Die Energiewirtschaft befindet sich im Umbruch, Preise ziehen kräftig an, die Pandemie mit ihren Regeln und Vorschriften macht einem Freizeitbad wie dem Bellamar zu schaffen und dazu kommt noch ein personeller Umbruch bei den Schwetzinger Stadtwerken. Martina Braun führt die Geschäfte nach der Pensionierung von Dieter Scholl alleine, hat sich aber mit Patrick Körner und Ronny Weber zwei Prokuristen zur Seite geholt. Wir haben mit der Stadtwerke-Chefin über die Entwicklungen am Energiemarkt und die Zukunft des Unternehmens gesprochen.
Die Stadtwerke haben sich an der Spitze neu aufgestellt. Dieter Scholl hat sich fast unbemerkt in den Ruhestand verabschiedet. Wie machen sich die beiden neuen Prokuristen Patrick Körner und Ronny Weber an Ihrer Seite? Wie sind die Aufgaben verteilt?
Martina Braun: Das neue junge Team arbeitet sehr gut und kooperativ zusammen. Da wir uns alle schon seit Jahren kennen, war der Übergang für uns fließend und wir ergänzen uns optimal. Ronny Weber hat als technischer Prokurist den gesamten Netzbetrieb und die Technik in seinem Verantwortungsbereich. Patrick Körner ist als kaufmännischer Prokurist weiterhin meine rechte Hand in allen kaufmännischen Angelegenheiten. Weitergehend hat er das Stadtwerke-Kundenzentrum und damit verbunden den Vertrieb unserer verschiedenen Produkte und Dienstleistungen sowie die Werkleitung des Freizeitbades Bellamar übernommen. Mit Blick auf die Gesamtleitung des Unternehmens sind die Verwaltungsbereiche wie etwa Buchhaltung, Personalwesen und Forderungsmanagement, aber auch der Energieeinkauf die originären Kernbereiche, um die ich mich als Geschäftsführerin kümmere.
Zusammen mit der neu gegründeten Wohnbaugesellschaft ist in der Scheffelstraße ein neues Gebäude entstanden. Wie wird es genutzt?
Braun: Das neue Gebäude in der Scheffelstraße haben die Stadtwerke in erster Linie für den Eigenbedarf gebaut, hauptsächlich zur Erweiterung der Büroflächen. Außerdem haben wir jetzt auch unser Kundenzentrum am Standort Scheffelstraße untergebracht. Die Schwetzinger Wohnbaugesellschaft wird im kommenden Jahr bei uns als Mieter einziehen.
Warum haben Sie das Kundenzentrum von der Innenstadt dorthin verlegt?
Braun: Das Kundenzentrum in der Innenstadt war mittlerweile von seinen räumlichen Möglichkeiten her gesehen doch sehr beengt, da wir aufgrund der gestiegenen Nachfrage inzwischen die Zahl unserer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Kundenservice aufgestockt haben. Um es aber mit den Worten einer Kundin zu formulieren: „Sie sind ja immer noch in der Innenstadt, vor allem wenn die Schwetzinger Höfe gebaut sind.“ Der Standort Scheffelstraße ist zentral und gut mit dem Rad, mit öffentlichen Verkehrsmitteln und mit dem Auto zu erreichen, was einen Mehrwert für unsere Kunden darstellt. Falls ein Kunde sich zukünftig „verlaufen sollte“ und in unserem Verwaltungsgebäude nach Rat und Information fragt, müssen wir ihn nicht wie bisher von hier aus in die Fußgängerzone schicken oder umgekehrt. Jetzt ist alles zentral an einem Standort: Vom Antrag für den Hausanschluss, dem Abschluss eines Erdgasvertrags, der Beratung für einen Fernwärmeanschluss oder Fragen zu einer Rechnung.
Die Energiepreise steigen. Wie entwickelt sich der Strompreis in Schwetzingen?
Braun: Die Umlagen auf den Strompreis sind im Vergleich zum letzten Jahr gesunken und unsere gemeinsame Vertriebsgesellschaft mit den Stadtwerken Weinheim, die Urbania GmbH, hat vorausschauend eingekauft, sodass wir unsere Strompreise im nächsten Jahr tatsächlich stabil halten können.
Was macht plötzlich Gas so teuer und wie ist das bei den Stadtwerken?
Braun: Das hat gleich mehrere Gründe. Zum einen war der vergangene Winter einer der kälteren Sorte, sodass die Gasspeicher aufgrund der langen Heizperiode deutlich leerer waren als sonst üblich. Die Füllstände sind übrigens auch zu Beginn der jetzigen Heizperiode noch unter Normalniveau. Außerdem gab es dieses Jahr insgesamt gesehen weniger Wind, also mussten die Gaskraftwerke zur Energieerzeugung laufen. Aufgrund der anziehenden Wirtschaft in Asien sind die Flüssiggaslieferungen nach Europa so gering wie lange nicht mehr, was kompensiert werden muss. Die politische Gemengelage um die Gasleitung North Stream 2 tut ihr übriges zur Preisentwicklung für Strom und Gas in Europa. Die Stadtwerke Schwetzingen kaufen seit Jahren ihre Gasmengen über Tranchen zu verschiedenen Zeitpunkten im Jahr ein, um das Preisrisiko zu streuen. Daher haben wir günstigere Mengen, aber auch teurere Mengen im Portfolio. Neben den Beschaffungspreisen steigen auch die Netzentgelte und die CO2-Abgabe im Jahr 2022 an, sodass wir – übrigens nach einer Senkung im vergangenen Jahr – die Preisentwicklungen an dieser Stelle weitergeben müssen.
