Redaktionsgespräch

Schwetzinger Pfarrer Uwe Lüttinger: Kirchenentwicklung bietet gute Chancen

Von 
Jürgen Gruler
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Der Schwetzinger Pfarrer und kommissarische Dekan Uwe Lüttinger im Gespräch mit Chefredakteur Jürgen Gruler in dessen gut durchlüftetem Büro. Da beide Abstand halten, haben sie für das Bild ihre FFP2-Masken abgenommen. Thema ist die Kirchenentwicklung 2030. © Bauroth

Region. Die katholische Kirche befindet sich im Umbruch oder – wie es der Schwetzinger Pfarrer und derzeitige kommissarische Dekan Uwe Lüttinger lieber sagt – im Aufbruch. Die Erzdiözese Freiburg hat unter dem Begriff Kirchenentwicklung 2030 einen Prozess hin zu größeren Verwaltungseinheiten gestartet. Kritiker sehen darin eine Katastrophe, Uwe Lüttinger spricht von einer Chance, wenn man die Gläubigen einbezieht und die Verantwortung der Gemeindeteams vor Ort stärkt. Wir haben mit Lüttinger über den Veränderungsprozess geredet, den er zusammen mit Benno Müller als Projektmanager leiten soll.

Was steht denn schon fest und wo können die Gemeinden vor Ort noch Einfluss nehmen?

Uwe Lüttinger: Eigentlich steht derzeit nur die territoriale Struktur fest. Die neue Pfarrei soll Schwetzingen, Plankstadt, Oftersheim, Brühl, Ketsch sowie Hockenheim, Altlußheim, Neulußheim und Reilingen einschließen. Innerhalb der Erzdiözese wurden jetzt Arbeitsgruppen eingerichtet, die weitere Strukturen erarbeiten sollen, die will Bischof Burger dann im Frühjahr 2022 öffentlich vorstellen. Der weitere Zeitrahmen sieht vor, dass bis 2025/26 dann die neuen Pfarreien errichtet werden und bis 2030 der ganze Prozess seinen Abschluss findet.

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Warum ist dieser Prozess der größeren Strukturen notwendig?

Lüttinger: Die Zahl der Gläubigen geht stark zurück, die Zahl der pastoralen Mitarbeiter ebenfalls und uns werden in Zukunft erhebliche finanzielle Mittel fehlen. Da müssen viele Dinge auf den Prüfstand. Unser Gemeindesaal im Hirschacker wurde zuletzt drei- oder viermal im Jahr genutzt, jetzt wird dort ein Kindergarten eingerichtet. Das ist doch kirchliches Leben, wie ich es mir in einer Gemeinde vorstelle. Es gibt gerade im Gebäudemanagement viele Möglichkeiten, wie wir künftig Geld sparen können – bis hin zur Ökumene mit der gemeinsamen Nutzung von Gemeindesälen und Gotteshäusern. Aber im Mittelpunkt der Entwicklung sollte die Arbeit vor Ort in der Gemeinde stehen.

Wird die nicht durch größere Einheiten eher erschwert?

Lüttinger: Das wäre so, wenn wir jetzt einfach aus drei Seelsorgeeinheiten eine große machen würden, aber in der Organisation nichts verändern. So wie das wohl auch bei den vergangenen Vereinigungen im Jahr 2000 und 2015 geschehen ist. Aber wir müssen ganz andere Strukturen schaffen und uns davon lösen, dass die Pfarrei vom Pfarrer aus gedacht wird.

Wie könnte das aussehen?

Lüttinger: Eine Pfarrei könnte künftig einen leitenden Pfarrer und einen Geschäftsführer haben, die sich in allen wichtigen Entscheidungen abstimmen. Der eine ist für das Seelsorgerische und Pastorale zuständig, der oder die andere für das Organisatorische und das Finanzielle. Zusammen leiten sie die Gruppe der Hauptamtlichen und Ehrenamtlichen, die dann in ihren Teams vor Ort die Gemeinden führen. Die Kirche kann sich so Laien – und hier gerade auch unseren so engagierten Frauen öffnen – die dann Leitungsaufgaben übernehmen können. Hier sehe ich übrigens die größte Chance für die Kirche, an der Basis wieder Wurzeln zu bilden für eine gute Zukunft.

Der Pfarrer scheint mir dann gar nicht mehr die zentrale Figur vor Ort zu sein?

