Martin Helmchens Klavierabende sind seit Jahren fester Bestandteil der Schwetzinger Festspiele. An diesem Mittwochabend möchte der 40-Jährige das Publikum mit einer Kombination aus Bach, Schubert, Bartók und Schumann überraschen. Autorin Janine Ak hat mit ihm vorab über Berufliches und Privates gesprochen.
Die Schwetzinger Festspiele sind in Ihrem vollen Terminkalender nur eine Station. Welchen Stellenwert hat für Sie das Festival?
Martin Helmchen: Es ist eines der wichtigsten Festivals für mich, nicht zuletzt seit meiner Residenz vor vier Jahren dort. Die Intendantin Heike Hoffmann kenne ich aus der Berliner Zeit, wo ich Artist in Residence im Konzerthaus war. Ich habe zudem viele Freunde und Verwandtschaft vor Ort.
Es hat sich in den vergangenen Jahren etabliert, dass Sie mit einem Konzertabend das jeweilige Festspiel-Motto musikalisch durchleuchten. Diesmal lautet es „Arkadien“. Was ist für Sie Arkadien?
Helmchen: Es geht in der Kunst immer auch darum, dass sich in ihr ein Sehnsuchtsort auftut, vor allem in puncto Freiheit. Das haben wir ja alle in den letzten zwei Jahren so vermisst. Deshalb gibt es keinen besseren Zeitpunkt für ein solches Festival-Thema.
Sie haben für das Programm Werke von Bach, Schumann, Bartok und Schubert ausgewählt. Warum?
Helmchen: Ich arbeite gerade an verschiedenen Zyklen, wie zum Beispiel den sechs Bach-Partiten, die ich vergangenes Jahr öfter am Stück gespielt habe und dieses Jahr aufnehmen werde. Später ist die Aufnahme eines Schubert-Sonatenzyklus geplant, somit haben sich also die beiden Eckpfeiler des Programms ergeben. Schumann ist Teil meiner aktuellen CD. Einen roten Faden gibt es aber darüber hinaus: In der ersten Konzerthälfte hört das Publikum drei unterschätzte Meisterwerke, die selten in Rezital-Programmen live gespielt werden. Und auch Bartók ist gerade ein Schwerpunkt von mir, er funktioniert ganz wunderbar mit Bach und Schumann zusammen. Die Morgenstimmung bei Schumann, die auch Abschied in sich trägt, weil das Werk in seinem letzten Lebensmonat entstanden ist, passt wunderbar zum Thema „Natur“ bei Bartók. Das Stück „Im Freien“ wirkt heimelig und bedrohend zugleich, der ebenso durchschwingende Tanzcharakter hingegen harmoniert mit Bachs Tanzsuite.
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Welche Beziehung haben Sie zu den ausgewählten Komponisten?
Helmchen: Wenn ich zwei Lieblingskomponisten nennen müsste, würde ich bei Bach und Schubert landen. Auch Schumann ist einer der Komponisten, die mir seit meiner Kindheit am nächsten stehen. Vielleicht auch deshalb, weil sowohl meine Großmutter als auch meine Ehefrau aus der Zwickauer Gegend sind. Und Bartók ist gerade ein absoluter Repertoire-Schwerpunkt für mich. Ich lerne in den letzten Jahren fast alle großen wichtigen Klavierwerke, das hat sich eigentlich zufällig ergeben. Kurios ist, dass ich erst vor fünf Jahren mein erstes Bartók-Stück überhaupt gespielt habe. Und inzwischen sind die drei Klavierkonzerte wichtige Solostücke für mich. Genauso wie „Im Freien“ nun oder auch die Violinsonaten mit Frank Peter Zimmermann. Es ist also wirklich eine Bartók-Zeit für mich derzeit.
Sie spielen dasselbe Programm fünf Tage vor dem Schwetzinger Konzert in Monte Carlo, zwei Tage später in Wolfshagen. Wie schaffen Sie es, dass es immer frisch und wie beim ersten Mal klingt?
Helmchen: Wenn man sich als Spieler im Moment hundertprozentig auf die Musik einlässt, dann ist da so viel, was einen selbst überrascht im intensiven Konzertmoment. So vieles, was nicht zu kontrollieren ist, was die Stücke von sich aus bewirken oder was das meist unbekannte Instrument und der Saal mit einem tun. Es ist für mich auch nie das Ziel einer Aufführung, komplett die Kontrolle zu haben, sondern vielmehr Neues entstehen zu lassen.
Sie sind mit einer Pfarrerstochter, der Cellistin Marie-Elisabeth Hecker, verheiratet. Der Tagesspiegel hat geschrieben, dass man den gläubigen Christ durchspürt bei Ihren Bach-Interpretationen. Sind Sie gläubig? Inwiefern spielt dabei die Musik eine Rolle?
Helmchen: Ja, die Auseinandersetzung mit Glauben spielt für mich eine zentrale Rolle in meinem Leben. Musik ist der schönste und höchste Ausdruck von etwas Unaussprechlichem, aber kein Ersatz für Religion. Für mich hört die Suche nach etwas Transzendentem nicht beim Konzerterlebnis auf, sondern fängt im Grunde erst dort an.
Sie haben vier Töchter und geben fast jede Woche Konzerte in Deutschland und in aller Welt. Ihre Frau ist seit 2017 Professorin an der Dresdner Musikhochschule Carl Maria von Weber – wie kriegen Sie das Familienleben gewuppt? Wie sieht es aus? Wo leben Sie?
Helmchen: Letztens antwortete meine Frau radikal ehrlich auf diese Frage „Gar nicht“ (lacht). Aber ich improvisiere gerne und hinterfrage, was wichtig ist und was nicht. Zum Beispiel, als wir uns entschieden, von der Stadt Berlin aufs Brandenburger Land zu ziehen, oder wenn es darum geht, welche Konzerte ich zusage. Eine herausfordernde und schöne Lebensphase, man darf nicht den Anspruch haben, dass immer alles perfekt funktioniert. Für uns ist wichtig, dass unsere Kinder glücklich sind und wir zusammen als Familie wachsen und auch genügend Zeit füreinander haben. Das kann auch bedeuten, dass alle Kinder mit auf Konzertreise kommen. Das funktioniert momentan noch sehr gut.
Sind Ihre Töchter auch musikalisch? Lernen sie ein Instrument? Raten Sie ihnen, Musikerinnen zu werden?
Helmchen: Die drei Jüngsten sind noch zu klein – drei und einjährig – für ein Instrument. Die siebenjährige Tochter spielt Klavier, macht aber vor allem Ballett. Mir macht Freude, wenn ich sehe, dass meine Kinder mit ihren Interessen ihren eigenen Weg gehen. Wir haben nicht den Ehrgeiz, aus ihnen Profimusiker zu machen. Aber sie erleben Musik als selbstverständlichen Teil des Lebens mit. Schon allein durch die Begleitung auf den Konzerten. Und wir singen zum Beispiel auch viel.
Info: Mittwoch, 4. Mai, 19.30 Uhr im Mozartsaal. Einführung ab 18.30 Uhr. Karten zum Preis von 20 bis 66 Euro gibt es im Kundenforum unserer Zeitung am Schlossplatz.
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