Schwetzingen. Versetzen wir uns mal ins Schwetzingen des 18. Jahrhunderts. Da wäre der junge Mozart sicherlich nicht in das Dorf Schwetzingen gekommen, wenn es keine kurfürstliche Hofkapelle gegeben hätte, die dem Hofstaat den Sommer im Schloss versüßt hat. Dann gäbe es auch keinen Grund dafür, heutzutage an authentischer Stelle alljährlich ein Mozartfest abzuhalten. In diese Tradition passen die alljährlichen Auftritte der jungen hochbegabten Musiker der Jürgen-Ponto-Stiftung besonders gut, die auch 2021 Werke der kurfürstlichen Hofmusiker zur Aufführung bringen. Kein leichtes Spiel, denn die Werke eines Wilhelm Cramer, Anton Fils oder Ignaz Holzbauer sind äußerst anspruchsvoll, teilweise über 200 Jahre nicht gespielt worden und nirgendwo im weltweiten Netz abhörbar. Eine Herausforderung, der sich in diesem Jahr drei junge Stipendiaten im Alter von 17 und 18 Jahren stellen. Begleitet werden sie traditionell vom Philharmonischen Orchester Heidelberg. Wir haben im Vorfeld des Konzertes, das am Freitag, 1. Oktober, um 20 Uhr im Rokokotheater stattfindet mit Morgane Voisin (Violine), Charlotte Stickel (Viola) und Philipp Schupelius (Violoncello) über ihre jungen Karrieren und die Zwangspause wegen Corona gesprochen.
Endlich wieder Livekonzerte. Wie ist das für Euch?
Morgane Voisin: Der Wiederbeginn bedeutet für mich nach dem monatelangem Lockdown und so vielen Einschränkungen endlich wieder pure Lebensfreude. Auf sehr viele wichtige Konzerte mit verschiedenen Dirigenten musste ich in den letzten anderthalb Jahren verzichten. Das ist schon traumhaft schön wieder auf der Bühne zu stehen, anderen Menschen mit meiner Musik Freude zu bereiten. Auf der Bühne bekommt man halt so viel Energie vom Publikum und es macht mir einfach Riesenspaß.
Philipp Schupelius: Das ist uneingeschränkt wunderbar! Musik lebt, Musik muss live sein. Ich glaube, die Möglichkeit, Musik auch online oder von der CD und im Radio zu hören, die ist gar nicht hoch genug zu bewerten. Unvorstellbar, wenn es das nicht gäbe! Aber Livemusik ersetzt es eben trotzdem nicht. Online und offline ergänzen sich, nur eins davon genügt auf keinen Fall.
Charlotte Stickel: Nach der langen Zeit ohne Konzerte ist es unglaublich befreiend, wieder vor Publikum spielen zu dürfen. Man bekommt so viel Kraft von den Menschen im Publikum zurück, wodurch schöne, überraschende Momente entstehen, für die der direkte Kontakt absolut notwendig ist. Eben diese Momente, in denen etwas Neues, Unerwartetes entsteht, sind für mich das Wichtigste und Schönste. Die endlich wieder stattfindenden Liveauftritte tun also unbeschreiblich gut und haben eine beflügelnde Wirkung auf mein eigenes Spiel.
Habt Ihr virtuelle Projekte gemacht?
Stickel: Ja, aber nur wenige. Denn die Möglichkeiten, die wir durch das Internet haben, sind zwar sehr wertvoll und in Pandemiezeiten oft eine Rettung gewesen, allerdings gibt es doch einen riesigen Unterschied zum reellen Erfahren und Austauschen von Musik.
Schupelius: Ja, und das hat auch Spaß gemacht. Allerdings habe ich „nur“ klassisch einige Aufnahmen gemacht, die dann online gingen. Ein Kammermusikprojekt, bei dem alle Beteiligten an verschiedenen Orten spielen, das habe ich noch nicht gemacht. Ausprobieren würde ich das gern, allerdings glaube ich nicht, dass das direkte Zusammenspiel dadurch ersetzt würde.