In diesem Zusammenhang noch ein Wort, das mir wichtig ist: Auch wenn wir bedauerlicherweise in keinem der bekannten Internet-Vergleichsportale in den Rankings auftauchen – ich vermute, weil wir den Anbietern keine Provision zahlen – kann ich sagen, dass wir zurzeit mit der günstigste Anbieter für den Bereich Schwetzingen, Oftersheim und Plankstadt sind.
Gerät die Fernwärme auch in den Preissteigerungssog? Und was passiert, wenn die Kohlekraftwerke in Mannheim ausgeschaltet werden, mit der Fernwärmeversorgung?
Braun: Die Fernwärme ist von dieser allgemeinen Preisspirale nach oben natürlich auch betroffen, die Rohstoffpreise verzeichnen in diesem Jahr teilweise historische Höchststände. Das gilt auch für den Kohlepreis und die CO2-Zertifikate, was sich direkt auf unsere Bezugspreise ausgewirkt hat. Die Fernwärmeversorgung für Schwetzingen, Oftersheim und jetzt auch für Plankstadt wird es selbstverständlich weiterhin geben. Die MVV hat sich in ihrem Nachhaltigkeitsbericht das Ziel gesetzt, bis 2040 klimaneutral zu sein, dazu gehört auch die Fernwärme. Immerhin sind rund 60 Prozent aller Haushalte in Mannheim an die Fernwärme angeschlossen. Davon profitieren die Stadtwerke Schwetzingen quasi automatisch mit.
Es gibt ja Stadtwerke, die schon massiv in alternative Energien investieren. Was machen die Stadtwerke Schwetzingen heute und welche Vorhaben sind in der Pipeline?
Braun: Die Stadtwerke Schwetzingen haben bereits im Jahr 2010 mit der Gründung der BEG (Bürgerenergiegenossenschaft Kurpfalz) den ersten Schritt hin zur Gewinnung alternativer und regenerativer Energien in Eigenregie gemacht. In den letzten Jahren haben wir neben den Photovoltaikanlagen der BEG auch unsere eigenen Gebäude mit Solaranlagen bestückt und für unsere Kunden bieten wir eine kompetente Kooperation mit der Firma Pfalzsolar an, die auf geeigneten Dächern im Kundenauftrag Photovoltaikanlagen installiert. Ein weiterer Meilenstein im Bereich alternative Energien: Mit dem Blockheizkraftwerk im Bellamar erzeugen wir unter Verwendung von 100 Prozent Biogas die Wärme für die gesamte Karl-Friedrich-Schimper-Gemeinschaftsschule – und das alles komplett regenerativ.
Um diesen Weg konsequent weiterzugehen, haben wir unser Investitionsvolumen im Bereich der umweltfreundlichen und regenerativen Technologien kurz- und mittelfristig deutlich erhöht. In näherer Zukunft haben wir mit der sukzessiven Fernwärmeerschließung von Plankstadt und der Infrastruktur für die Schwetzinger Höfe (Pfaudler-Areal) zwei bedeutende Projekte am Start, die uns die nächsten Jahre begleiten werden. Auch in Oftersheim sind bereits weitere Projekte und Hausanschlüsse zur Verdichtung und Erweiterung unseres dortigen Fernwärmenetzes konkret in der Planung.
Sind die hiesigen Stadtwerke groß genug oder wird es auch in diesem Bereich mittelfristig Fusionen geben müssen?
Stadtwerke: An Fusion denkt bei uns keiner. Wir haben mit unseren vier Gesellschaftern, der Stadt Schwetzingen, den Stadtwerken Heidelberg, der MVV und der EnBW vier starke Partner an Bord und verfügen über eine fundierte und solide Unternehmensbasis mit viel Kompetenz und Know-how. Diese besondere Gesellschafterkonstellation sorgt außerdem für zahlreiche interessante Synergiepotenziale, die wir langfristig zu unserem Vorteil nutzen können und werden. Alles in allem sind die Stadtwerke Schwetzingen gut aufgestellt und für die Zukunft bestens gerüstet.
Wie entwickeln sich angesichts der Corona-Einschränkungen die Defizite beim Freizeitbad Bellamar?
Patrick Körner: Trotz einiger Herausforderungen bei der Umsetzung der Corona-bedingten Vorgaben ist es uns gelungen, ein durchaus akzeptables Ergebnis im Jahr 2021 zu erzielen. Dafür gilt mein Dank dem gesamten Bellamar-Team, allen voran Bäderleiter Alexander Happold. Die Bewertung der zukünftigen Entwicklung des Finanzergebnisses hängt natürlich maßgeblich vom weiteren Verlauf der Pandemie in den nächsten Wochen und Monaten ab. Da diese Entwicklung noch nicht absehbar ist, gehen wir per heute davon aus, dass sich bei einem ähnlichen Verlauf und Zuspruch seitens der Badegäste wiederum ein ansprechendes Ergebnis analog 2021 erzielen lässt. Eine genauere Prognose ist aktuell aufgrund der unsicheren Lage allerdings schwierig.
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