Region Rhein-Neckar/Welt. Die PR-Abteilugen der Autokonzerne überschlagen sich. Landauf, landab laufen Werbespots mit der Erklärung, freie Fahrt für freie Bürger sei weiterhin möglich. Jetzt aber ganz ohne schlechtes Gewissen, denn Natur und Klima würden dank der Elektromobilität nicht mehr in Mitleidenschaft gezogen. Aber diese beinah magisch anmutende Formel aus grenzenloser Mobilität für den Einzelnen und dem Erhalt des Geschäftsmodells der Autokonzerne geht nicht auf. Die Probleme für die Natur lösen sich nämlich nicht auf. Sie verlagern sich nur. Anstatt Öl haben die Problemstoffe einfach nur andere Namen. Sie heißen jetzt Kobalt, Lithium oder Dysprosium und Terbium. Stoffe, die genau wie Erdöl begrenzt vorkommen und extrem ungleich verteilt sind. Am Ende entstehen nur neue Abhängigkeiten und Ungleichheiten. Und für Klima und Umwelt ist nichts gewonnen. Im Gegenteil.
Es sind Stoffe, die kaum einer kennt. Die aber für die moderne Gesellschaft von fundamentaler Bedeutung sind. Ohne sie wäre die digital-elektrische Gesellschaft nicht möglich. Nicht viel, was den modernen Alltag prägt würde funktionieren. Genau wie Laptops und Smartphones gäbe es ohne Lithium und Kobalt oder Seltene Erden-Metalle, wie Dysprosium und Terbium, keine Elektromobilität. Neben Lithium und Kobalt (Letzteres ist ein Anodenmaterial) für die Batterie brauchen Elektromotoren Permanentmagneten für den elektrischen Stromfluss auf der Basis von Selten Erden-Metallen wie Dysprosium. Sie weisen eine hohe magnetische Feldstärke auf und sind deutlich leichter als vergleichbare Magneten aus anderen Materialien. Auch die Lithiumbatterie hat eine deutlich höhere Energiedichte und ist viel leichter als herkömmliche Batterien. Bis dato, so die Forscher des Deutschen Zentrums für Luft und Raumfahrt und des Wuppertaler Instituts für Klima, Umwelt und Energie in ihrem Papier „Strombegleitung“, gebe es weder zu Kobalt und Lithium noch zu den Seltenenerdenmetallen Alternativen. Und genau hier findet sich ein Problem. Denn damit tut sich ein riesiges Ressourcenproblem auf. Ein Problem, das schon in den vergangenen Jahrzehnten enorme Dimensionen erreicht hat. Ein Report des UN-Umweltprogramms UNEP bezifferte den jährlichen Rohstoffverbrauch (Erdöl, Kohle, Metalle, Holz, Gold, Sand, Seltene Erden) für das Jahr 2020 auf über 95 Milliarden Tonnen. Im Vergleich zu 1970 mit seinen 22 Milliarden Tonnen hat sich der weltweite Rohstoffverbrauch mehr als vervierfacht.
Schnellerer Ressourcenverbrauch
Mit diesem Anstieg rückt der sogenannte „Erdüberlastungstag“, berechnet vom „Global Footprint Network“ stetig weiter vor. Bestimmt wird mit diesem Tag der Moment, an dem der Verbrauch natürlicher Ressourcen die Kapazitäten der Erde zur Regeneration eben dieser Ressourcen innerhalb eines Jahres übersteigt. Im Jahr 1987 fiel dieser Tag noch auf den 19. Dezember. 2015 war es dann der 13. August und dieses Jahr war es bereits der 29. Juli. Rein rechnerisch bräuchte die Menschheit zur Deckung ihres Ressourcenbedarfs damit fast 1,8 Erden. Deutlich früher wird der Tag übrigens erreicht, wenn das westliche Lebens- und Verbrauchsniveau zugrunde gelegt würde. Deutschland erreichte den Erdüberlastungstag dieses Jahr schon am 4. Mai.
Und zahlreiche Studien verweisen darauf, dass sich diese Problemlage mit dem Umstieg auf Elektroautos weiter verschärfen würde. Die Forscher des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt sind sich sicher: „Der Ressourcenverbrauch würde weiter stark zunehmen und Engpässe eine logische Folge sein.“ Ein groß angelegter Umstieg auf Elektromotoren und Lithiumbatterien würde die Nachfrage nach Lithium und Seltene Erden-Metalle explodieren lassen. In keinem Szenario der Strombegleitungsstudie verzeichneten die Forscher ein Minus beim Materialbedarf. Erschwerend kommt hinzu, dass die benötigten Rohstoffe nicht endlos verfügbar sind und sehr ungleich verteilt vorkommen. So finden sich 80 Prozent der weltweiten Lithiumreserven in Südamerika. Hauptsächlich in Chile, Bolivien und Argentinien. Der größte Teil (rund 60 Prozent) des Kobalts kommt aus den beiden afrikanischen Ländern Kongo und Sambia. Und Dysprosium wird fast nur in China abgebaut (auch weil die Förderung eine sehr schmutzige Angelegenheit ist).
