Unsere Gesellschaft ist bunt und vielfältig. Verstärkt sichtbar wird das mit Veranstaltungen wie der Dorfpride an diesem Samstag in Ketsch (12 bis 18 Uhr). Die Teilnehmenden demonstrieren friedlich-feiernd für die Rechte queerer Menschen. Zum Organisationsteam gehört Patrick Alberti. Seit Jahren setzt Alberti sich öffentlich gegen die Ausgrenzung und für die Sichtbarkeit sowie die Rechte von lesbischen, schwulen, bisexuellen, trans-, intergeschlechtlichen und queeren Menschen ein. Denn dey identifiziert sich selbst als nicht-binär und hat das schon vor Jahren öffentlich gemacht. Das Pronomen dey verwendet Patrick Alberti selbst. Es ist an das Englische they angelehnt und wird auch dekliniert. Zum Beispiel deren im Genitiv und denen im Dativ.
Über Geschlechtsidentität, geschlechtssensible Sprache, das neue Selbstbestimmungsgesetz und ganz persönliche Erfahrungen – darüber spreche ich in der neuen Episode meines Podcasts „Leben. Lieben. Lachen.“ mit Patrick Alberti. Dey ist Menschen in der Region unter anderem durch das politische Engagement bei den Grünen in Oftersheim, als Büroleitung des Landtagsabgeordneten Dr. Andre Baumann und Sprechender des Grünen Kreisverbandes Kurpfalz-Hardt bekannt.
Ein sehr persönliches Gespräch
Zugegeben: Es ist ein Thema, dass auch mich als Journalistin herausfordert, wie ich beim Ansprechen des Gegenübers feststelle und auch beim Schreiben dieses Artikels. Nicht wegen der Sache als solche, für die ich aus privaten Gründen brenne und die ich gerne auf meine Art und Weise unterstützen möchte, sondern deswegen, weil ich im Gespräch gemerkt habe, wie schwer mir die richtigen Formulierungen im Kontext fallen und wie sehr ich selbst mit Vorurteilen behaftet bin, obwohl ich mich für offen und tolerant halte. Für mich tragen Mädels tatsächlich noch immer rosa und Jungs blau, obwohl ich es zum Beispiel stark finde, dass mittlerweile Eltern wie die bekannte US-Sängerin P!nk ihre Kinder geschlechtsneutral erziehen, sprich keine Rücksicht auf Äußerlichkeiten nehmen, die man im herkömmlich klassischem Sinne dem weiblichen oder männlichen Geschlecht zuschreibt wie das Tragen langer Haare oder Röcke.
Patrick Alberti zeigt nicht nur mir gegenüber eine beachtenswerte Geduld und Offenheit auf. Dey gibt im Podcast tiefe Einblicke in Erfahrungen und Herausforderungen, die mit der gewählten Identität einhergehen. Alberti erzählt, wie es für dey ist, in einer Gesellschaft zu leben, die noch stark in binären Kategorien denkt. Trotz des Erscheinungsbildes mit langen Haaren und bedingt durch den männlich zugeordneten Namen wird dey von vielen Menschen als männlich gelesen und angesprochen – ein Phänomen, das zeigt, wie gesellschaftliche Normen nach wie vor verankert sind.
Das Streben nach Selbstakzeptanz
Wir tauchen in die Vergangenheit von Patrick Alberti ein und beleuchten, wann dey begann, sich mit seiner Geschlechtsidentität auseinanderzusetzen. Über die Jahre hatte dey Gefühle der Unsicherheit und der inneren Konflikte erlebt, die dey lange Zeit nicht verstand. Das Streben nach Selbstakzeptanz und deren Wunsch, sich von den engen gesellschaftlichen Stereotypen zu befreien, werden lange Zeit zu Wegbegleitern.
Besonders eindringlich wird es, wenn Patrick Alberti beschreibt, wie es ist, im Alltag aufgrund des äußeren Erscheinungsbildes – gerade auch, wenn dey ein Kleid trägt – mit Blicken und Kommentaren konfrontiert zu werden. Wir sprechen über deren Modewahl und die Herausforderungen, die mit dem Einkaufen selbiger einhergehen. Der Akt des Einkaufens wird dabei indirekt zu einer Metapher für die Suche nach Akzeptanz und einem Raum, in dem man sich selbst sein kann.
Patrick Alberti hebt zudem die Notwendigkeit geschlechtergerechter Sprache hervor – „die Sprache zu verändern, ist für eine inklusive Gesellschaft wichtig, um die Diversität der Geschlechtsidentitäten widerzuspiegeln“.
