Schwetzingen. Die Bedingungen für den offiziellen Spargelanstich in Schwetzingen auf dem Hof Schuhmacher waren am Samstag nicht ganz perfekt: Temperaturen um die zehn Grad Celsius, mehr Wolken als Sonne, immer wieder Regenschauer und auf den Äckern wenig Spargel. Zutaten für ein eher trübes Fest. Weit gefehlt: Die Schwetzinger haben das Inszenieren ihres königlichen Gemüses allem Anschein nach mittlerweile im Blut. Die Stimmung unter den Besuchern hätte jedenfalls besser kaum sein können.
Von den Hoheiten über die bürgerlichen Amtsträger bis zum Volk herrschte ausnahmslos gute Stimmung im kleinen Zeltdorf auf Schuhmachers Rasen. In der kurfürstlichen Residenz steht der Spargel eben nicht nur für lukullische Höhenflüge, sondern auch für ausgelassene Fröhlichkeit.
Erste Sterneköchin bei dem Event
Dabei, daran erinnerte Oberbürgermeister Dr. René Pöltl bei seinem letzten Anstich in seiner Funktion, fand dieses Fest erstmals im Jahr 2010 statt. Im Rahmen der Verkostung aus der Sterneküche im Palais Hirsch vor geladenen Gästen aus der Landes- und Kommunalpolitik sowie Freunden aus Oberbayern und der Pfalz, warf Pöltl einen kurzen Blick zurück. 2009 hatte er die Idee, aus dem Spargel mehr zu machen, „ihn mehr in den öffentlichen Fokus zu rücken“. Immerhin sei Schwetzingen mit mehr als 350 Jahren das älteste ständig bewirtschaftete Anbaugebiet Deutschlands. Spargel und Schwetzingen gehörten untrennbar zusammen und das, so fand er damals, müsse zelebriert werden. Dabei ist es nicht übertrieben, zu konstatieren, dass die Verwaltung geliefert hat. Heute sei das Zeremoniell zum Auftakt der Spargelsaison ein nicht mehr wegzudenkendes Ritual.
Los geht es stets mit einer Spargelverkostung im Palais Hirsch. Den Anfang machte 2010 der Sternekoch Manfred Schwarz. Es folgte eine illustre Runde aus Sterneköchen, allesamt aus der Region. Besonders gefreut hat den Oberbürgermeister, dass es zum Schluss seiner Amtszeit gelang, eine Sterneköchin zu gewinnen: Hedi Rink aus Neustadt an der Weinstraße („Urgestein“ im Hotel Steinhäuser Hof).
Pöltl machte deutlich, dass es gar nicht so einfach war, eine Michelin-Stern dekorierte Lady zu bekommen: Im Jahr 2019 hätten in Deutschland 298 Männer, aber nur elf Frauen einen Stern erkocht, dazu gehörte Hedi Rink, die die Auszeichnung seit 2013 jedes Jahr verteidigte. Diese Zahlen hätten, so der OB, ganz sicher nichts mit den kulinarischen Fähigkeiten zu tun, wohl aber mit Lebens- und Familienplanung. Auch wenn Hedi Rink ihr Restaurant „Urgestein“ Ende 2023 aufgegeben habe, sei sie ein hellleuchtendes Aushängeschild der regionalen Sterneküche.
Ein Satz, der angesichts der kredenzten Raffinessen nicht übertrieben scheint. Zwei Tage Vorbereitung steckten in den Gängen, so Hedi Rink, die mittlerweile Kochkurse und Eventkochen anbietet. Sie erzählte, dass sie schon in ihrer Ausbildung in der Eiffel mit dem Schwetzinger Spargel in Berührung kam: „Mein Chef hat ihn damals persönlich aus Schwetzingen abgeholt.“
Hedi Rink zündet Genussfeuerwerk auf den Zungen
Und just mit dem Schwetzinger Spargel zündete sie auf ihre Weise ein Genussfeuerwerk auf den Zungen: Da waren „Schuhmachers Spargel als Spaghetti“ mit Sobanudeln, Austernsoße und Austernchips, die in der Reihenfolge „BPB“ (Blättchen – Pasta – Blättchen) genossen werden sollten, um das gewollte Gaumenerlebnis zu erhaschen. Dann „Schuhmachers Spargel als Salat und Mousse“ mit gebeizten Saibling und Kresse als Mousse (eine fantastische Kombi) und „Ravioli gefüllt mit Schuhmachers Spargel“ (mit Erbs-Minz-Stampf und Spargelchips – davon hätte jeder gerne gleich mehr Schüsseln gefuttert). In der Schlossgastronomie „Theodors“ gab es am Abend dann noch den Nachtisch (Rhabarber mit weißer Schokolade und Mandeln).
Zu den Gängen hatte Ole Tischmacher die passenden Weine, die jede Speise funkelnd garnierten, ohne dabei hervorzustechen. „Wir haben uns per Telefon abgestimmt“, sagte der Weinkenner über die Gespräche im Vorfeld mit der Sterneköchin. Doch hier war klar: Da sind zwei, die sich blind verstehen, die um die richtigen Effekte wissen, um die Geschmacksknospen zum Blühen zu bringen. Das hat man gemerkt und geschmeckt – angefangen vom Pinot Chardonnay Brut (Martin Waßmer) über Riesling Tonschiefer (Weingut Dönnhoff) bis hin zu Weißburgunder Untertürckheimer (Gips, Erste Lage trocken, Weingut Aldinger).