Zahlreiche Institute und Wissenschaftler, wie die beiden Institute der Strombegleitungsstudie oder das „U.S. Geological Surveys“, „Meridian International Research“ sowie „Evans“ und „Roskill“ beschäftigen sich mit der Einschätzung des weltweit verfügbaren Vorkommens von Rohstoffen wie Lithium und Seltene Erden-Metallen. Und auch wenn die Schätzungen schwanken. Die Nachfrage nach Lithium erreicht bei sämtlichen Elektromobilitätsszenarien bereits in den kommenden zehn bis 15 Jahren kritische Dimensionen. Ein Ergebnis, das für die Stoffe Dysprosium und Terbium gilt. Mit dem wachsenden Bedarf nehme die Umweltbelastung zu. Denn mit steigenden Preisen lohnen sich zunehmend geologisch ungünstige Lagerstätten mit einer deutlich aufwendigeren Aufbereitung zur Ausbeute. Problematisch sieht es auch bei Kobalt aus. Dabei gerät hier nicht nur die Knappheit und die Umweltzerstörung, sondern auch die Ausbeutung von Kindern in den Blick. Eine Studie des UN-Kinderhilfswerks und Amnesty International schätzt, dass allein in den Minen im Süden des Kongos rund 40 000 Kinder beschäftigt sind. Von hier kommt fast die Hälfte des weltweit gehandelten Kobalts. Wie man es dreht und wendet: Insgesamt bedeutet der Umstieg von Öl auf Strom also mitnichten ein Rückgang der Umweltverschmutzung oder Befreiung aus diversen Lieferabhängigkeiten.
Regional womöglich sinnvoll
Trotzdem geht das Bundesministerium für Umwelt und Naturschutz nach wie vor davon aus, dass die Elektromobilität einen wesentlichen Beitrag zur Reduzierung der Umweltbelastung des Verkehrs leisten kann. „Die Elektromobilität ist ein wichtiger Baustein auf dem Weg zu einer umweltschonenden Mobilität.“ Ein Satz, den die Autoren der Studie Strombegleitung, auch jenseits des Ressourcenproblems, anzweifeln. Regional könne die Elektromobilität aus Sicht der Klimawirkung sinnvoll sein. Aber das gelte nur, wenn der Ausbau der erneuerbaren Energien Schritt halte. Eine Annahme, die der Leiter des Heidelberger Umwelt- und Prognose-Instituts (UPI), Dieter Teufel, nicht glaubt. Oberflächlich betrachtet seien Elektroautos sauber. „Sie haben keinen Auspuff.“ Aber wenn man die CO2-Emissionen über den gesamten Lebenszyklus betrachtet, trübe sich die Klimabilanz ein. Erstens entstehe CO2 bei Herstellung und Entsorgung der Fahrzeuge. Vor allem die Produktion von Aluminium brauche viel Energie und setze dementsprechend viel CO2 frei. Und beim Betrieb mit dem in der Bundesrepublik vorherrschenden Strom-Mix tauge der Verkehr bis mindestens 2030 kaum für eine signifikante Senkung der Deutschen CO2 Emissionen. Und das bis 2030 gelte nur, wenn der Ausbau der regenerativen Energien jetzt sehr schnell von stattengeht. Es wird also noch dauern, bis ein Elektroauto wirklich sauber sei und als Null-Emissions-Fahrzeug gelten darf. Dank politischen Einflusses aus Berlin gelten die Elektroautos in Europa offiziell aber schon jetzt als Null-Emissions-Fahrzeuge und gehen mit diesem Wert in die Berechnung des Flottenverbrauchs ein. Eine Entscheidung, die von den Konzernen einigen Handlungsdruck nahm. Denn es ist ein Rechentrick, mit dem die Hersteller die enormen Grenzwertüberschreitungen von SUVs und Limousinen kompensieren können.
Aber sogar, wenn alle diese Schwierigkeiten gelöst sind, die Ressourcen umfassend recycelt werden und die Elektroautos tatsächlich das Null-Emissions-Ziel erreicht haben, sind damit noch nicht alle vom Verkehr verursachten Problem gelöst. So wird in Werbeclips behauptet, dass das Elektroauto leise sei. Verschwiegen wird, dass das nur gilt, wenn die Elektroautos nicht schneller als 30 Stundenkilometer fahren. Darüber überwiegen die Abroll- und Windgeräusche, die bei allen Fahrzeugen gleich sind. Und auch in Sachen Feinstaub schafft die Elektromobilität keine echte Linderung. Denn der Feinstaub stammt zu einem erheblichen Teil vom Reifenabrieb (rund 60 000 Tonnen pro Jahr in Deutschland). Und der bleibt von einem Wechsel von Öl zu Strom unberührt.
Der einfache Umstieg von Öl auf Strom scheint keine nachhaltige Lösungsstrategie zu sein. Bis 2050 soll sich der weltweite Kraftfahrzeugbestand von heute auf 1,2 Milliarden auf über 2,7 Milliarden im Jahr 2050 mehr als verdoppeln.
Das aber geben zum einen die Ressourcen der Welt einfach nicht her und der Klimaeffekt dürfte vor dem Hintergrund des Ausbaus regenerativen Energieträgern noch über viele Jahre marginal sein. Weltweit ist der Anteil der regenerativen Energien zwischen 2010 und 2020 von 10,6 Prozent auf knapp über zwölf Prozent gestiegen. Die Quote für die fossilen Energieträgern liegt nach wie vor bei über 80 Prozent.
Die Mobilitätswende ist zu einer Antriebswende verkommen. Eine echte Mobilitätswende wäre die intelligente Verknüpfung von öffentlichem Nah- und Fernverkehr (und das konkurrenzlos günstig), eng vernetztes Carsharing in der Stadt und auf dem Land, die intensive Förderung einer Fahrrad- und Fußgängerkultur, weitgehend autofreie Innenstädte (wie es Barcelona vormacht) und die staatliche Förderung von Elektromobilität nur im Kleinsegment. Sicher ist, die Lösung der zahlreichen Probleme rund um die Mobilität kann sich nicht darin erschöpfen, den Verbrennungsmotor durch den Elektromotor zu ersetzen.
URL dieses Artikels:
https://www.schwetzinger-zeitung.de/orte/schwetzingen_artikel,-schwetzingen-sackgasse-elektromobilitaet-_arid,1985640.html