Lüttinger: Wenn wir es schaffen und mutig genug sind, den gewohnten und eingefahrenen Weg zu verlassen, dann bekommen wir die Chance für einen Wechsel und eine Zukunft. Wir müssen weg vom Denken rings um den eigenen Kirchturm und mit den Gremien vor Ort, dem Pastoralteam, den Kirchengemeinderäten, aber eben auch mit den den Vertretern der Kommunen, der Sozialverbände und in der Ökumene diskutieren, wie wir das Beste in eine neue Struktur einbringen können. Das ist natürlich mit einem gewissen Machtverlust für den Pfarrer verbunden, aber seien wir doch mal ehrlich, heutzutage ist ein gutes Ergebnis doch längst nur noch mit einem kooperativen Führungsstil zu erreichen – das ist in der Kirche nicht anderes als bei der Zeitung.

Wie können sich die Gemeinden und die Seelsorgeeinheiten vor Ort auf diese Diskussionen vorbereiten?

Lüttinger: Sie sollten sich bis zum Frühjahr 2022 Gedanken darüber machen, was sie in die künftigen Strukturen einbringen wollen und was für sie vielleicht auch verzichtbar wäre. Die Erzdiözese wird nur den Rahmen setzen, innerhalb dessen wir unsere Zukunft selbst gestalten können. Es wird wesentlich darauf ankommen, wie sich die Menschen vor Ort, denen an unserem Glauben und der Kirche liegt, künftig einbringen werden. Es ist aber letztlich auch so, dass dort, wo vor Ort keine Initiative ergriffen wird, künftig auch nichts oder nur wenig sein wird. Die Gemeinden werden letztlich auch die Träger des pastoralen Lebens vor Ort sein.

Wie ist denn die Seelsorgeeinheit Schwetzingen/Oftersheim/Plankstadt für diesen Prozess aufgestellt?

Lüttinger: Ich erlebe gerade ein Seelsorgeteam im Aufbruch. Durch die Pandemie bedingt mussten wir uns viele neue Dinge überlegen. Es gab so tolle Aktionen in Oftersheim und Plankstadt und auch mit dem Osterweg, der in St. Maria aufgebaut war und sicherlich viele Familien erreicht hat, die vielleicht gar nicht zu einem Gottesdienst gekommen wären. Es ist so wichtig, ständig darüber nachzudenken, wie wir die Menschen erreichen können, wie wir zeigen können, dass im Evangelium Zukunft liegt und dass es Spaß macht, bei uns mitzuarbeiten, weil wir eine Gemeinschaft bilden. Da liegt doch unsere große Chance. Die Struktur der kleinen Pfarreien gab es ja nicht schon immer bei uns. Sie ist 100 oder 150 Jahre alt, wurde im Zweiten Weltkrieg nochmals kleinteiliger bei uns hier im Bistum, weil der damalige Bischof seine Pfarrer vor dem Einziehen durch die Wehrmacht schützen wollte. Ein verantwortlicher Pfarrer in einer Pfarrei konnte eben nicht eingezogen werden, einer innerhalb einer Gruppe eben schon. Diese Struktur wurde dann in den Jahren danach manifestiert und muss heute aus besagten Gründen verändert werden.

Wird es dann vielleicht gar keine Kirchengemeinderäte mehr geben?

Lüttinger: Die Kirchengemeinderäte sind derzeit sehr wichtig, weil sie sich mit den Entscheidungen, die nun anstehen, intensiv beschäftigen und letztlich auch Entscheidungen bis hin zu den Gebäuden treffen müssen. In Zukunft sehe ich eher die Gemeindeteams vor Ort, die innerhalb der Strukturen sehr kreativ und lebendig agieren können, denn es muss ja in Plankstadt längst nicht alles richtig sein, was in Hockenheim oder Ketsch vielleicht gerade wichtig ist. Es braucht Gestaltungsspielraum und den können wir jetzt gut nutzen.

Ganz nebenbei gefragt: Wir hörten, dass Michael Barth-Rabbel nach Schwetzingen zurückkehrt?

Lüttinger: Das stimmt. Bernhard Zöller geht zum 1. Juli in den Ruhestand. Und Michael Barth-Rabbel kommt am 1. September als Diakon der gesamten Seelsorgeeinheit zu uns. Wir freuen uns auf ihn, weil er die Strukturen vor Ort gut kennt.

Chefredaktion Jürgen Gruler ist Chefredakteur der Schwetzinger Zeitung.

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