Das Gesetz und ein großer Schritt
Und dann ist da ein Punkt, den Patrick Alberti jüngst über die Sozialen Netzwerke teilte: Dey hat die formelle Änderung deren Geschlechts beantragt („Lange habe ich diesem Moment entgegengefiebert“). „Ich bin froh über diesen ersten Schritt und freue mich sehr, ihn gegangen zu sein. Ich bin dankbar, dass dies endlich möglich ist“, formulierte Patrick Alberti auf Facebook.
Beratungsstelle "PULS"
- Die Beratungsstelle „PLUS“ (Psychologische Lesben- und Schwulenberatung Rhein-Neckar) leistet eine sehr wichtige Aufgabe für Menschen bei Fragen zur Vielfalt von sexueller Orientierung und Geschlecht. Auch Personen, die ein anderes Geschlecht haben als dasjenige, das ihnen bei der Geburt zugeschrieben wurde, bekommen hier Beratung und Unterstützung. Ebenso gibt es Jugendgruppen, um auf die Bedürfnisse junger Menschen besser eingehen zu können. Des Weiteren können sich queere Menschen bei „PLUS“ in moderierten Gruppen auf ihr Coming-out vorbereiten. Und auch Regenbogenfamilien und Angehörige werden bei „PLUS“ beraten, oft auch mit Verweis auf andere Stellen, wie die Initiative lesbischer und schwuler Eltern (ILSE). Wichtig ist auch das Beratungsangebot für queere geflüchtete Menschen, die eine ganz besonders vulnerable Zielgruppe ausmachen.
- Neben den vielfältigen Angeboten, arbeitet „PLUS“ auch mit Akteuren daran, die Situation queerer Menschen auf verschiedenen Ebenen zu verbessern.
- Kontakt: Interessierte Personen finden unter www.plus-rheinneckar.de alle Informationen über das Angebot von „PLUS“. Unter der Telefonnummer 0621/3 36 21 10 oder per E-Mail an beratung@plus-rheinneckar.de können Beratungstermine vereinbart werden.
Der Staat gewährt mit dem Gesetz über die Selbstbestimmung in Bezug auf den Geschlechtseintrag (SBGG), kurz Selbstbestimmungsgesetz genannt, ein Stück Selbstbestimmung über die eigene geschlechtliche Identität, wofür Patrick Alberti mitkämpfte. Das SBGG tritt am 1. November dieses Jahres in Kraft und löst das „entwürdigende, langwierige und teure Verfahren nach dem Transsexuellengesetz ab“ (Alberti). Dieses mehr als 40 Jahre alte Transsexuellengesetz band die Änderung des Geschlechtseintrags zum Beispiel an Bedingungen wie die Pflicht, vor der Entscheidung entwürdigende psychiatrische Gutachten erstellen zu lassen. Das Bundesverfassungsgericht befand es sechsmal für grundrechtswidrig. Die Änderung des Geschlechtseintrags und auch des Vornamens können nun einfach per Selbstauskunft beim Standesamt vorgenommen werden. Ein „Geschmäckle“ gibt’s dabei dennoch: Anmeldungen für die Änderung des Geschlechtseintrags sind schon jetzt möglich – sozusagen mit Bedenkzeit, falls sich die Person doch noch mal umentscheidet. „In der Regel treffen Menschen diese Entscheidung bewusst und switchen nicht hin und her“, empfindet Patrick Alberti nicht nur diesen Punkt im Gesetz unpassend. Dann wären da noch Formulierungen, bei denen Vorbehalte und Ängste gegen Trans-, Nicht-binäre- und Inter-Personen mitschwingen und sie unter Generalverdacht stellen.
Patrick Alberti steht für mich für einen mutigen Menschen, der Mut macht. Deren Appell: „Menschen sollten sich nicht verstecken müssen. Es gibt Unterstützung und Anlaufstellen, die helfen können, den eigenen Weg zu finden.“
Die Rückkehr zum Wesentlichen, das Streben nach Glück und Selbstakzeptanz zieht sich durch unsere gesamte Konversation im Podcast „Leben. Lieben. Lachen.“ und soll – so unserer beider Ansinnen – den Zuhörenden ein Gefühl der Hoffnung und Ermutigung sowie gleichsam der Toleranz mitgeben.
Der Podcast ist auch zu hören auf Deezer, Podigee, Amazon Music, Spotify und Apple Podcasts.
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