Voisin: Das Hauptaugenmerk habe Ich in den letzten Monaten vor allem auf die Erstellung meiner Internetseite und die Vorbereitung von Online-Wettbewerben gelegt. Auch werde ich am neuen World Vision Contest teilnehmen, welcher durch mehrere Runden ausgeführt wird und mit einem Finale im Konzerthaus Wien seinen Höhepunkt findet. So habe ich die letzten Wochen intensiv meiner Bewerbung, den Vorbereitungen und Aufnahmen gewidmet. Mein erstes Video hierfür wurde jetzt auf der Online Plattform des Wettbewerbs veröffentlicht. Das Besondere an diesem Wettbewerb ist, dass hier auch das Publikum online eingeladen ist, in jeder Runde mit abzustimmen. Des Weiteren habe ich auch meine Internetseite weiter ausgebaut, welche voraussichtlich im Herbst online gehen wird, durch die Pandemie sind vor allem Fotografentermine ausständig und professionelle Videoaufnahmen meines Repertoires in Verzögerung geraten. Sehr inspirierend waren für mich in dieser schwierigen Zeit die OnlineUnterrichtsstunden mit dem renommierten russischen Violinisten und Pädagogen Viktor Tretiakov, was mich in meiner künstlerischen Laufbahn wieder ein wenig weiter nach vorne gebracht und sogar teilweise neue Horizonte eröffnet hat.
Konntet Ihr in der Pandemie die Liebe zur klassischen Musik bewahren – hat sie Euch gar durch die Zeit geholfen?
Schupelius: Ja, auf jeden Fall!
Stickel: Ja, die Musik hat mir sehr geholfen, als wegen der Pandemie alles geschlossen war. Denn trotz aller Corona-bedingten Einschränkungen konnte ich stets ruhig in meinem Zimmer üben, neues Repertoire entdecken und mich mit anderen Musikern austauschen. Auch die regelmäßigen Unterrichtsstunden mit meiner Lehrerin und die Proben mit meinem Pianisten haben sehr geholfen, zuversichtlich zu bleiben.
Voisin: Auf jeden Fall. Ohne Musik wären die letzten anderthalb Jahre unvorstellbar leer für mich gewesen.
Habt Ihr schon mit Freunden gefeiert, seit die Beschränkungen gelockert wurden?
Voisin: Nein, Freunde getroffen regelmäßig ja, gefeiert bisher noch nicht. Wir holen das aber auf jeden Fall während der Sommerkurse, wenn wir uns alle endlich wieder treffen, ganz sicher nach.
Schupelius: Ja, es wurden ja nicht nur Beschränkungen gelockert, es kam auch der Sommer, also gab es viele Gelegenheiten, um mit Freunden zusammen zu sein.
Stickel: Wir haben endlich meinen 18. Geburtstag, den ich im Lockdown verbracht habe, nachfeiern können und genießen sehr, wieder unbeschwerter Zeit miteinander verbringen zu können.
Fühlt Ihr Euch nicht um einen Teil der Jugend gebracht nach dem langen Lockdown?
Voisin: Ja, zwei Jahre musste ich komplett umplanen. Es ist trotz meiner virtuellen Projekte fast so, als wäre die Zeit stehen geblieben. Umso mehr freue ich mich, dass ich jetzt alles nachholen werde.
Schupelius: Das kommt darauf an. Wenn Maßnahmen notwendig waren, dann kann ich mich darauf einlassen. Ich persönlich hatte viel Glück und bin insgesamt gut durch den Lockdown gekommen.
Ihr wart ja direkt vor dem großen Durchbruch, hat Euch die Pandemie zurückgeworfen?
