Diskussion um Schlosstheater

Schwetzinger Schlossverwaltung: Name Rokokotheater stammt aus dem Dritten Reich

Michael Hörrmann, Geschäftsführer der Staatlichen Schlösser und Gärten, reagiert auf die Aussagen von Andreas Sturm und bleibt bei den Gründen für die Umbenennung.

Von 
Andreas Lin
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Die Ausschnitt aus der Karlsruher Zeitung vom 5. Januar 1928 hat Michael Hörrmann mitgeschickt. Dort geht es um die Schwetzinger Schlosslotterie, die als „Grundlage der Wiederherrichtung des Schloßtheaters (des einzigen in seiner ursprünglichen Form erhaltenen Rokokotheaters in Deutschland) dienen“. © SSG

Zu dem Bericht über die Recherchen des CDU-Landtagsabgeordneten Andreas Sturm über die Bezeichnung des Schwetzinger Rokokotheaters in unserer Samstagsausgabe erreichte uns nun eine Stellungnahme von Michael Hörrmann, Geschäftsführer der Staaatlichen Schlösser und Gärten (SSG). Sturm hatte nach ausführlicher Recherche Zeitungsquellen präsentiert, die belegen sollen, dass der Name Rokokotheater nicht aus dem Dritten Reich stamme, was die SSG als Grund für die Umbenennung in Pigage-Theater angegeben hatten (wir berichteten mehrfach).

Hörrmann erklärt noch einmal: „Der Name Rokokotheater als dominante Bezeichnung des klassizistischen Schlosstheaters in Schwetzingen stammt eindeutig aus dem Dritten Reich. Er setzte sich 1936/1937 im zeitlichen Zusammenhang mit der Renovierung des Theaters durch die nationalsozialistische Landesregierung Badens durch.“

Alles strikten Regeln unterworfen

Spätestens 1935 nach der zweiten Enteignungs- und Gleichschaltungswelle der deutschen Presselandschaft durch die Nationalsozialisten habe sich die ehemals „bürgerliche Presse“ kaum noch von den Parteijournalen der NSDAP unterschieden. Alle waren den nationalsozialistischen Themenvorgaben strikt unterworfen. Es sei daher nicht erheblich, ob der Name Rokokotheater über die Badische Presse oder das Hakenkreuzbanner etabliert worden sei. Die Intention bliebe die gleiche.

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Hingegen eindeutig sei das „Hakenkreuzbanner“ der Motor für die Implementierung der Bezeichnung Rokokotheater gewesen. „Wir konnten 131 Ausgaben zwischen dem 16. April 1936 und dem 24. Juni 1944 identifizieren, in denen der Begriff Rokokotheater als Bezeichnung des Schwetzinger Schlosstheaters verwendet wurde“, sagt Michael Hörrmann.

Berichte sind bekannt

Die Staatlichen Schlösser und Gärten würden nicht behaupten, dass der Begriff Rokokotheater zum ersten Mal im Hakenkreuzbanner 1937 aufgetaucht sei – tatsächlich habe ihn die Zeitung bereits ein Jahr (16. April 1936) zuvor verwendet –, sondern mit den ausführlichen Artikeln des Parteiorgans in diesem Jahr, die dem Begriff einen offiziellen Anstrich verliehen, beginne seine dauerhafte Nutzung. Damit habe der Begriff „Rokokotheater“ dauerhaft die bis dahin überwiegend verwendete Bezeichnung „Schlosstheater“ abgelöst.

Die Berichte in der Badischen Presse (1936, 1941) seien den SSG natürlich ebenso bekannt wie die in den Straßburger Neuesten Nachrichten (1942), dem Badischen Kalender von 1939, „Dem Führer“ (1937), der Karlsruher Zeitung (1928) oder Karlsruher Tagblatt (1924, 1927, 1928).

In zeitgenössischen Publikationen, die sich aus baufachlicher, kunsthistorischer oder denkmalpflegerischer Intention mit dem Schlosstheater beschäftigten, tauche der Begriff „Rokokotheater“ dagegen nicht auf. Selbst die offizielle Festschrift der staatlichen Bauverwaltung zur Eröffnung des frisch renovierten Theaters im Oktober 1937, die 1938 erschien, spreche noch konsequent vom „Schwetzinger Schlosstheater“ und betont den klassizistischen Charakter des Raumes.

Die Renovierung des Schlosstheaters sei auf die persönliche Initiative des badischen Ministerpräsidenten Walter Köhler zurückgegangen, eines frühen Parteimitgliedes und hohen SA-Offiziers. Köhler habe dafür – wie so oft in sogenannten Dritten Reich – Planungen genutzt, die bereits in der Weimarer Republik entstanden waren. Im Fall des Schlosstheaters stammten sie unter anderem vom damaligen Schwetzinger Ehrenbürger Ministerialrat Professor Fritz Hirsch, einem der Väter der badischen Denkmalpflege. Im April 1933 sei er von den Nationalsozialisten seiner jüdischen Abstammung wegen aus allen Ämtern gedrängt worden.

Hirsch habe sich auch an den Bemühungen der Stadt und weiterer Einrichtungen beteiligt, durch eine Lotterie die Gelder für die Renovierung des Schwetzinger Schlosstheaters zu beschaffen – dies sei der Hintergrund eines Artikels in der Karlsruher Zeitung vom 5. Januar 1928.

Auch dort taucht die Bezeichnung „Schlosstheater“ für das „einzige in seiner ursprünglichen Form erhaltenen Rokokotheater in Deutschland“ ebenso auf wie im Karlsruher Tagblatt vom gleichen Tag oder 1931 bei einer Jubiläumsfeier des Schwetzinger Verkehrsvereins, für die Fritz Hirsch den Festvortrag über das unter seiner Leitung renovierte Schwetzinger Schloss beigesteuert habe.

Einladung zur Diskussion

Sowohl die Quellenlage als auch die vorliegende Fachliteratur ermöglichten es, die Renovierung des Schlosstheaters und das Aufkommen des Begriffs „Rokokotheater“ in den Kontext der nationalsozialistischen Kulturpolitik im deutschen Südwesten einzuordnen, betont Hörrmann.

Er lädt zu dem bereits angekündigten Termin am Dienstag, 13. Dezember, 18 Uhr ein: „Die Staatlichen Schlösser und Gärten werden ihre Erkenntnisse dazu allen Interessierten im Schlosstheater ausführlicher vorstellen. Wir freuen uns darauf, dann mit Herrn Sturm in eine intensive fachliche Diskussion einzutreten.“

Redaktion Stv. Redaktionsleiter + Lokalsportchef Schwetzinger Zeitung

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