Hannover lehnte er 2018 ab, weil es ihm in der Kurpfalz so gut gefiel.
Der Juraprofessor ist außerdem geschäftsführender Direktor des Instituts für Versicherungswissenschaft sowie Direktor des Instituts für Deutsches, Europäisches und Internationales Medizinrecht, Gesundheitsrecht und Bioethik der Universitäten Heidelberg und Mannheim.
Er stellte eine „freche Frage“ an Hans-Dietrich Genscher
Vor zehn Jahren wurde Brand für seine Leistungen als Hochschullehrer mit dem Landeslehrpreis ausgezeichnet. Seine Ehefrau ist Richterin. Mit den beiden Kindern Moritz Carl (18), der inzwischen Mathematik an der Universität Bonn studiert, und Helene Sophie (15) folgte sie ihrem Mann 2010 nach Schwetzingen. Die Familie wohnt seitdem im Kleinen Feld unweit des Schlossgartens.
„In der Kurpfalz bleibt man gerne“, sagt der 50-Jährige, als wir uns am Tempel der Waldbotanik beim römischen Wasserkastell treffen. Der von Gartenkünstler Friedrich Ludwig von Sckell angelegte englische Landschaftsgarten ist sein Lieblingsort im Schlosspark. Schlängelwege, modellierte Wiesenflächen, Gehölze, englische Kastanien und ein geschwungener Bachlauf erinnern ihn an seine Zeit in Oxford und Cambridge.
Eine Wahlveranstaltung der FDP zur ersten gesamtdeutschen Bundestagswahl 1990 habe in ihm den Liberalen geweckt, berichtet Brand von einer zufälligen Begegnung mit dem damaligen Außenminister und Vizekanzler Hans-Dietrich Genscher. „Sie sind auch ein Liberaler, Sie wissen es nur noch nicht“, habe der spätere FDP-Ehrenvorsitzende auf eine „freche Frage“ des damals 16-Jährigen geantwortet und damit recht behalten. Vom populären Hans-Dietrich Genscher persönlich geworben wurde Brand alsbald Mitglied der Jungen Liberalen, ließ die Politik aber nach dem Studium eine ganze Weile ruhen.
Dr. Christian Lorenz habe ihn, ohne von seiner Vorgeschichte zu wissen, reaktiviert und gefragt, ob er nicht als Gemeinderat kandidieren wolle: „Liberale erkennen einander wohl ohne viele Worte“, schmunzelt Brand: „Die Liebe zu Selbstbestimmtheit und freiem Gedankenaustausch sowie ein grundlegender Optimismus verbinden sofort.“ Nach Absprache mit seiner Familie sei für ihn klar gewesen, dass er als „klassischer Liberaler“ am Ratstisch sitzen möchte, wenn dies der Wählerwille erlaubt. Er ist Mitglied im beschließenden Verwaltungsausschuss sowie im Kultur- und Bildungsausschuss.
Bessere Ausstattung von Schulen ist eines seiner Anliegen
Der 50-Jährige, der eigentlich Archäologie studieren wollte, nach der Arbeit als Grabungshelfer in kretischer Sommerhitze aber davon abkam, sieht den Gemeinderat als „aktives Gremium“ und freut sich auf sein Mitwirken in der FDP-Fraktion. Bildung, Digitalisierung und Gesundheitspolitik sind für ihn wichtige Themen. Schwetzingen habe mit seiner Schullandschaft großes Potenzial für junge Menschen. Brand will sich daher aktiv für Investitionen in die Zukunft von Kindern und Jugendlichen durch eine bessere Ausstattung von der Berufsschule bis hin zum allgemeinbildenden Gymnasium, bessere Orientierungsmöglichkeiten für die Absolventen für die Zeit nach der Schule und die Einwerbung stärkeren Engagements für die Schulen durch Wissenschaft, Wirtschaft und Stipendiengeber sowie eine bedarfsorientierte Förderung der vorschulischen Erziehung einsetzen.
Darüber hinaus dürften die städtischen Finanzen in der kommenden Legislaturperiode ein Schwerpunktthema bleiben, meint er. Schon in der ersten Gemeinderatssitzung der aktuellen Legislaturperiode mahnte er für die kommenden Haushalte an, angesichts der anstehenden Großprojekte Zeyher-Schule und Rothackersches Haus die außerplanmäßigen Ausgaben im Blick zu behalten. Wenn man, wie die FDP und andere Fraktionen, nicht zulasten der privaten Grundstückseigentümer, aber auch der Mieter an die Hebesätze der Grundsteuer rangehen wolle, müsse man halt anderweitig sparen. „Spaß macht das nicht, es tut aber Not“, sagt Brand, der gemeinsam mit seinem Fraktionsvorsitzenden Dr. Christian Lorentz und der FDP den Ersten Bürgermeister Matthias Steffan für das Amt des Oberbürgermeisters unterstützt hat.
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Der Beruf und das Engagement im Ehrenamt lassen nur wenig Zeit für Hobbys. Der 50-Jährige liest viel und gerne, auch neben der Fachliteratur. Er hat des Weiteren ein Faible für Gesellschaftsspiele mit Freunden und Familie. Wegen der Kinder war und ist er in einigen Vereinen, etwa im Vorstand des Jugendfördervereins des SV 98 Schwetzingen, tätig. Er spielte Tennis beim TC Blau-Weiß und rudert bis heute für die Mannheimer Rudergesellschaft Baden. Letzteres hat auch etwas mit der Verbundenheit zum Vereinigten Königreich zu tun. Beim jährlich auf der Themse in London ausgetragenen Ruderrennen zwischen den beiden renommierten Universitäten Oxford und Cambridge war er oft genug dabei: „Eine meiner Unis gewinnt immer“, zwinkert Brand.
Ein Missgeschick von hoheitlicher Manier
Bei einer Veranstaltung der University of Cambridge sei er nach einer Prüfung einst aus Versehen in eine Person „reingelaufen“, gibt der Stadtrat noch eine Anekdote zum Besten. An der erschrockenen Reaktion der Umstehenden habe er gemerkt, dass es sich um eine bedeutende Persönlichkeit handeln müsse. Nach einer höflichen Entschuldigung seinerseits habe ihn der Angerempelte spontan zu einem Inspektionsrundgang mit seiner Entourage eingeladen. So habe er den Gatten der britischen Königin Elizabeth II., Prinz Philip, der 35 Jahre lang Kanzler der Universität war, schließlich zweieinhalb Stunden begleiten dürfen.
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