Stickel: Obwohl für mich leider einige wichtige Konzerte völlig abgesagt wurden oder Wettbewerbe nicht stattfinden konnten, bin ich überzeugt, dass sich alles zur richtigen Zeit entwickelt. Die Pandemie hat schließlich auch Raum für die Beschäftigung mit oft unterschätzten, aber doch wichtigen Dingen geschaffen. Außerdem ist man sich dem Wert der Musik und der Verbindung, die diese zwischen Menschen schafft auf ganz neue Weise bewusst geworden. So freue ich mich nun umso mehr, wieder auf der Bühne zu spielen, Kammermusik zu machen und neue Erfahrungen zu sammeln.
Voisin: Ja, das finde ich auf jeden Fall. Viele Wettbewerbe, Meisterkurse, Konzerte und Treffen mit Dirigenten, die ich beabsichtigt hatte, als ich 15 Jahre alt war, mache ich nun erst – mindestens zwei Jahre später. In der Musik gerate ich so in die höhere und schwierigere Altersklasse. Außerdem fand sehr lange kein regulärer Unterricht statt und ich war lange Zeit komplett auf Selbststudium angewiesen:
Schupelius: Konzerte wurden nun einmal abgesagt, das war natürlich in jedem Fall schlimm. Aber zurückgeworfen fühle ich mich nicht. Die ungewöhnliche Situation hat neue Perspektiven und neue Kontakte ermöglicht und über die freue ich mich sehr.
Was ist das Besondere am Konzert der Jürgen-Ponto-Stiftung in Schwetzingen?
Schupelius: Besonders ist allein schon, dass es stattfindet! Darüber hinaus aber freue ich mich über das Repertoire. Das ist interessant und wird sehr selten gespielt. Ich freue mich sehr darauf!
Voisin: Es ist einfach schön, wieder mit Orchester spielen zu können. Ein Publikum mitzureißen, etwas zu vermitteln, es gibt für mich nichts Schöneres.
Stickel: Es ist natürlich eine Ehre, im wunderschönen Rokokotheater in Schwetzingen spielen zu dürfen, gemeinsam mit dem Philharmonischen Orchester Heidelberg. Zudem ist das Viola-Konzert von Anton Filz etwas Besonderes, da es bisher keine Aufnahme davon gibt und völlig unbekannt ist, was mir beim Einstudieren viel Freiheit ermöglicht hat und ich so etwas ganz Neues für mich entdecken und entwickeln konnte. Ich freue mich sehr darauf, die Komposition aufzuführen, da es wunderbare Musik ist, die unbedingt gespielt und gehört werden sollte!
Kennt Ihr Euch untereinander gut, wie übt Ihr den Abend mit dem Orchester ein?
Stickel: Tatsächlich kennen wir uns noch nicht, da wir in Corona-Zeiten leider bisher keine gemeinsamen Konzerte der Ponto-Stiftung spielen konnten. Daher freue ich mich umso mehr, die beiden anderen jungen Musiker in Schwetzingen kennenzulernen und mit ihnen gemeinsam das Konzert zu gestalten.
Schupelius: Ich kenne nicht alle Beteiligten persönlich und freue mich, sie kennenzulernen. Und über alle Maßen freue ich mich, mit dem Orchester zu arbeiten!
Voisin: Wir kennen uns teilweise, von der Deutschen Stiftung Musikleben, vom Namen und Zuhören bei Konzerten und jährlichen Vorspielen bei der Stiftung, persönlich kenne ich die anderen beiden bisher aber weniger. Auf den Abend mit Orchester bereite ich mich wie auf jedes andere Konzert, Wettbewerb oder Meisterkurs vor. Im Herbst habe ich mehrere Konzerte geplant mit jeweils unterschiedlichem Repertoire. Bei meinen laufenden Sommerkursen habe ich die Werke für Schwetzingen auch im Programm. Renommierte Professoren werden diesen hoffentlich mit mir einen letzten Feinschliff geben, auch werde ich die Werke dort bereits bei öffentlichen Konzerten aufführen.
Info: Tickets für das Konzert gibt es über die Homepage der Mozartgesellschaft, bei Reservix unter Telefon 01806/70 07 33 oder im Kundenforum unserer Zeitung am Schlossplatz.
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