Tränenreicher Abschied von Spargelkönigin Anna
Weiter ging es dann auf dem Hof Schuhmacher mit der Krönung der neuen Schwetzinger Spargelkönigin Emilia I. und dem eigentlichen Spargelanstich. Die Stabsübergabe von Anna I., alias Anna Schuhmacher, an Emilia I., alias Emilia Manzano, geriet zu einem rührenden Moment. Die Gäste - darunter Vertreter der Partnergemeinden aus Oberbayern und Wachenheim, wie die Weinhoheiten Jessica I. aus Wachenheim und Lena I. aus Deidesheim - erlebten zudem eine emotionale Rede von Anna Schuhmacher, der seit 2019 amtierenden Spargelkönigin: „Hier auf dem Hof hat alles begonnen und hier endet es heute auch“, leitete sie ein.
In einem Zelt auf dem Hof ihrer Eltern blickte die noch amtierende Spargelkönigin Anna auf ihre fünfjährige Amtszeit zurück. „Ich war die Königin der Pandemie“, sagte sie und die Augen wurden nicht nur bei ihr feucht.
Klar hatte sie sich ihre Amtszeit anders vorgestellt, mit viel mehr Möglichkeiten, den Spargel aus ihrer Heimat, die Landwirte, die ihn produzieren, wie ihre eigene Familie, und die Stadt Schwetzingen zu repräsentieren. Doch es gab dazu durchaus schöne Chancen, erinnerte sie sich an den Besuch im Landtag in Stuttgart, an den Spargelanstich 2021 auf dem Hof Schäufele im kleinen Kreis (wegen der Pandemie), an Einladungen der Fasnachter („Darüber habe ich mich sehr gefreut“), das Hoheitentreffen auf der Bundesgartenschau 2023 in Mannheim und an die Spargelwanderung, die die Schwetzinger Zeitung gemeinsam mit den Landwirten auf die Beine stellte. Ihre Anregung, diese wiederzubeleben, erntete breite Zustimmung.
Mit Tränen in den Augen bedankte sie sich bei allen, die sie unterstützt haben. Ganz besonders bei ihrer Nachfolgerin, Emilia I. die sie vor einem Jahr zur Spargelprinzessin kürte und jetzt als ihre Nachfolgerin krönte: „Du bist mir eine Freundin geworden.“ Es war ein Zeremoniell, das bewegte und für den Oberbürgermeister einmal mehr die Bedeutung dieser kurfürstlichen Hoheit unterstrich.
Emilia I. richtet erste hoheitliche Worte an die Gäste
Emilia I. richtete in ihrer Funktion als neue Spargelkönigin von Schwetzingen würdige Worte an die Gäste (dabei fotografiert von ihrer jüngeren Schwester Carla). Sie schien es fast selbst nicht zu glauben, dass ihr Traum gerade Wirklichkeit geworden ist. Sie freue sich, alle wieder beim Spargelsamstag am 4. Mai zu sehen.
Dann schnitt ihre hoheitliche Torte von der Bäckerei Utz an und freute sich über eine Schokoladenmoussetorten-Überraschung von Janine Renkert. Die Konditorin und ehemalige Spargelhoheit hatte bei Emilias Oma Marliese Beuschlein in Erfahrung gebracht, welche süße Verführung ihr Herz höherschlagen lässt.
Zu kalt für das königliche Gemüse
Emilias erste Amtshandlung: Sie unterstützte Hedi Rink bei der Ernte ihres allerersten Spargels. Die Sterneköchin hatte sich extra Gummistiefel gekauft, die später noch von den Hoheiten signiert wurden. Es dauerte einen Moment, bis ein Spargel gefunden wurde. Hedi Rink meisterte die Aufgabe mit Bravur. „Wo geht’s weiter?“, bewarb sich die in der Eiffel geborene Powerfrau gleich als Erntehelferin. Nur da wird sie sich gedulden müssen: Aufgrund der Wetterlage holte zum Beispiel Familie Schuhmacher am Samstag gerade mal knapp 50 Kilo Spargel aus dem Boden. „Als es 30 Grad hatte, waren es 350 Kilo“, so Manuela und Heinrich Schuhmacher.
Wenn auch „Spargel ausverkauft“ auf dem Schild am Hof prangte, so gab es allerhand Speisen mit dem Gemüse: Spargelbratwurst von Metzger Back, Quiche aus Spargel und Spaghetti überbacken mit Parmesan bei der mediterranen Kochgesellschaft, dazu die herrlichen Tischmacher-Weine, das Kuchenparadies der Landfrauen und flüssige Gaumenfreuden der Firma Spirituosen Futterer. Dazu zeigte Korbflechter Edmund Gehrlein seine Handwerkskunst live und der Chor „Alive Vocals“ unterhielt mit schönen Liedern.
Es war wieder ein toller Spargelanstich, wenn auch witterungsbedingt mit nicht ganz so vielen Besuchern, wie man es von sonnigeren Events kennt.
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